Much Loved

Eine Filmkritik von Stefan Otto

Lebendes Fleisch

Lange hielt man viel im nordafrikanischen Königreich von ihm. Gleich Nabil Ayouchs Debüt, das Roadmovie Mektoub (Mektoub — Das Schicksal) wurde 1998 von Marokko ins Rennen um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film geschickt. Ebenso, zwei Jahre später, sein zweiter Film, das Jugenddrama Ali Zaoua, prince de la rue (Ali Zaoua, Prinz der Straße) sowie 2013 Les chevaux de dieu. Dessen Nachfolger Much loved allerdings hat man vonseiten Marokkos nicht nur nicht nominiert, sondern gleich mit einem Aufführungsverbot belegt. Der Film, der im Land seiner Produktion heftige Kontroversen auslöste, schadet nach Auffassung der marokkanischen Regierungspartei Parti de la justice et du développement (PJD) dem Ansehen der marokkanischen Frauen und stellt eine Beleidigung für das Land sowie seine Normen und Werte dar. Much loved verletze das Image der Monarchie schamlos, erklärt das Kommunikationsministerium in Rabat.
Prostitution ist in Marokko ein Tabuthema. Die Hauptdarstellerin von Much loved, Loubna Abidar, erhielt in ihrer Heimat Morddrohungen und sah sich mindestens einem tätlichen Angriff ausgesetzt. Inzwischen ist die 30-Jährige nach Frankreich ausgewandert, wo sie für ihre Darstellung der Prostituierten Noha für jenen César nominiert wurde, den letztlich Catherine Frot für Marguerite (Madame Marguerite oder die Kunst der schiefen Töne) gewann.

Noha, Randa (Asmaa Lazrak) und Soukaina (Halima Karaouane) schwenken ihre Hintern, die Brüste und den ganzen Körper. Sie werden für ihre Bewegungen bezahlt, fürs Tanzen und, besser noch, für Sex. Unsere Frauen, sagt ein von den Golfstaaten stammender Freier mit Blick auf den gut gefüllten Teller vor ihm auf dem Tisch, sind wie dieses Fleisch: tot. Die herausgeputzten Huren bieten den erwünschten lebendigen Ersatz. Für arabische wie für europäische Freier, auch wenn die Prostituierten sagen, dass letztere AIDS mitbringen und außerdem geizig sind.

Es geht allein ums Geld, um marokkanische Dirham, kurz: MAD. Ums Geld und um wertige Geschenke, mit denen die Freier sich einen höheren Grad an Zuneigung erkaufen können und dazu den Wert der Huren steigern. Die Huren sind Professionelle im Geschäft mit den Gefühlen.

Nabil Ayouch, der auch das Drehbuch schrieb, präsentiert sie als Teil eines eingefahrenen, ja, festgezurrten Systems, in dem sie nicht besser oder schlechter dastehen als ihre Freier oder die korrupten Polizisten. Es sind, in dem bildsprachlich nicht ungewöhnlich erzählten Film, jedoch die Prostituierten, denen wir folgen. Auf die Partys, für die sie gebucht sind oder die sie besuchen, sowie in den Wartezeiten dazwischen, zu Hause oder wenn ihr Chauffeur Saïd (Abdellah Didane) sie durch Marrakesch von einer Location zur nächsten fährt. Sie feiern auch ohne Gesellschaft, ohne Freier und machen sich vor, Teil einer Spaßgesellschaft zu sein. Dabei zeigt Ayouch eine Gesellschaft, die nicht weniger sexualisiert ist als in einem Pornofilm.

Much Loved

Lange hielt man viel im nordafrikanischen Königreich von ihm. Gleich Nabil Ayouchs Debüt, das Roadmovie „Mektoub“ („Mektoub — Das Schicksal“) wurde 1998 von Marokko ins Rennen um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film geschickt. Ebenso, zwei Jahre später, sein zweiter Film, das Jugenddrama „Ali Zaoua, prince de la rue“ („Ali Zaoua, Prinz der Straße“) sowie 2013 „Les chevaux de dieu“. Dessen Nachfolger „Much loved“ allerdings hat man vonseiten Marokkos nicht nur nicht nominiert, sondern gleich mit einem Aufführungsverbot belegt.
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