La tierra y la sombra

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Im Ascheregen

Ein Mann geht einen schnurgeraden Weg zwischen Zuckerrohrfeldern entlang, hinter ihm taucht in der Ferne ein Auto auf. Es dauert eine Weile, bis es näher kommt und der Mann sich umdreht, abschätzt, wann er ins Feld treten muss. Erst als der Laster mit ziemlicher Geschwindigkeit an ihm vorbeizieht, sieht man für einen Moment seine Dimensionen, die an einen Güterzug erinnern. Dann gibt es nur noch diese immense Staubwolke, die den Mann und die Sicht des Zuschauers verschluckt. Alfonso setzt seinen Weg fort bis zu dem kleinen Häuschen, das er vor 17 Jahren verließ. Es trotzt den Plantagen, die es mittlerweile umzingeln, dem Ascheregen, der wegen der Feuerrodungen vom Himmel fällt. Alfonsos erwachsener Sohn ist lungenkrank und liegt in einem Zimmer mit geschlossenen Fenstern – der Vater wurde gerufen, weil die Familie nicht mehr weiterkann.
Der Debütfilm des Kolumbianers César Augusto Acevedo setzt sich bildgewaltig und ausdrucksstark mit der existenziellen Krise einer Bauernfamilie in seinem Land auseinander, mit dem Begriff der Heimat, mit Umweltzerstörung und den Fragen nach Identität und Zugehörigkeit. Das Drama wurde in der Semaine de la Critique von Cannes 2015 gezeigt und mit der Caméra d’Or für den besten Erstlingsfilm bedacht. Die Frau, die Alfonso zurückließ, hat ihm die Trennung nicht verziehen, sie sagt ihm gleich, dass er nur geduldet ist und sich von ihr fern halten soll. Morgens geht sie mit der Schwiegertochter zur Arbeit auf die Plantage, der Sohn bleibt im Bett, der kleine Enkel Manuel braucht irgendwann ein Essen, Gesellschaft. Alfonso begreift intuitiv, was er tun muss. Von früher ist hinter dem Haus nur noch eine kleine Wiese zwischen den Plantagen übrig geblieben, mit einem riesigen alten Baum und einer Bank darunter. Dort sitzt Alfonso mit Manuel, erzählt ihm, dass er auch seinem Vater beibrachte, die Vögel an ihrem Gesang zu erkennen, und baut ein Futterpodest. Manuels Vater kommt und setzt sich zu ihnen, obwohl das ungesund für ihn ist.

Zu diesen ersten Zeichen einer emotionalen Reparatur gibt es in der Außenwelt aber keine Entsprechung. Die beiden Frauen werden wie die anderen Arbeiter seit Wochen auf der Plantage nicht bezahlt, immer wieder vertröstet. Umsonst wäscht Alfonso den Staub von den Pflanzen vor dem Haus und kehrt die Asche auf – in der trüben Dämmerung, von der man nicht genau weiß, ob sie natürlich oder menschengemacht ist, rieseln dann wieder die Ascheflocken herab. Das Abschiednehmen scheint unausweichlich, von diesem Ort und voneinander: Die alte Frau will bleiben, ihr Sohn zögert. In all ihrem Schmerz wendet sich Alfonsos Familie nach innen und entdeckt sich als Quelle gegenseitigen Trosts. Dieses letzte Zusammensein hat etwas ungeheuer Versöhnliches.

Es wird kaum gesprochen, die Protagonisten wirken völlig absorbiert vom Ernst der Lage, bewegen sich wie auf der Bühne eines antiken Stücks. Die Kamera lässt sich auch an Orten ohne Mittelpunkt nieder, im Hausflur, auf einem staubigen Fleck draußen, wo die Handlung auf sich warten lässt oder durchläuft, ohne dass der Blick ihr folgt. Die Sinne schärfen sich, suchen nach Neuorientierung. Das wuchtige Drama klagt an, gegen eine industrielle, ausbeuterische Landwirtschaft, die den Menschen knechtet und von seinem Grund vertreibt. Aber es setzt auch einen Anker in den emotionalen Boden, den sich Familie und geografische Heimat teilen.

La tierra y la sombra

Ein Mann geht einen schnurgeraden Weg zwischen Zuckerrohrfeldern entlang, hinter ihm taucht in der Ferne ein Auto auf. Es dauert eine Weile, bis es näher kommt und der Mann sich umdreht, abschätzt, wann er ins Feld treten muss. Erst als der Laster mit ziemlicher Geschwindigkeit an ihm vorbeizieht, sieht man für einen Moment seine Dimensionen, die an einen Güterzug erinnern.
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