Dope

Eine Filmkritik von Festivalkritik Cannes 2015 von Katrin Doerksen

Wie ein Rausch ohne Downer

Ich persönlich finde Malcolm (Shameik Moore) ja ziemlich dope. Abgesehen von einigen wenigen guten Freunden würden mir die Leute in seiner Schule da aber widersprechen. Ein zu Beginn des Films zitierter Lexikoneintrag definiert das Wort „Dope“ zum Einen als Slang für Drogen, zum Anderen als Adjektiv, das jemanden mit „Swag“ bezeichnet. Oder irgendwie so.
Malcolm käme bei den meisten Menschen in seiner Nachbarschaft The Bottoms in Inglewood, Kalifornien für diese Beschreibung nicht in Frage. Denn Malcolm trägt einen trapezförmigen Haarschnitt und vergöttert den Hip Hop der goldenen 1990er Jahre, träumt von einem Studium in Harvard und schreibt nichts als Einsernoten. Mit Dope hat Rick Famuyiwa einen absoluten Hit auf dem diesjährigen Sundance Festival abgeliefert, und dass seine Beliebtheit auch in Cannes bei der Nebenreihe Quinzaine des Réalisateurs nicht abriss, ist überhaupt kein Wunder. Er vereint nämlich alle Bestandteile, die einen Film zum Publikumsliebling werden lassen.

Aber von vorne: Eigentlich versucht Malcolm gemeinsam mit seinen Freunden Diggy (Kiersey Clemons) und Jib (Tony Revolori) nur in seinem rauen Viertel voller Drogendealer und Kleinkrimineller zu überleben, und das möglichst unbehelligt und ohne allzu große Verluste von teuren Turnschuhen an die halbstarken Typen in seiner Schule. Aber natürlich läuft alles anders und Malcolm wird zum Opfer des Zur-falschen-Zeit-am-falschen-Ort-Prinzips. Der Drogendealer Dom (Rakim Mayers) schmuggelt ihm während einer Razzia eine riesige Portion Molly in den Rucksack und natürlich ist das perfekt, denn niemand verdächtigt einen trapezhaarigen Geek des Transports von säckeweise MDMA. Nun ja, niemand außer Doms Rivale Alan the Bouncer (Allen Maldonado). Und plötzlich finden sich Malcolm und seine Freunde wider Willen in dem Drogenkleinkrieg wieder, der ein Klischee ihres Viertels ausmacht.

Mit Dope fasst Rick Famuyiwa Themen an, die bei einem anderen Regisseur ein schwermütig bis ohne Ende deprimierenden Film entstehen ließen: Chancenungleichheit und racial profiling im Allgemeinen und in amerikanischen Ghettos im Besonderen. Ein harter Brocken. Aber Famuyiwa entscheidet sich nicht für ein nüchternes Sozialdrama oder einen harten Drogenthriller, sondern für eine rasante Coming of Age-Komödie. Die kritischen Elemente darin kommen nicht zu kurz, doch sind sie derart originell ins Drehbuch eingeflochten, dass Dope ein Rausch ohne Downer bleibt. Das beginnt schon, als Malcolm in seinem Bewerbungsessay für die Uni keinesfalls darüber schreiben will, das arme Kind einer alleinerziehenden Mutter im Ghetto zu sein, all dieses Klischeezeugs, wie er es nennt. Malcolm entscheidet sich für Originalität, Kreativität. Er schreibt über den Rapper Ice Cube — und wird von seinem Direktor unsanft auf den Boden der vermeintlichen Tatsachen zurückgeholt: „Nimm das lieber ernst. Du bist auf einer High School in Inglewood, was glaubst du, wo du hinkommst? Nach Harvard!?“

Im nächsten Moment ist Famuyiwa dann schon wieder damit beschäftigt, augenzwinkernd das übertriebene Gehabe der Hip Hop-Szene aufs Korn zu nehmen. Das kulminiert zum Beispiel in einer wahnwitzigen Szene, in der Alan the Bouncer, der Malcolms Drogen unentwegt mit dem Codewort Lunch bezeichnet, bei einer Konfrontation in einem Diner unsanft darauf hingewiesen wird, er solle sich doch endlich etwas gegen seinen Hunger bestellen, statt nur mit der Pistole herumzufuchteln. Nachdem dieses Jahr etliche Werke in Cannes dräuend den Zeigefinger erhoben, ist es außerordentlich erfrischend, mit Dope endlich wieder einen Film zu sehen, der sich einfach nur die Nerdbrille zurecht schiebt und dann grinsend den Stinkefinger zeigt, statt seinem Publikum einen endlosen Diskurs aufzuzwingen. Selbst die unvermeidliche Diskussion um das N-Wort mit dem weißen Drogenexperten Will (Blake Anderson) — wer darf es sagen und wer nicht? — kann Rick Famuyiwa in clevere Unterhaltung umbiegen.

Am Ende lässt er Malcolm schließlich sein Plädoyer für sich selbst direkt in die Kamera sprechen. „Ich passe nicht rein, und das ist auch gut so.“ Die Trapezhaare kommen dann zwar tragischerweise unter den Rasierapparat, aber wäre Malcolm eine reale Person, so würde ich hoffen, dass dies sein einziges Zugeständnis an die Nicht-Geeks dieser Welt bleibt.

(Festivalkritik Cannes 2015 von Katrin Doerksen)

Dope

Ich persönlich finde Malcolm (Shameik Moore) ja ziemlich dope. Abgesehen von einigen wenigen guten Freunden würden mir die Leute in seiner Schule da aber widersprechen. Ein zu Beginn des Films zitierter Lexikoneintrag definiert das Wort „Dope“ zum Einen als Slang für Drogen, zum Anderen als Adjektiv, das jemanden mit „Swag“ bezeichnet. Oder irgendwie so.
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Meinungen

Hans im Glück · 19.05.2021

Ein absoluter Top Film.
Der Film hatte keine einzige Länge. Der ganze Drive wurde durch viele Wendungen und gut platzierte Pointen gepusht.
Dieses untermalt mit super Musik und einer sehr guten Story.