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Eine Puzzlebox öffnet das Tor in eine andere Dimension, aus der Hohepriester des Schmerzes in unsere Welt dringen. Was abstrus klingt, galt Horrorpapst Stephen King 1987 als Zukunft des Genres. Nun kommt Clive Barkers Hellraiser – Das Tör zur Hölle noch einmal auf die große Leinwand

Hellraiser - Das Tor zur Hölle (1987)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Unterm Dach ist die Hölle los

Bis heute strotzt der Horrorfilm vor Innovationskraft. Die häufig beschränkten Mittel gleichen viele Filmemacher mit Kreativität aus und bringen das Genre in erstaunlicher Regelmäßigkeit mal durch neue Effekte, mal durch neue Erzählformen voran. Die Budgets vieler moderner Klassiker – von „Die Nacht der lebenden Toten“ (1968) über Tanz der Teufel (1981) bis Blair Witch Project (1999) und Paranormal Activity (2007), um nur einige wenige zu nennen – sind kaum der Rede wert. Auch Clive Barker ging gegen Ende der Dreharbeiten das Geld aus. In die Filmgeschichtsbücher hat er es dennoch geschafft.

Vor Hellraiser hatte der britische Schriftsteller lediglich 2 Kurzfilme gedreht. Sein Langfilmdebüt gab er dann notgedrungen, weil er mit der Umsetzung seines Drehbuchs zu Underworld (1985) und der Adaption seiner Kurzgeschichte Rawhead Rex (1986), um es freundlich zu formulieren, unzufrieden war. Für die Leinwandversion seines Romans The Hellbound Heart, der hierzulande als Das Tor zur Hölle zwischen die Buchdeckel gepresst wurde, setzte sich der gebürtige Liverpooler also einfach selbst auf den Regiestuhl.

Das Ergebnis beeindruckt, was weniger an der Handlung und viel an den Effekten liegt. Die Geschichte um den durchtriebenen Herumtreiber Frank Cotton (Sean Chapman), der der Welt abhandenkommt, als er einen mysteriösen Würfel, eine Art Puzzlebox, öffnet und Jahre später den Ort seines Verschwindens heimsucht, dient auch Barker lediglich als dünne Folie, vor der er sein groteskes Spektakel abspult. Das aber hat es dank eimerweise Blut und faszinierend-fürchterlichen Wesen aus einer anderen Dimension bis heute in sich.

Bei Barker lauert das Böse auf dem Dachboden. Dort rematerialisiert sich der entschwundene Frank in einem schaurig-schönen Schauspiel aus Fleisch und Knochen. Auslöser war ein Tropfen Blut seines Bruders Larry (Andrew Robinson), der mit seiner zweiten Ehefrau Julia (Clare Higgins) in Franks altes Haus gezogen ist. Von der Affäre, die Julia und Frank einst hatten und die Clive Barker in einer kurzen Parallelmontage virtuos mit der Gegenwart verflicht, ahnt der treudoofe Larry nichts. Für Julias Machenschaften ist er blind. Um seinen Körper vollständig wiederherzustellen, benötigt Frank frisches Fleisch. Also liefert Julia, ihrem Ex-Lover erneut hörig, als Vamp wider Willen fleißig Nachschub, indem sie paarungswillige Männer unters Dach lockt.

Der Vater ein Hahnrei liegt es an Kirsty (Ashley Laurence), Larrys Tochter aus erster Ehe, das Böse zu bannen. Als Unschuld vom Lande nimmt sie es mit ihrem märchenhaften Schwiegermonster, dem dämonischen Onkel und den Zenobiten auf, jenen Höllenwesen, die Frank durch den Zauberwürfel einst rief und die er nun nicht mehr los wird. Diese Forschungsreisenden „in die weit entfernten Regionen der menschlichen Erfahrung“ sind der wahre Höhepunkt von Barkers Film. Hohepriester des Schmerzes, „für manche Dämonen, Engel für andere“, wie sie selbst sagen. Ihr Anführer (Doug Bradley), der den von Barker gehassten Spitznamen „Pinhead“ verpasst bekam, ist längst eine Ikone des Genres.

So klischiert und eindimensional Hellraisers Frauenbild auch sein mag, dynamischer und weitaus vielschichtiger als die männlichen Figuren sind die weiblichen letztlich allemal. Und so billig die Effekte gegen Filmende auch werden, das creature design fesselt selbst 3 Jahrzehnte später und versursacht schlaflose Nächte. Auch für den Mut zur „unverhüllten Erotisierung“ seiner Geschichte, wie Marcus Stiglegger die Beziehung zwischen Julia und Frank in einem Aufsatz bezeichnet, muss man Clive Barker loben. Bei allem Schauder, der erfreulicherweise fast ohne jump scares auskommt, ist Hellraiser auch immer Körperkino, dessen sadomasochistische Exzesse das Terrorkino eines Eli Roth oder Alexandre Aja vorwegnehmen. Auf der großen Leinwand ist das nun erstmals ungeschnitten zu bestaunen.

Hellraiser - Das Tor zur Hölle (1987)

Frank Cotton verschwindet unter mysteriösen Umständen aus seinem Haus, als er versucht einen geheimnisvollen Würfel zu öffnen. Jahre später ziehen sein Bruder Larry und dessen Frau ausgerechnet in dieses Haus. Frank gelingt es in Gestalt eines schrecklichen Wesens zurückzukehren. Um sich den Mächten der Finsternis endgültig zu entziehen, benötigt er die Hilfe seiner einstigen Geliebten Julia, die ihm nach wie vor hörig ist.

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