Foxtrot - Tödliches Inselparadies

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Der Mikrokosmos als Spiegel der großen Historie

Zu den romantischen Klängen des Titelsongs „Foxtrot“ – komponiert von Pete Rugolo mit dem Text von Jay Livingston und Ray Evans – tanzen mit elitärer Eleganz der rumänische Graf Liviu Milescu (Peter O’Toole) und seine aparte Gattin Julia (Charlotte Rampling) in feinstem Zwirn auf dem Schiff mitten im Meer, das sie fernab der Unruhen und Verfolgungen im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs mit reichlich erlesenen Nahrungsmitteln im Gepäck zu einer entlegenen, unbewohnten Insel bringt, die sie gerade gekauft haben, um ihrer exklusiven Weltflucht dort erst einmal eine Heimat zu geben. Die Körperhaltungen und die kommunikative Mimik dieses prätentiösen Paars mit ihren lockenden, verführerischen und koketten Komponenten deutet bereits in der Eingangsszene des dramatischen Thrillers Foxtrot – Tödliches Inselparadies von Arturo Ripstein aus dem Jahre 1976 die ambivalenten Spannungen zwischen Julia und Liviu an, die sich im Verlauf der zunächst recht geruhsamen Geschichte zu pochenden Entzündungen entwickeln.
Auch wenn die Milescus, Livius persönlicher Diener Eusebio (Jorge Luke) sowie sein alter Freund Major Larsen (Max von Sydow), die allein auf der Insel zurückbleiben wollen, bis in sechs Wochen das Versorgungsschiff mit neuem Proviant und Arbeitern für den Bau von Gebäuden zurückkehren soll, anfangs augenscheinlich ganz entspannte, sonnig-wonnige Zeiten in ihren festgezurrten Rollen verbringen, erscheinen bereits jetzt kleine Vorboten schleichender Aufweichungen der Konventionen. Das Schiff als einzige Verbindung zur Außenwelt trifft nicht pünktlich ein, dafür aber eine Yacht mit Livius einstiger Geliebter Alexandra (Helena Rojo), ihrem Mann Paul (Claudio Brook) und einigen Freunden, die mit ihrem vergnügungsorientierten Lotterleben für eine Weile in die kleine Gemeinschaft auf der Insel einbrechen. In diesem Rahmen zeigen sich sowohl Julias Eifersucht und ihr Unmut, diese ungebetenen, rücksichtslosen Gäste zu beherbergen, Larsens wachsend fordernder, dominanter Charakter, Eusebios einsetzende Emanzipation als auch Livius bequemlicher Fatalismus. Als die Yacht zur Weiterfahrt aufbricht und später von Larsen und Eusebio verlassen und offenbar pestverseucht aufgefunden wird, beginnt ein anderes Leben auf der Insel, denn die vier nun unfreiwillig von jeglichem Kontakt abgeschnittenen Bewohner geraten in dieser extremen Situation so kräftig wie gefährlich aneinander, wobei Julia zum Dreh- und Angelpunkt der eskalierenden Interaktionen avanciert…

Während in Europa nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Polen der Krieg wütet, ereignet sich in dem geradezu absurd luxuriös ausgestatteten Mikrokosmos der Insel ein Kampf um die Deutungshoheit der Beziehungen und letztlich ums Überleben, der durch das intensive, sorgfältig changierende Spiel der hervorragenden Darsteller von Beginn an angedeutet, vorbereitet und meisterlich auf die Spitze getrieben wird. Charlotte Rampling, damals 30 Jahre alt, brilliert als ehemalige Sängerin mit männermordendem Ruf, um welche die Begehrlichkeiten der Männer als Repräsentanten ihrer Machtansprüche kreisen und deren Liebe zu ihrem Gatten Liviu, den Peter O’Toole mit nonchalanter Eigensinnigkeit sowie einem guten Schuss sanften Wahnsinns verkörpert, nicht nur scheinbar das Fundament ihrer Motivationen bildet. Die selbstverliebte, durchtriebene Grobschlächtigkeit Max von Sydows als Larsen tritt erst allmählich zu Tage, und Jorge Lukes Position als ergebener Diener Eusebio, der in der Konstellation der aufbrechenden, zuvor deutlich definierten Grenzen am stärksten die Verunsicherung angesichts niedergehender Hierarchien spiegelt, wetzt sich an seinem Bedürfnis, als gleichberechtigter Gefährte und vor allem als Mann anerkannt zu werden.

Es sind die feinen kleinen Nuancen dieser schlichten Geschichte mit prächtigen Protagonisten jenseits und doch abhängig von sowie angesiedelt inmitten der großen Historie in weiter Ferne, die Foxtrot – Tödliches Inselparadies zu einem sehenswerten Stück jener Stoffe werden lassen, denen ihre inhärente, leise und unterschwellig durch sanfte Musik verbrämte Ironie einen gleichermaßen distanzierten wie nahezu Verständnis verweigernden Duktus der Unnahbarkeit verleiht. Dieser verpufft hier jedoch nicht in einer ratlosen Betrachtung, sondern wird von den ganz spezifischen Stimmungen des überwiegend schwermütigen Films genährt und lädt den Zuschauer ein, sich selbst in die Situation dieses komfortablen Exils hineinzudenken, dessen Scheitern durchaus als Symbol für jene Entwurzelung und Vereinsamung gedeutet werden kann, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg vehement das Schicksal von Millionen von Menschen prägte.

Foxtrot - Tödliches Inselparadies

Zu den romantischen Klängen des Titelsongs „Foxtrot“ – komponiert von Pete Rugolo mit dem Text von Jay Livingston und Ray Evans – tanzen mit elitärer Eleganz der rumänische Graf Liviu Milescu (Peter O’Toole) und seine aparte Gattin Julia (Charlotte Rampling) in feinstem Zwirn auf dem Schiff mitten im Meer.
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