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In Xavier Giannolis Film begibt sich ein traumatisierter Journalist im Auftrag des Vatikan auf die Suche nach der Wahrheit hinter einer angeblichen Marienerscheinung und stößt dabei mehrfach an seine Grenzen.

Die Erscheinung (2018)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Auf der Suche nach der Wahrheit hinter einem Wunder

Gerade erst musste der renommierte Journalist und Kriegsberichterstatter Jacques Mayano (Vincent Lindon) mitansehen, wie sein langjähriger Kollege, der Bildreporter Christophe, an einem der globalen Krisenherde (vermutlich in Syrien) getötet wurde. Zurück in Frankreich sind seine psychischen Wunden noch längst nicht verheilt, als ihn ein Anruf aus dem Vatikan ereilt, dessen Tragweite er erst begreift, als er nach Rom reist und dort den potentiellen Auftraggeber, den Vorsitzenden der Glaubenskongregation, trifft.

Denn der messerscharf analysierende und absolut integre Mayano soll als Bestandteil eines Teams im Auftrag der katholischen Kirche eine angebliche Marienerscheinung im Südosten Frankreich untersuchen, die vor Ort bereits für einige Wellen gesorgt hat. Längst kommen zahlreiche Pilger in den Ort, in dem die 18-jährige Anna (Gallatéa Bellugi) die Mutter Gottes gesehen haben will. Die Situation ist für den Vatikan bereits außer Kontrolle – und so soll der Untersuchungsausschuss klären, ob es sich hier womöglich tatsächlich um ein Wunder handelt oder doch um etwas ganz anderes. 

Unterstützt von seinem Team, das aus mehreren Priestern, aber auch einer Psychiaterin besteht, begibt sich der nicht gläubige Mayano auf Spurensuche. Und wie die Gläubigen, so ist auch er fasziniert von der streng gläubigen Anna. Zugleich stößt er aber auf Ungereimtheiten, lose Enden und rätselhafte Zeichen, die ein Indiz dafür sein könnte, dass hier etwas nicht stimmt. Vor allem aber scheint es, als habe die ganze Angelegenheit viel mehr mit ihm selbst zu tun, als er das für möglich hielt. Wie soll er unter diesen besonderen Umständen überhaupt die kritische Distanz wahren, die dafür nötig ist? Und dann ist da noch Anna, die unter der Last der Erscheinung immer mehr zu schwindet scheint, die sich auflöst in dem, was ihr widerfahren ist. Oder gibt es für all das vielleicht doch eine andere Erklärung?

L’apparition — Die Erscheinung ist ein Thriller der leisen Art, der dennoch dank seiner interessanten Figuren und komplexen Fragestellungen über weite Stellen zu fesseln vermag. Neben dem sowieso über fast jeden Zweifel erhabenen Vincent Lindon ist es vor allem Gallatéa Bellugi, deren stille Präsenz dem Film vieles von seiner Überzeugungskraft gibt. Ihr Spiel versteht es, das Bild einer jungen Frau zu zeichnen, die zutiefst religiös ist, aber zugleich auch ein Geheimnis vor der Welt versteckt, das es zu ergründen gilt. Das Spannungsverhältnis zwischen Anna und Mayano sowie die Undurchsichtigkeit zahlreicher Nebenfiguren wie jener des deutschen Priesters Anton Meyer (Anatole Taubmann) verleihen dem Film trotz einiger Längen Spannung und sorgen immer wieder für überraschende Wendungen, die eher an einen guten Detektivfilm als ein Drama über Religion und Wahrheit denken lassen.

Größtenteils untermalt von der betörenden Musik Arvo Pärts gelingt Giannoli mit seinem Film ein großer Wurf, der versucht, die Magie des Unsichtbaren und des Mysteriums zu ergründen, der Trauer und Verlust, tiefe Hingabe und kritische Distanz, persönliches Trauma und mediale Wirksamkeit miteinander verbindet – und der nicht dem Trugschluss erliegt, auf all diese Fragen auch Antworten liefern zu müssen. Neben vielem anderen liegt wahrscheinlich hierin die größte Stärke dieses Films.

Die Erscheinung (2018)

Ein investigativer Journalist wird vom Vatikan  in ein kleines französisches Dorf gesandt, um dort den Umständen einer angeblichen Heiligenerscheinung nachzugehen. Doch was er dort entdeckt, wird an den Grundfesten seines Glaubens und seiner Überzeugungen rütteln …

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Meinungen

Martin Zopick · 19.01.2023

Regisseur Xavier Giannoli ist ein mutiges Unterfangen angegangen. Jahrzehnte nach Lourdes und Fatima hat er einen Film über eine Marienerscheinung gemacht, die die jugendliche Anna (Galatéa Bellugi) in einem südfranzösischen Dorf gehabt haben soll.
In einer Zeit, da die Mitgliederzahlen in Richtung auf den Zähler ‘der Letzte macht das Licht aus‘ hinauslaufen, braucht der Mann viel Gottvertrauen, aber auch Mut und Selbstbewusstsein. Der Vatikan schickt den Kriegsreporter Jacques Mayano (Vincent Lindon) hin um zu recherchieren.
Das Drehbuch ist anfangs um Glaubwürdigkeit bemüht: eine Kommission wird eingesetzt, Pilgermassen umringen das angebliche auserwählte Mädchen und der Andenkenverkauf schießt durch die Decke. Eine angebrannte Ikone sowie ein Brief an den Bischof sollen sachliche Fundamente schaffen. Anna hilft mit Tränen und Danksagungen nach. Begeisterte Vertreter des Klerus jubeln Lobeshymnen auf Anna. Dann wird’s kryptisch: sie verweigert die Nahrung und flieht in den Wald. Es macht sich bei ihr eine gewisse Lebensunwilligkeit bemerkbar. Sie sucht nach ihrer Jugendfreundin Meriem (Alicia Hava), Mutter eines Kindes, die irgendwie etwas mit der Geburt und Anna Erscheinung zu tun hat. Jacques ist ratlos, sagt aber auch nichts, weil er nichts weiß? Mit der Feststellung ‘Seelen haben ihre eigene Welt, von der wir nichts wissen.‘ verabschiedet sich Anna von dieser Welt, in der der Zuschauer sprachlos zurückbleibt. Im Epilog mit Jacques in Nordafrika könnte sich eine Lösung verstecken. Die hat aber mit dem vorausgegangenen Film so viel zu tun, wie der ominöse Fisch mit dem Fahrrad. Licht aus!

Martin · 19.01.2023

Der Film hat vielleicht nicht viele Längen (kA kenne nur einen Teil), aber die erste Stunde ist eine.

Heidi · 18.01.2023

Ein Film, der berührt und verstört, ein echtes Highlight

Maikel · 18.01.2023

der Film beginnt vielversprechend, driftet aber immer weiter in schwülstiges, pseudoreligiöses Getue ab. Schöne Bilder, dramatische Musik, überzeugende Schauspieler, aber sehr unglaubwürdige Geschichte. Sehr enttäuschend.

Johannes · 06.04.2021

Ich kenne wirklich sehr viele Filme...
Und das hier ist ein sagenhafter starker und grossartiger Film, in praktisch sämtlichen Belangen. Völlig zu Unrecht wurde/wird darüber viel zu wenig gesprochen und er zu wenig gewürdigt.

stefan · 05.04.2021

War ein guter Film :)