Log Line

In seinem Sozialdrama „Der Glanz der Unsichtbaren“ befasst sich Louis-Julien Petit kenntnisreich mit der Situation wohnungsloser Frauen in Nordfrankreich – und kann dabei auf sein kluges Casting setzen.

Der Glanz der Unsichtbaren (2018)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Würde und Sichtbarkeit

Den Blick nicht abzuwenden, sondern hinzusehen und aktiv zu werden, ist sowohl eine Aufgabe der Gesellschaft als auch des Kinos. Insbesondere das Subgenre des Sozialdramas widmet sich seit jeher dieser Bestimmung – und vermag sein Publikum im Idealfall zum Handeln im echten Leben zu animieren. Der französische Filmemacher Louis-Julien Petit legt mit „Der Glanz der Unsichtbaren“ einen eindrücklichen Subgenrebeitrag vor: Auf Basis des Sachbuchs „Sur la route des invisibles“ und des Dokumentarfilms „Femmes invisibles: survivre dans la rue“, beide von Claire Lajeunie, schildert er die Geschichte von wohnungslosen Frauen in einer nordfranzösischen Stadt sowie von vier Sozialarbeiterinnen, die sich in einer Tagesstätte engagieren, in welcher die Frauen sich duschen und aufhalten können.

Den Film bei Vimeo schauen:

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von Vimeo präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Jene Tagesstätte steht vor der Schließung, da sie von der Stadtverwaltung als nicht effektiv genug eingestuft wird. Verwiesen wird auf eine Unterbringungsmöglichkeit in der Peripherie der Stadt; das Betreuerinnen-Quartett Manu (Corinne Masiero), Audrey (Audrey Lamy), Hélène (Noémie Lvovsky) und Angélique (Déborah Lukumuena) weiß jedoch, dass ein Großteil der Frauen dort nicht hingehen wird, weil sich die Unterkunft zu weit außerhalb befindet und dort auch Männer untergebracht sind. Nachdem überdies ein Zeltcamp am Sportplatz geräumt wurde, wo viele wohnungslose Frauen die Nacht verbrachten, fassen die Sozialarbeiterinnen den Entschluss, die Tagesstätte heimlich zu einer 24-Stunden-Unterkunft zu machen – und den Frauen bei der Reintegration zu helfen, um ihnen Jobs zu vermitteln.

Der Glanz der Unsichtbaren ist zunächst einmal deshalb bemerkenswert, weil er verdeutlicht, wie wichtig ein Safe Space für wohnungslose Frauen ist – ein Ort, der die Voraussetzungen dafür schafft, den Grundbedürfnissen nachzugehen, der vor Kälte und Gewalt schützt. Darüber hinaus zeigt er die Notwendigkeit auf, den Frauen eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen. Der Film wird dabei aber weder didaktisch, noch verharmlost er die Zustände, um als Feel-Good-Movie vielen zu gefallen. Während der Witz der Inszenierung immer wahrhaftig wirkt, lässt die Umsetzung nie einen Zweifel daran, dass Petit und sein Team wissen, wovon sie hier erzählen. Die umfangreiche Recherche ist dem Werk in zahlreichen Details anzumerken.

Als größter Gewinn erweist sich dabei die gute Besetzungsentscheidung: Die Rollen der wohnungslosen Frauen werden überwiegend von Laiinnen aus der nordfranzösischen Region verkörpert, die selbst wohnungslos waren. Sie dienen nicht nur als Hintergrund, sondern werden zu Individuen, deren biografische Hintergründe kurz, aber prägnant anklingen. In rund 100 Minuten gelingt Der Glanz der Unsichtbaren damit etwas Ähnliches wie der Netflix-Serie Orange Is the New Black in sieben Staffeln: die stimmige und vielschichtige Zeichnung eines Ensembles, in der Ecken und Kanten nicht abgeschliffen werden müssen. Als interessanteste Figur erweist sich dabei die handwerklich begabte Chantal (Adolpha Van Meerhaeghe), die von der Waschmaschine bis zum Toaster alles reparieren kann, allerdings dennoch schwer zu vermitteln ist, weil sie in Bewerbungsgesprächen stets ganz ehrlich mitteilt, ihre Fähigkeiten im Gefängnis erworben zu haben.

Petits Skript begeht zudem nicht den Fehler, die vier Sozialarbeiterinnen zu idealisieren. Sie sind keine strahlenden Heldinnen, keine makellosen Retterinnen, sondern ebenfalls dreidimensionale Persönlichkeiten mit Schwächen. Der Glanz der Unsichtbaren verkommt daher nie zum Kitsch, sondern ist ein wirkmächtiger Appell an die Solidarität, der es durch seinen aufrichtigen Humor schaffen kann, ein breites Publikum zu erreichen. In Frankreich konnte dies bereits erzielt werden – und auch hierzulande wäre es dem Film sehr zu wünschen.

Der Glanz der Unsichtbaren (2018)

Durch eine Entscheidung der Stadtverwaltung wird einer Einrichtung für obdachlose Frauen die Unterstützung gestrichen. Den Sozialarbeitern bleiben nur drei Monate, um die Frauen anderweitig unterzubringen.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Johannpeter · 19.10.2019

Der Film hat uns unterhalten und berührt; wir fanden ihn glaubwürdig. Er regt zum Nachdenken über die Klippen des Lebens an und zeigt, wie wichtig es ist, (wieder) auf sich selbst stolz zu sein.

Sus · 12.10.2019

Leider sehr konstruiert mit nur wenigen Kanten und fehlender Tiefe. Ein feel - good - movie für all jene, die nicht betroffen sind. Und leider eine sehr schlechte Synchronisation.

Maria · 08.10.2019

Enttäuschend, sehr konstruiert, hat mich nicht mitgenommen