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Mit „Lou – Abenteuer auf Samtpfoten“ präsentiert uns Guillaume Maidatchevsky einen Tier- und Familienfilm, der Ambivalenzen zulässt.

Lou - Abenteuer auf Samtpfoten (2023)

Eine Filmkritik von Anke Zeitz

Das Glück auf schnurrig sanften Pfoten

Kaum etwas löst in Filmen so leicht Verzückung und Wohlgefühl aus wie die Kombination von Tieren und Kindern. Und wenn dann auch noch ein Film schon in seinen ersten Minuten den tierischen Filmhelden komplett die Leinwand überlässt, dann ist der süßlich-heimelige Ton im Prinzip schon gesetzt. Doch Regisseur Guillaume Maidatchevsky will in seiner Verfilmung des Romans „Rrou“ von Maurice Genevoix mehr als nur die klassische Wohlfühl-Formel „Kind und Katze gleich untrennbare Einheit“ erfüllen und hält es letzten Endes ganz mit dem kanadisch-amerikanischen Illustrator Eric Gurney, der einst so klug festhielt: „Unter dem Pelz der Katze lebt unverändert eine der freiesten Seelen der Welt“.

Im Grunde beginnt der Film mit einer Tragödie. Denn die vier Katzenbabys, die von ihrer Mutter auf einem Dachboden großgezogen werden, sind aufgrund des frühen und plötzlichen Todes der Mutter auf sich allein gestellt. Glücklicherweise werden die unschuldigen Wesen von der zehnjährigen Clémence und ihrer besten Freundin entdeckt. Vor allem der kleine Lou (im französischen Original heißt der Kater „Rrou“, was dem Schnurrlaut einer Katze entspricht) hat es Clémence angetan, ist er doch der frechste und abenteuerlustigste im ganzen Wurf. Gegen den Willen der Eltern will Clémence Lou behalten und unternimmt fortan alles, um den kleinen Freigeist an ein gemütliches Leben im Haus zu gewöhnen.

Bis hierhin ist Lou – Abenteuer auf Samtpfoten ein typischer Tier- und Familienfilm mit süßen Momenten und wirklich schönen Aufnahmen (Kamera: Dan Meyer, bekannt unter anderem durch die Belle & Sebastian-Verfilmungen), die sich immer auf Augenhöhe mit dem tierischen Protagonisten bewegen. Allerdings ist die Welt nicht wirklich so heil, wie sie zunächst scheint. Denn Clémences Eltern wollen sich trennen. Und nach einem Urlaub in einem Ferienhaus in den Wäldern muss Clémence akzeptieren, dass ihre Familie sich verändern wird. Lou wird zu Clémences Halt – doch auch der Kater zeigt zunehmend einen gesteigerten Freiheitsdrang, was das Mädchen nicht akzeptieren will. Als die Mutter mit Clémence ein paar Wochen später wieder in das Ferienhaus fährt, um es zu verkaufen, läuft Lou einfach in den Wald. Und jede Suche erscheint zunächst vergebens.

Viele Tierfilme der vergangenen Jahre wie Mia und der weiße Löwe oder Der Wolf und der Löwe setzen in ihren Erzählungen nicht nur auf die „magischen“ Verbindungen zwischen Mensch und Tier, sondern erzählen mit didaktischem Auftrag auch von der Wichtigkeit, das Tier als freiheitsliebendes Wesen zu sehen und zu akzeptieren. Damit einher geht meist ein dramaturgisch geschickt eingebauter Reifeprozess der menschlichen Hauptfigur, die lernen muss, erwachsen zu werden – und loszulassen. Auch Lou – Abenteuer auf Samtpfoten entspricht dieser Tradition und lässt Clémence (von Capucine Sainson-Fabresse hinreißend natürlich gespielt) durch die Trennung von Lou auch die Trennung der Eltern verarbeiten. 

Gerade in der ersten Hälfte des Films liefert der Filme perfekte Schauwerte für Wohlfühl-Familienunterhaltung: Naturaufnahmen mit warmer Farbstimmung, einen akzentuierenden Score (der gerade noch die Gefahr des Mickey-Mousing umschifft), zahlreiche lustige Momente. In der zweiten Hälfte jedoch wird der Film düsterer und ernster, beginnend mit einem drohenden Angriff eines Wildschweins auf Clémence. Als das Wildschwein von der Eigenbrötlerin Madeleine, die als eine Art guter Geist im Wald lebt, erschossen wird, muss Clémence begreifen, dass jedes unverantwortliche und egoistische Verhalten Konsequenzen für andere Lebewesen hat. Auf der einen Seite ist das eine unbestreitbar wichtige Botschaft, die nicht früh genug vermittelt werden kann. Auf der anderen Seite aber verleihen genau diese Elemente dem Film eine Rauheit, die nicht so wirklich zu der ersten Hälfte des Films zu passen scheint. 

Was den Film handwerklich auszeichnet, sind die bereits erwähnte exzellente Kamera und die stimmungsvolle Sound-Ebene, die sich auf kleine sinnliche Details konzentrieren: Ohren und Augen der Katze, die Geräusche im Wald, der Tau auf den Gräsern, das Rauschen des Windes in den Bäumen. Dazu sind die Dialoge angenehm reduziert. Der Film vertraut auf seine Bilder, die genug vermitteln, auch ohne dass man es noch einmal aussprechen muss. 

Die Diskrepanz zwischen den gefälligen Momenten und der ernsten Botschaft, dass die Liebe zur Freiheit am Ende vielleicht doch über der Domestizierung zu stehen hat, macht Lou – Abenteuer auf Samtpfoten zu einem ambitionierten Familienfilm, dessen einzelne Teile sich nicht immer zu einem gefälligen Ganzen zusammenfügen wollen. Und der doch auf angenehme Weise mehr ist als süßliche Kino-Unterhaltung von der Stange.

Lou - Abenteuer auf Samtpfoten (2023)

Die 10-jährige Clémence findet auf dem Dachboden ihres Pariser Wohnhauses ein verwaistes Kätzchen. Kurzerhand nimmt sie das niedliche Fellknäuel bei sich auf und gibt ihm den Namen Lou. Die beiden werden beste Freunde und sind fortan unzertrennlich – und so darf Lou Clémence und deren Eltern sogar mit aufs Land begleiten, wo sie gemeinsam die Ferien verbringen wollen. Dort genießt der neugierige Stubentiger seine Streifzüge durch die umliegenden Wälder, wo er sich mit der kleinen weißen Katze Câline anfreundet und viele spannende Abenteuer erlebt, in denen er so manchen Gefahren trotzen muss. Doch als der Sommer sich dem Ende neigt, muss sich Lou entscheiden, ob er mit Clémence nach Paris zurückkehrt …

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Meinungen

Krannich,Silvana · 02.08.2023

Vielen vielen Dank für diesen atemberaubenden Film , der sehr sehr viel Mühe gekostet hat! Es ist ein herrlicher Naturfilm mit soviel Schönheit , Härte der Natur und dafür zu kämpfen und diese Natur zu erhalten! Merci merci!