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Deutschland, einig Fußballland? Von wegen. Jahrzehntelang sträubten sich die DFB-Bosse gegen Damenfußballclubs, einen eigenen Ligabetrieb sowie ein offizielles Nationalteam. Erst als 1981 die Spielerinnen der SSG Berggisch-Gladbach 09 zur inoffiziellen Frauenfußball-WM reisten, passierte das Wunder.

Das Wunder von Taipeh (2019)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Zeigt her eure Füße

Man soll den Fußball den Männern überlassen. Die Damen sollen an den Kochherd – und eventuell noch Leichtathletik machen“, heißt es ebenso antifeministisch wie unmissverständlich in einem der aufsehenerregenden Vox Pops-Archivschnipsel in „Das Wunder von Taipeh“. Zugegeben: Von einer ‚Wir sind Weltmeisterinnen‘-Atmosphäre, wie das bei den WM-Siegen der DFB-Damen 2003 und 2007 der Fall war, war die bundesrepublikanische Wirklichkeit in den bisweilen bleischweren Nachkriegsjahren lange Zeit meilenweit entfernt.

Damals konnten Ex-Bundestrainer wie Jupp Derwall (1927-2007) noch misogyne Stammtischparolen wie „Fußball ist nichts für Mädchen“ verkünden. Vor einem Millionenpublikum, wohlgemerkt, ohne dass jemand sofort an dessen Stuhl gerüttelt hätte. Und auch frühere Moderatorenlegenden der ARD-Sportschau wie Ernst Huberty („Es gibt hübschere Sportarten für Frauen“) oder des Kölner Treffs im WDR durften zu dieser seltsam fremd wirkenden (Fernseharchiv-)Zeit reihenweise widerliche Machosprüche von sich geben, ohne dass nur ein Zuschauer im Publikum aufgestanden wäre. Fragen nach dem korrekten Ballstoppen mit der Brust inklusive.

Von der Sepp-Herberger-Generation davor ganz zu schweigen. Denn der Wunder von Bern-Trainer war bis ins hohe Alter fest davon überzeugt, dass „der Kampfsport Fußball“ für Frauen absolut ungeeignet sei. Bis ins Jahr 1970 war der Frauenfußball in Westdeutschland sogar noch offiziell verboten, was heute kaum zu glauben ist und zugleich sehr viel über die chauvinistisch-patriarchalischen DFB-Strukturen nach 1945 aussagt. Dulden statt fördern lautete mehrere Jahrzehnte lang die inoffizielle Devise des selbstredend männlich dominierten Präsidiums, wo selbst 2020 nur eine einzige Frau sitzt.

Kein Zweifel: Allein schon das sagenhaft gute Archivmaterial, das der fußballaffine Medienwissenschaftler und Dokumentarfilmer John David Seidler (Heinz Flohe – Der mit dem Ball tanzte) für Das Wunder von Taipeh zusammengetragen hat, macht seinen ausgesprochen sympathischen wie gesellschaftspolitisch hoch relevanten Dokumentarfilm immer wieder höchst sehenswert.

In Seidlers ebenso erheiternder wie lehrreicher Fußballstunde stehen obendrein die redseligen Frauenfußballpionierinnen der SSG 09 Bergisch-Gladbach von Beginn an im Zentrum. Als neunmaliger Rekordmeister, dreifacher DFB-Pokal und zweimaliger Weltpokalsieger reisten die Kickerinnen um Spielertrainerin Anne Trabant-Haarbach als westdeutsche Vertreterinnen 1981 mangels offizieller Frauennationalmannschaft (!) nach Taipeh, wo zu dieser Zeit die inoffizielle Frauenfußball-WM ausgetragen wurde.

Und sie gewannen sensationell! In einem wahren Kraftakt mit 25 Toren in neun Spielen an elf Tagen und ohne Punktverlust. Trotz Wetterkapriolen und ausgesprochen exotischer Fernostküche, die nicht allen Spielerinnen wohl bekam, spielten die humorvollen Rheinländerinnen mit Doris Kresimon („Also ich hatte immer einen Ball, keine Puppe“) unter dem Gejohle tausender fanatischer Fans in den Stadien als Torbomberin nichts weniger als das Turnier ihres Lebens.

John David Seidlers reichlich konventionell erzähltes, aber en gros beglückendes Feel-Good-Movie aus der Underdogs-Perspektive hat diesen Frauen ein dokumentarisches Denkmal gesetzt, das gleichermaßen als wertvoller Beitrag zur jüngeren deutschen Emanzipations- und LGBTQ-Geschichte funktioniert. Das Wunder von Taipeh setzt dabei Anne Trabant-Haarbachs ebenso wahren wie puristischen O-Ton „Fußball ist mein Leben“ jederzeit aufrichtig in Szene.

Auch Kränkungen der Ex-Spielerinnen durch die DFB-Spitze werden erfreulicherweise keineswegs kaschiert. Schließlich hatten die Spielerinnen der SSG 09 Bergisch Gladbach im Vorfeld des Turniers in Fußgängerzonen selbst noch Waffeln verkauft, um zusammen mit regionalen Sponsoren die immensen Reisekosten innerhalb kürzester Zeit irgendwie aufbringen zu können. Denn der Altherrenverein namens DFB unterstütze sie damals mit keiner einzigen D-Mark: Schande.

Das Wunder von Taipeh (2019)

1981 lud Taiwan zu einer ersten Fußballweltmeisterschaft der Frauen ein – zu einer Zeit, als der DFB den Frauenfußball, der in Deutschland bis 1970 offiziell verboten war, mehr duldete als förderte. Da die Gründung einer Frauennationalmannschaft für den DFB bis dato nicht von Interesse war, ging die Einladung an die deutschen Rekordmeisterinnen der SSG 09 Bergisch Gladbach.

Die ehemaligen Spielerinnen, die zum Teil noch in einer illegalen Thekenmannschaft auf einem Aschenplatz in Köln-Dellbrück begannen, erzählen im Film von den heute absurd anmutenden Bedingungen, unter denen sie für ihren großen Traum vom Fußball kämpften, gegen alle Widerstände und mit einer gehörigen Portion Humor. 

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