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Mit Johanna Dohnal betrat eine Frau die politische Bühne Österreichs, wie sie das Land zuvor (und danach) nicht gesehen hatte — eine überzeugte Feministin, die bis zur Erschöpfung gegen alle Widerstände des politischen Establishments ankämpfte. Eine Spurensuche.

Die Dohnal (2019)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Porträt einer Unbeugsamen

Allein der Titel deutet es bereits an: Johanna Dohnal war eine Politikerin von so großer Bedeutung und Wirkung insbesondere für die Rechte der Frauen, dass eigentlich allein ihr Nachname genügt, um klar zu machen, um wen es sich hier handelt. „Die Dohnal“ — in Österreich weiß bis heute Jede_r, der die 2010 im Alter von 71 Jahren Verstorbene vor allem zu ihrer politisch aktiven Zeit erlebte, genau, wer damit gemeint ist. Zumal sie ab 1991 für vier Jahre als erste Frauenministerin Österreichs Geschichte geschrieben hatte. Allerdings währte ihr politisches Wirken viel länger.

Vierzig Jahre ist es her, dass der damalige österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky die junge SPÖ-Politikerin und Wiener Gemeinderatsabgeordnete Johanna Dohnal als Staatssekretärin für Frauenfragen in seine Regierung berief. 1979 kam die überzeugte Feministin in Amt und Würden, zuvor hatte sie unter anderem den Verein Soziale Hilfen für gefährdete Frauen und Kinder mitgegründet, der das erste Wiener Frauenhaus schuf.

Abgesehen von gelegentlichen Ausflügen in Dohnals Herkunft beschränkt sich der Film auf die politische Karriere, an deren Ende das nicht ganz freiwillige Ausscheiden aus der Regierung von Franz Vranitzky steht. Eine Kränkung, die Dohnal schwer zugesetzt hat und für die der ehemalige Bundeskanzler nur überaus dünne Worte findet. 

Beredter und aussagekräftiger sind da viele andere Stimmen, die Sabine Derflinger für ihren Film zusammengetragen hat: Etwa zwei frühere Mitarbeiterinnen aus dem 1990 eingeführten Frauenministerium, dessen erste Amtsinhaberin Johanna Dohnal war. Sie berichten von der mangelnden Ausstattung des Ministeriums, von der Flut von Anfragen, von denen sie förmlich überrollt wurden und ein wenig verschmitzt auch darüber, dass manche Post, die sich zeitlich erledigt hatte, auch mal unbearbeitet „aussortiert“ wurde. Neben Dohnals Tochter und ihrer Enkelin kommt auch ihre Lebensgefährtin Annemarie Aufreiter zu Wort, ebenso Alice Schwarzer und andere Wegbegleiter_innen, die ebenso Amüsantes wie Erhellendes über die Vorkämpferin für die Frauenrechte zu erzählen wissen.

Dank zahlreicher Tagebucheinträge und reichlich Archivmaterial vor allem aus den 1970er Jahren, das zum Schmunzeln anregt und zugleich in seiner Antiquiertheit der vorgetragenen Ansichten  schockiert (wobei, sähe es heute wirklich soviel anders und besser aus?) gelingt es Derflinger auf ebenso unterhaltsame wie treffende Weise, die Porträtierte überaus lebendig zu zeichnen. Und ja, auch mit Fehlern — warum denn auch nicht? Ihre Tochter Ingrid benennt einen dieser Fehler klar und deutlich, als sie von Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter wegen des Stickers „Atomkraft — Nein danke!!“ Und der damit verbundenen Botschaft erzählt und sich darüber freut, dass Johanna Dohnal später ihre Meinung korrigierte.

Selbst wenn sich vieles in diesem Film vor allem in jedem Detail jenen erschließt, die die Dohnal erlebt haben oder vertraut sind mit den Winkelzügen der österreichischen Politik der 1970er bis 1990er Jahre, transportiert sich das Charisma und die Wirkung dieser Frau allein durch ihr Auftreten und die sorgsam gewählten Archivaufnahmen. 

Das alles könnte zu einer eher nostalgisch-dokumentarischen Biografie werden, würde Sabine Derflinger nicht immer wieder Brücken in die Gegenwart schlagen. So berichten etwa in einer überaus erhellenden Gesprächsrunde jüngere Feministinnen, wie sehr sie durch Johanna Dohnal beeinflusst und geprägt wurden — und auch darüber, wie viel immer noch getan werden muss, um zu einer wirklichen Gleichberechtigung zu gelangen.

Vielleicht liegt gerade darin der Schmerz und das Wunderbare in diesem Film: An der selbst noch posthum deutlich spürbaren Präsenz dieser Frau, die die Leinwand durchbricht und sich auf das Publikum überträgt. Und dem gleichzeitigen Bewusstsein dafür, dass eine wie sie dringend fehlt. Nicht nur in Österreich, sondern in jedem Land und vieltausendfach. 

Dennoch ist Die Dohnal nicht nur ein Abgesang auf eine wunderbare Persönlichkeit, die nicht mehr lebt. Sondern zugleich auch ein Beweis dafür, dass die Saat, die sie und viele andere Feministinnen gesät haben, sich weitergetragen hat. Und dass selbst in Zeiten wie diesen, in denen vieles nach einem Backlash aussieht, die Ideen und Botschaften am Ende obsiegen werden. Ganz einfach deshalb, weil sie gut und richtig sind und eigentlich selbstverständlich sein müssten, dies aber noch lange nicht sind.

Die Dohnal (2019)

Die Geschichte und die Geschichten der Frauen wurden über Jahrhunderte unterdrückt, nicht erzählt, vergessen… Johanna Dohnal war die erste Feministin in einer europäischen Regierung. Der Film setzt der Ikone der österreichischen Politik ein Denkmal und schafft damit eine Identifikationsfigur für heutige und nachfolgende Generationen. Wir finden uns in ihr wieder, in ihren Kämpfen, ihren Siegen, ihrem Scheitern. Ein Film gegen das Vergessen und für eine gleichberechtigte Zukunft.

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Meinungen

Gisela Lässig · 19.02.2020

wird der Film auch in München gezeigt werden, weiß das eine von Euch?
LG G.L.

Kino-Zeit · 28.02.2020

Liebe Gisela!

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