Colombiana

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Von der Emanzipation des Killer-Gewerbes

Der Film beginnt mit einem falschen Versprechen. Da unterhält sich die junge Cataleya (Amandla Stenberg) mit Marco (Jordi Mollà), der gerade im Auftrag eines Drogenbosses ihre Eltern umgebracht hat. Das Schulmädchen sitzt mit regungsloser Miene vor ihm, mit einem Geheimnis und einer Art von Fahrkarte ins Ausland versehen, und antwortet auf seine Fragen, stets verneinend, stets kühl. Bis sie schließlich unter dem Tisch ein großes Messer hervorholt und es durch Marcos Hand bis in den Tisch rammt – bevor sie sich schnellstens vor den Häschern in Sicherheit bringt.
So direkt, unmittelbar und viszeral wird Olivier Megatons Actionstreifen Colombiana danach leider kein einziges Mal wieder; stattdessen hält er seine Protagonistin (die ältere Cataleya, verkörpert von Zoe Saldana) trotz reichlich fliegender Bleikugeln, Drohungen und Gefahren stets ein ganzes Stück von unmittelbarer Bedrohung fern, als sei ihr wunderschöner Körper, den er gerne und ausführlich ausstellt, zu schade, um ihm auch nur einen Kratzer zuzufügen. (Ähnlich beschützend ist Megaton schon in seinem letzten Film Transporter 3 mit seinem Protagonisten umgegangen.)

Das kann deshalb nicht gutgehen, weil dem Helden des Actionkinos immer das Leiden auch auf den Leib geschrieben sein muss, falls er zu mehr werden soll als einer reinen Cartoonfigur, mehr als ein cinematographisches Idealwesen ohne Verankerung in der Realität. Es kommt nicht von ungefähr, dass Bruce Willis‘ John McClane in Stirb langsam ein so menschlicher Actionheld ist: Der Mann schreitet ja schließlich durch ein Tal von Schmerz, Tränen und Blut.

Dass Cataleya nichts davon ist, hat auch etwas mit ihrem Geschlecht zu tun: Noch immer weiß das Kino nur wenig mit seinen Actionheldinnen anzufangen. Dass sie überirdisch schön und schlank sind, hat natürlich mehr mit der Traumfabrik und ihren Bilderansprüchen zu tun als mit der Realität, in der diese Filme aber eh nicht verankert sind; aber die Frauen als Polizistinnen, Agentinnen oder (wie hier) Auftragskillerinnen machen sich meist noch nicht so richtig schmutzig bei der Angelegenheit. Mit ihrer CIA-Agentin als Titelfigur von Salt hat Angelina Jolie vor kurzem eine der wenigen weiblichen Figuren gegeben, die genauso austeilte und einsteckte wie ihre männlichen Gegenüber; der Film scheitert dann allerdings an seiner ansonsten allzu generischen Doppelspionagestory.

Ein ähnliches Schicksal trifft auch Colombiana, nur dass sich hinter der allzu bekannten und leider psychologisch überhaupt nicht überzeugenden Geschichte von der Auftragskillerin, benannt nach einer Blume(!), die eigentlich nur Rache für den Mord an ihren Eltern will, eben weder eine interessante Inszenierung noch eine bemerkenswerte Figur verbirgt. Alles hat man schon einmal gesehen: die Verbindungen der gegenüber Verbrechen indifferenten CIA mit dem Drogenschieber, der gesetzestreue FBI-Mann und der Showdown im Hazienda-artigen Unterschlupf des Oberbösewichtes, bei dem Gebäude wie schließlich Übeltäter vollständig in Schutt und Asche gelegt werden. Colombiana ist in all diesen Einzelheiten wie eine Show mit bekannten Varietenummern.

Zusammen mit Robert Mark Kamen zeichnet Luc Besson (der auch als Produzent mitwirkte) für das Drehbuch verantwortlich, und natürlich lassen sich hier viele Elemente wiederfinden, die das Werk des Franzosen als Autor und Regisseur auszeichnen: Immerhin hat der Mann Léon – der Profi und Nikita inszeniert. Aus beiden setzt sich das Thema der Auftragsmörderin fort, aus Zwang oder Rache; eine Killerin, die es einfach wegen des Geldes macht, kann sich das Mainstreamkino offenbar noch nicht so recht als Hauptfigur vorstellen.

Das ist nicht trivial; denn zum einen schreibt der Film damit geschlechtliche Zuschreibungen fort, die er auf seiner Oberfläche als Spektakel auszuhebeln vorgibt, wenn er die Frau als Mordende präsentiert – zugleich kann er ihr Tun nämlich immer nur aus persönlicher Motivation heraus beschreiben, nie aus der Notwendigkeit des professionellen Geistes. Zum anderen müsste der Film, wollte er seine eigene Prämisse ernst nehmen, daraus auch ein psychologisches Drama, oder zumindest: eine konsequente Erzählung gewinnen. Das aber passiert natürlich nicht, im Gegenteil: Für Megaton ist alles Oberfläche, nicht zuletzt seine Hauptdarstellerin. Man sieht sie nicht etwa in der klassischen Trainingsmontage, beim Reinigen ihrer Waffen oder derlei Verrichtungen, nein: Wenn sie nach Hause kommt, entledigt sie sich ihrer Oberbekleidung und schwingt sich leichtest bekleidet vor der Kamera in ein kleines Tänzchen. Und natürlich gibt es auch eine kurze Duschszene.

Das ist gewiss schön anzusehen, daran besteht kein Zweifel; aber Saldana, die sich mit ihren Rollen in Star Trek, The Losers und natürlich Avatar nachdrücklich für eine Actionhauptrolle empfohlen hatte, hätte durchaus mehr zu bieten als ein hübsches Gesicht und einen schlanken Körper. Andererseits sind natürlich die meisten männlichen Actionstars in ihren Filmen auch wenig mehr als mit mehr oder weniger Muskelmasse gefüllte Leerstellen in einem generischen Plot. Vielleicht ist Colombiana also nur ein Zeichen und Beweis dafür, dass auch Frauen einen schrottigen Actionfilm tragen können. Wenn das bedeutete, dass wir Zoe Saldana bald wieder schießen, treten und schlagen sehen, dann lässt sich mit dieser Hoffnung auch ihre Rolle als Cataleya gut ertragen.

Colombiana

Der Film beginnt mit einem falschen Versprechen. Da unterhält sich die junge Cataleya (Amandla Stenberg) mit Marco (Jordi Mollà), der gerade im Auftrag eines Drogenbosses ihre Eltern umgebracht hat. Das Schulmädchen sitzt mit regungsloser Miene vor ihm, mit einem Geheimnis und einer Art von Fahrkarte ins Ausland versehen, und antwortet auf seine Fragen, stets verneinend, stets kühl.
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Meinungen

Lolle ;) · 22.09.2011

Ein Inhaltlicher Fehler: Megatron spielt nicht in Transporter3, Megatron ist in Transformas3 vertreten.