Log Line

Sextape will eine dieser lockeren französischen Komödien sein und nimmt dabei von Frauen bis Migration jedes Vorurteil mit. Es gibt nur einen Grund, diesen Film zu sehen.

À genoux les gars (2018)

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Klischees zum Niederknien

Wo soll man eigentlich anfangen, wenn man über einen Film wie Sextape schreiben will? Vielleicht bei der Handlung, denn schon hier zeigt sich, wie problematisch dieser Film ist: Rim (Inas Chanti) und Yasmina (Souad Arsane) sind Schwestern, ein Jahr auseinander, die Familie stammt aus dem Maghreb, sie wohnen in einer französischen Großstadt. Die ältere Rim hat einen Freund – den Schönling Majid (Mehdi Dahmane) – und knutscht gern mit ihm herum. Da die kleinere Schwester sich langsam auch für Jungs interessiert, verkuppelt Rim sie mit dem besten Freund des Schönlings, Salim (Sidi Mejai). Als Rim für eine Woche zum Schulausflug nach Auschwitz fährt, überreden Salim und Majid die jüngere Schwester, ihnen beiden in einer Garage einen zu blasen.

Doch halt: Überreden ist hier das falsche Wort, Gaslighting das richtige. Es gelangte in Anlehnung an das gleichnamige Theaterstück von Patrick Hamilton aus dem Jahr 1938 in den Sprachgebrauch, in dem ein Ehemann seiner Frau einreden wollte, sie sei irre, indem er immer wieder die Gaslichtbeleuchtung dimmte und ihr später erzählte, den Lichtwechsel habe sie sich nur eingebildet. Gaslighting bezeichnet seitdem das Bemühen, die Wahrnehmung der Realität zu manipulieren, indem die durch falsche Informationen in Frage gestellt wird. In Sextape erzählen die Jungs Yasmina, ihre Schwester hätte den beiden schon einmal die gleiche „Gefälligkeit“ erwiesen und nein, sie könne sie nun natürlich nicht anrufen, denn man habe ihr ja versprochen, es niemandem zu verraten, außerdem wolle Yasmina doch nicht, dass Majid aus Trauer, dass die Freundin mal eine Woche verreist ist, jetzt fremdgeht und überhaupt die arme Schwester, es sei ja auch ein Liebesdienst an ihr, wenn Yasmina jetzt dem Deprimierten Majid auch einen blasen würde, damit verhindere sie ja die sichere Trennung des Paares. Wer jetzt sagt, das Mädchen sei selbst schuld, auf eine solche Manipulation hereinzufallen, der- oder demjenigen seien an dieser Stelle kurz Glückwünsche ausgerichtet, denn er oder sie hat augenscheinlich noch nie solch perfide Psychotricks erlebt. Seien Sie versichert, das geschieht öfter, als man im guten Glauben an die Menschheit meinen möchte.

Mit der perfiden Manipulation für den Blowjob ist es aber in Sextape noch nicht getan: Salim hat natürlich den Blowjob an seinem Buddy gefilmt und erpresst seine „Freundin“ nun damit, das Video zu veröffentlichen, wenn sie ihm nicht regelmäßig zu Willen ist. Dem Druck hält Yasmina nicht lange stand und gesteht der Schwester nach deren Rückkehr alles. Es kommt zum Streit, Yasmina läuft weg und versucht, von einer Brücke zu springen, kann aber schwimmen und überlebt den Selbstmordversuch.

Das klingt flapsig? Muss es auch, denn ab dem Moment dreht der Film in einen seltsamen Slapstick-Ton ab, der sich in Klischees suhlt. Das Mädchen trifft nachts auf einen Drogendealer, natürlich schwarz, die Familie – autoritärer Vater, kopftuchtragende gottesfürchtige Mutter, die promiskuitive Tante als schwarzes Schaf des Clans im Minikleid – streitet darüber, wer eigentlich schuld an Yasminas Verschwinden ist. Der schwarze Drogendealer bietet ihr ein Hotelzimmer an, kommt dann nackt aus dem Bad und beim Anblick seines großen Schwanzes ändert Yasmina ihre Meinung zu Blowjobs doch noch einmal. Spontane sexuelle Erweckung eines 17 Jahre alten Mädchens beim Anblick eines richtigen Mannes also, wer kennt das nicht?

Das Schlimmste an Sextape ist aber, dass der 47 Jahre alte französische Regisseur Antoine Desrosières wohl vorhatte, so etwas wie eine Jugend-Komödie zu drehen. Um zu zeigen, dass das auch alles ganz locker gemeint ist, schiebt er immer mal wieder einen französischen Chanson-Klassiker dazwischen, der von der Ungerechtigkeit der Liebe gegenüber den Frauen handelt. Alles ganz ironisch also, und überhaupt nicht ernst. Man schaut ja nur mit Augenzwinkern auf die lustigen jungen Frauen mit Migrationshintergrund in den Banlieus. Alles nicht so ernst gemeint, versteht sich, denn Frankreich hat, weiß Gott, ja weder Probleme mit Frauendiskriminierung noch mit Migration.

Dass man nicht schon nach zwanzig Minuten, so lange braucht es in etwa bis zum Garagen-Gaslighting, oder während der Erpressung mit dem Video wütend den Saal verlässt, liegt allein an Sound Arsane. Mit großen klugen Augen beherrscht sie ihr Mienenspiel und schafft es sogar, den argen Klischeefallen des Drehbuchs Komik einzuhauchen. Sollte man dafür diesen Film sehen? Nur, wenn Sie eine Produzentin sind, die der jungen Frau eine gute Rolle anbieten will.

 

À genoux les gars (2018)

Was ist wirklich mit der jungen Muslimin Yasmina passiert, als sie mit ihren beiden Freunden Salim und Majid allein war, während ihre Schwester Rim nicht anwesend war? Ist vielleicht das Undenkbare passiert? Während Rim alles versucht, um das herauszufinden, bemüht sich Yasmina, ihr Geheimnis zu wahren. Doch da gibt es dummerweise dieses Video …

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen