Yes

Sie und Er

Sally Potter ist eine Meisterin des poetischen Films, mit kraftvoller Symbolik und Bildern, die wie Tableaus oder prächtige Gemälde wirken, malte sie Virginia Woolfs Orlando auf die Leinwand. Dann widmete sie sich lange vor dem aufkommenden Boom dem Tango (Tango Lesson) oder entführte in die traumhafte Welt der Oper. Nun aber, mit ihrem neuen Film Yes scheint sie nach den Erschütterungen, die der 11. September 2001 angerichtet hat, ganz im Hier und Jetzt angekommen zu sein. Und doch erweist sie sich in Yes wiederum als außerordentliche und sensible Filmkünstlerin, deren Werken die unwiderstehliche Aura der Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit anhaftet – eine Seltenheit und ein Glücksfall in diesen Tagen.
Auf einem Empfang treffen die beiden Protagonisten von Yes aufeinander: „Sie“ (Joan Allen) ist eine erfolgreiche und selbstbewusste Molekularbiologin, deren Ehe mit einem Politiker (Sam Neill) nur noch auf dem Papier existiert, in Wahrheit haben sich die Eheleute längst auseinander gelebt. „Er“ (Simon Abkarian) war in seiner Heimat, dem Libanon, ein erfolgreicher Arzt, doch seit seiner Flucht ins Londoner Exil verdingt er sich als Koch und Küchenhilfe und wird wegen seiner Herkunft und seinen Einstellungen geächtet und verspottet. Ein Paar, wie es unterschiedlicher kaum sein könnte, und doch funkt es sofort zwischen den beiden, vielleicht auch deshalb, weil sowohl „Sie“ als auch „Er“ zutiefst einsam sind. Sie beginnen eine leidenschaftliche Affäre miteinander und versuchen all das auszuklammern, was sie beide unterscheidet – Herkunft, kulturelle Prägung, soziale Stellung und all die anderen trennenden Faktoren. Auf Dauer aber lässt sich der Alltag und das allgemeine gesellschaftliche Klima kaum aussperren und schon bald erlebt das Paar eine heftige Krise, geprägt von Unverständnis und gegenseitigen Vorwürfen, in denen sich die Widersprüche einer nur scheinbar offenen und toleranten Gesellschaft spiegeln.

Diese handfeste und ganz im Hier und Jetzt verankerte Geschichte inszeniert Sally Potter auf spektakuläre Weise mit betörend schönen Bildern, für die Alexei Rodinov verantwortlich zeichnet, der bereits die Kamera in Orlando besorgte. Aber auch sprachlich bewegt sich Sally Potter in den Sphären höchster Kunstfertigkeit. Denn alle Figuren – auch die raubeinigen Küchenbediensteten – sprechen komplett gereimt und in perfektem Versmaß, was zuerst kaum auffällt, dann für einen kurzen Moment irritiert und schließlich dank großer Meisterschaft komplett in Vergessenheit gerät. Ungewöhnlich und zugleich höchst effizient ist auch die Figur der allgegenwärtigen und allwissenden Putzfrau (Shirley Henderson) des Ehepaares, die wie ein antiker Chor die Handlung kommentiert, Einblicke gewährt und nahezu philosophisch über Schmutz und Ordnung rezitiert, was durchaus als bissige Replik auf die schöne Welt der Reichen und Mächtigen gewertet werden muss.

Eine gesellschaftlich und politisch engagierte Liebesgeschichte, die es sich aus vielerlei Gründen anzusehen lohnt und mit Sicherheit ein frühes Filmkunst-Highlight des gerade erst angebrochenen Kinojahres 2006.

Yes

Sally Potter ist eine Meisterin des poetischen Films, mit kraftvoller Symbolik und Bildern, die wie Tableaus oder prächtige Gemälde wirken, malte sie Virginia Woolfs Orlando auf die Leinwand.
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Meinungen

julia · 10.10.2006

ein seltene perle der filmkunst.

stummly@aol.com · 05.03.2006

Finde den Film beeindruckend gut:ein Blick auf unsere Zeit durch ein Fernglas von Shakespeare ,...gibtes ein dt. Textbuch zu dem Film und falls ja, wie bekomme ich es??
MfG L.Stumm