Submarine

Eine Filmkritik von Lida Bach

Underwater Love

Oliver Tate (Craig Roberts) schreibt seltsame Notizen in sein Tagebuch. Oliver Tate hat noch seltsamere Gedanken. Oliver Tate hat eine missglückte Pilzkopffrisur. Oliver Tate trägt den ganzen Film hindurch den gleichen halb zugeknöpften Parka. Aber, verdammt, vielleicht sieht Oliver Tate, ob Pilzkopf oder Parka, gerade deshalb wie ein ungelenker junger Beatle aus. Und vielleicht heißt Richard Ayoades Kinodebüt deshalb Submarine (wenngleich auch ohne „Yellow“).

Oliver Tate ist der Protagonist mit dem höchsten Identifikationspotential auf der Berlinale. Ständig vergleicht der 15-Jährige sein Leben mit einem Film und gesteht einen Wunsch ein, den fast jeder Filmfan teilt: „Manchmal wünschte ich, mir würde eine Filmcrew folgen.“ Aber wenn die Dinge sich nicht bessern, fürchtet der Held der zärtlich-herben Brit-Comedy nach Joe Dunthornes gleichnamigem Roman, wird es nur für eine Biografie reichen. Als ironische Referenz an den Hauptcharakter ist Submarine im Romanstil in Kapitel und Showdown, komplett mit Epilog, unterteilt. Oliver Tate geht bei einem Kino-Date in Joan of Arc von Carl Theodor Dreyer, einem der Lieblingsfilme Ingmar Bergmans, dessen Werk die Berlinale-Retrospektive zeigt. Außerdem stellt Oliver Tate die skurrilen Alltagsfragen, die fast jeden mitunter quälen: Warum ist es üblich, dass man an seinem Geburtstag den Kollegen oder Mitschülern Kuchen mitbringt? Und wieso ist das Leben keine Vorabendserie, die abblendet, wenn es ganz schlimm um die Figuren steht?

Oliver Tate lebt in einer tristen Kleinstadt in Wales, wo es das gefühlte ganze Jahr über regnet und der örtliche Vergnügungspark ständig geschlossen hat. Die Waliser (so formulierte es eine Kritikerin auf der Pressevorführung) haben „so eine melodische Sprache, dass sie praktisch immer singen“. Submarine in der englischen Originalfassung anzusehen lohnt sich dennoch, da Synchronisationen so oft die Nuancen der Stimmmodulation, die sich in Formulierungen verbergenden Hintergedanken und das Unausgesprochene in kaum merklichem Stocken nicht wiedergeben können. Das unterdrückte Zusammenpressen der Lippen von Sally Hawkins, die eine wunderbar traurig-komische Vorstellung als Olivers zum Spießer-Dasein verdammte Mutter Jill gibt, das trübsinnige Schweigen des lethargischen Vaters Lloyd trotzen dafür jeder Fehlübersetzung.

Die Ehe von Jill und Lloyd kriselt nicht, die Liebe seiner Frau rinnt dem apathischen Lloyd vielmehr durch die Finger. Umso beflissener versucht Oliver seine Eltern wieder einander nahe zu bringen. Doch der merkwürdigen Meditations- und noch merkwürdigeren Liebespraktiken huldigende Nachbar Graham (Paddy Considine) droht Jill mit seinem Esoterik-Charme zu vernebeln. Zudem hat Oliver eigene Beziehungsprobleme mit seiner ersten Freundin Jordana (Jasmin Paige). Schlimmer als die Tatsache, dass die verkrampfte Mutter zum Zeichen ihres Segens den Daumen hebt ist nur, dass sie beide hebt und anschließend der Vater mit laut ausgesprochenem „knock, knock“ in Olivers Zimmertür steht. Das Mixtape, das Lloyd seinem Sohn schenkt, beginnt mit Liebesliedern und endet mit Trennungssongs: „Nur für den Fall.“ Der scheint eingetreten, als ein tragisches Familienereignis Jordana heimsucht und Oliver an ihrer Beziehung zweifelt.

In einer der zärtlich-humorvollen Szenen tragen die jungen Liebenden Plastiksonnenbrillen mit herzförmigen Gläsern. Durch eine solche betrachtet auch Regisseur und Drehbuchautor Richard Ayoade seine tragisch-trübe und trotzig-tröstliche Handlung: Pechschwarz vom bitterbösen Humor ist seine (Welt)Sicht, doch dafür immerhin umrahmt von Romantik: „I’m only happy when it rains, I´m only happy when it´s complicated…“
 

Submarine

Oliver Tate (Craig Roberts) schreibt seltsame Notizen in sein Tagebuch. Oliver Tate hat noch seltsamere Gedanken. Oliver Tate hat eine missglückte Pilzkopffrisur. Oliver Tate trägt den ganzen Film hindurch den gleichen halb zugeknöpften Parka.

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