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Ein dänisches Pärchen lernt im Urlaub eine niederländische Familie kennen. Wieder in ihrem Alltag zurück erhält es die Einladung, letztere bei ihr zu Hause zu besuchen. Die ausgelassene Stimmung aus den Ferien ist aber nicht wiederherzustellen.

Speak No Evil (2022)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Wie der Schein trügen kann

Wer kennt es nicht? Auf Reisen lernt man viele interessante Menschen kennen, egal wo, im Hotel, am Strand oder im Restaurant. Man wechselt ein paar Worte, tauscht sich aus, woher man kommt, wieso man da ist, was man alles erleben will oder erlebt hat. Manchmal ergeben sich auch längere Gespräche, man unternimmt vielleicht etwas gemeinsam und verbringt eine schöne Zeit. Da kann es auch vorkommen, dass man mehr oder weniger leichtfertig vereinbart, in Kontakt zu bleiben und sich wiederzusehen. Auch wenn man es durchaus ehrlich meint, es kommt nur selten wirklich dazu. In einigen Fällen ist dies vermutlich auch das Bessere.

Zumindest hätten es Bjørn (Morten Burian) und Louise (Sidsel Siem Koch) bei ihrer Urlaubsbekanntschaft belassen sollen. In Italien lernen sie die Niederländer Patrick (Fedja van Huêt) und Karin (Karina Smulders) kennen. Eine Verbindung stellt sich schnell her, da deren Sohn Abel (Marius Damslev) im gleichen Alter wie ihre Tochter Agnes (Liva Forsberg) ist. Der Umgang der Kinder untereinander ist eher distanziert, da Abel etwas seltsam wirkt mit seiner verstümmelten Zunge, durch die er nur Grunzlaute hervorbringen kann. Die Erwachsenen verstehen sich aber gut, insbesondere Patrick und Karin bemühen sich um eine harmonische Zeit. Es sind auch sie, die das dänische Paar später zu sich in die Niederlande einladen, um dort an die tollen Tage im Sommer anzuknüpfen. Während Louise zögert, ist Bjørn aber fest entschlossen.

Das ist nicht verwunderlich, da Patrick vor allem ihm immer sehr geschmeichelt hatte – und das ist genau das, was sein angeschlagenes Ego braucht. Er fühlt sich in seiner Beziehung nicht richtig wertgeschätzt, von Louise belehrt und ohne konkreten Grund allgemein unzufrieden, abgeschlagen. Das macht ihn umso empfänglicher für Patricks Art, die im ersten Moment echtes Interesse an ihm auszudrücken scheint. Doch er wird schnell enttäuscht werden. Nach der langen Autofahrt von Dänemark in die Niederlande, die die Familie aus ökologischen Gründen, um den Flug zu vermeiden, auf sich nimmt, werden sie von ihren Gastgebern, weil sie nicht zur angekündigten Zeit erscheinen, ziemlich barsch empfangen.

Von der ausgelassenen Stimmung im Urlaub ist nichts mehr übrig. Im Gegenteil sind Patrick und Karin plötzlich außerordentlich konfrontativ. Sie machen sich über die umweltbewussten Vorsätze von Louise lustig, nehmen ihren Wunsch, kein Fleisch zu essen nicht ernst und mischen sich in die Kindererziehung des Paares ein. Die Stimmung ist angespannt, um es vorsichtig auszudrücken. Von Anfang an überträgt sich diese Anspannung auch auf den Zuschauer. Dass dieses wachsende Unwohlsein des einen Paares so eindringlich spürbar ist, liegt an der präzisen Inszenierung. Dazu gehört unter anderem die Konzentration auf einen Schauplatz. Das abgelegene Häuschen erinnert an das Hexenhäuschen bei Hänsel und Gretel. Alles ist in dunklem Holz gehalten, es kommt überhaupt nur wenig Licht hinein, was ein klaustrophobisches Gefühl auslöst.

Das Gefühl des Bedrängenden wird auch durch das trockene Spiel der Darsteller unterstützt, wobei vor allem Fedja van Huêt, dessen Blick einem wirklich durch Mark und Bein geht, in Erinnerung bleibt. Bedauerlicherweise ist der Schauspieler bisher über die niederländische Szene hinaus kaum bekannt. Des Weiteren sorgt ein schneller Schnitt nicht nur für eine dynamische Struktur, wie sie im Thriller-Genre üblich ist, sie spiegelt auch das Gefühlschaos der Protagonisten wider. Das dänische Paar verfällt ihn eine Art Schockzustand. Die Spitzen gegen sie stoßen sie vor den Kopf und machen sie fassungslos, weswegen sie nicht reagieren (können). Im ersten Moment kann man das nachfühlen. Was soll man diesen Unhöflichkeiten gegenüber erwidern? Wer nicht zu den besonders schlagfertigen Menschen gehört, wird das Gefühl kennen, dass einem erst verzögert angemessene Entgegnungen einfallen. Doch je mehr sich die Situation zuspitzt, desto weniger Sympathie bringt man für Louise und Bjørn auf. Ihre Unterwürfigkeit und Passivität wird immer unglaubwürdiger.

Nach etwa der Hälfte verändert sich der Film. Die Pointiertheit des Drehbuchs, die unterschwellige bedrohliche Stimmung und die durchaus intelligent angelegte Gesellschaftssatire weichen einer fantastischen Wendung. Die niederländische Familie bricht endgültig mit dem äußeren Bild, das die anderen von ihr hatten. Ein Blick ins Gartenhäuschen eröffnet ihre sadistische Seite. Das niederländische Paar soll zu ihrem nächsten Opfer werden. Alles, was Bjørn, nebst seinen halbgaren Versuchen, sich zu wehren, hervorbringen kann, ist die scheue Frage: „Wieso macht ihr das?“ Worauf Patrick entgegnet: „Weil wir es können.“ Statt wirklich angsteinflössend zu wirken, hat diese Szene eher etwas unfreiwillig Komisches. Und das gilt leider für den gesamten letzten Teil von Speak no evil, den Regisseur Christian Tafdrup in erster Linie als Horrorfilm ansieht.

Während er sich viel Zeit für den ersten Teil lässt, spult er das Ende schnell ab. Die Motivation der Figuren fällt dabei zu flach aus. Die wenigen Schockmomente sind recht markant, doch meist wirken die Reaktionen voraussehbar. Es ist schade, dass Tafdrup nicht den Mut hatte, die Atmosphäre des ersten Teils, die Richtung eines psychologischen Spannungsfilms ging, bis zum Schluss zu erhalten.

Speak No Evil (2022)

Während eines Urlaubs in der Toskana freundet sich eine dänische Familie mit einer niederländischen Familie an. Monate später erhalten die Dänen eine Einladung zu einem Besuch in den Niederlanden und beschließen, über das Wochenende dorthin zu fahren. Es dauert jedoch nicht lange, bis die Wiedersehensfreude von zunehmend unangenehmen Missverständnissen abgelöst wird: die Dinge geraten allmählich außer Kontrolle, als sich herausstellt, dass die Niederländer etwas anderes sind, als sie vorgeben zu sein. Was ein idyllisches Wochenende werden sollte, beginnt sich aufzulösen und blankem Terror zu weichen.

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Meinungen

Lutz · 23.08.2023

Soweit zutreffende Kritik. Nur ein Fehler. Patricks Antwort auf die Frage ist nämlich: "Weil du mich lässt", was das Ganze noch viel Beklemmender macht. (Nachzulesen auch auf der Homepage vom Fantasy Film Fest.)