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In „Peter Doherty: Stranger in My Own Skin“ begleitet Katia deVidas den Indie-Rock-Künstler durch berufliche und private Höhen und Tiefen.

Peter Doherty: Stranger in my Own Skin (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

„Ich mache alles falsch!“

Wer einen Dokumentarfilm über den britischen Rockmusiker Peter „Pete“ Doherty dreht, könnte rasch in diverse Fallen tappen. So könnte ein solches Werk durch eine Aneinanderreihung medialer Bilder, die von Doherty zur Genüge existieren, das skandalträchtige Image des 1979 geborenen Künstlers lediglich reproduzieren. Oder es könnte durch eine (zu) enge Kollaboration mit dem Protagonisten zu einem beschönigenden und glorifizierenden Werbevideo im Kinoformat werden.

Die Tatsache, dass die Regisseurin Katia deVidas die heutige Ehefrau Dohertys ist, lässt insbesondere die letztgenannte Gefahr zu einem wahrscheinlichen Szenario werden. Doch Peter Doherty: Stranger in My Own Skin ist keineswegs eine unkritische Feier des titelgebenden Musikers, sondern eine erstaunlich rohe Auseinandersetzung mit einer Sucht, die nicht nur eine Karriere, sondern ein ganzes Leben zu zerstören droht.

Der Film ist, dem innigen Verhältnis zwischen der Filmenden und dem Gefilmten entsprechend, sehr intim, aber nicht voyeuristisch. Er ist nah dran, wirkt allerdings nicht ausbeuterisch. Er lässt Leerstellen (etwa die aufsehenerregende Beziehung zu Supermodel Kate Moss), geht indes in vielen Momenten in die Tiefe – und zeigt vor allem die Zweifel und Ängste eines Mannes, der schon in jungen Jahren viel erreicht hat.

Wie man über Erinnerungen reden könne, wird zu Beginn von Stranger in My Own Skin gefragt – schließlich seien diese so unzuverlässig. „Was ist tatsächlich passiert?“ Das Werk behauptet nicht, die unumstößliche, einzige Wahrheit erzählen zu können. Es widmet sich Dohertys Gedanken, die teilweise via Voice-over und teilweise in mitgefilmten Gesprächen mit deVidas zum Ausdruck gebracht werden.

Zuweilen baut die Regisseurin klassische Elemente eines dokumentarischen (Musiker-)Porträts ein. Mithilfe von alten Familienfotos wird die Kindheit und Jugend Dohertys skizziert. Seine Eltern waren beim Militär – und auch zu Hause habe militärische Strenge geherrscht. „Alles war verboten“, meint Doherty, der sich damals nach einer „Welt ohne Stacheldraht“ gesehnt habe. Wir sehen den schnellen Aufstieg (und Fall) mit den Bands The Libertines und Babyshambles; Konzertausschnitte und kurze Passagen aus Preisverleihungen vermitteln den künstlerischen Erfolg und Einfluss. Im Tourbus wird Columbo geschaut – und immer wieder werden harte Drogen konsumiert.

Auf der Bühne zu stehen, sei für ihn kein Problem, sagt Doherty an einer Stelle, denn er genieße das Chaos und die Ekstase. An einem „normalen“ Tag das Haus zu verlassen, um zum Geldautomaten zu gehen, sei hingegen mit großer Angst verbunden. Heroin sei für ihn zu einem „Zauberschlüssel zu einer anderen Dimension“ geworden. Etliche Entzugsversuche scheitern. „Ich mache alles falsch“, klagt er in einem der Dialoge mit deVidas. Gegen Ende sind wir dabei, wie er einen geplanten Flug nach Thailand zu einer Entzugsklinik immer wieder verschiebt – bis er den Schritt nach mehreren Anläufen dann doch wagt. Den zehnmonatigen Aufenthalt dort dokumentiert er in Form eines Videotagebuchs.

Der Schlussakt des Films ist sanft optimistisch, aber nicht verklärt. Abhängigkeit und Zerfall hinterlassen Spuren – das lässt uns Stranger in My Own Skin deutlich spüren. Das Werk nährt nicht den Mythos, Drogen und Skandale würden eben zu einem echten Rockstarleben dazugehören. Sein Talent habe er trotz seiner Sucht, nicht durch die Sucht, resümiert Doherty.

Peter Doherty: Stranger in my Own Skin (2023)

Der Film folgt dem Aufstieg und Fall des legendären Singer-Songwriters und Frontmann der Band The Libertines Peter Doherty, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere durch seine Drogensucht jäh abzustürzen drohte. Die Filmemacherin Katia deVidas hat Doherty zehn Jahre lang mit der Kamera begleitet und zeigt den Weg in die Hölle und wieder zurück ans Licht.

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