Girls' Night Out

Eine Filmkritik von Olga Galicka

Auch Frauen können töten, auch Tampons können glitzern

Lass es glitzern, lass es schillern. Frauen feiern und trinken auf der Leinwand schon länger genauso, wie es sich vorher nur Männer erlauben konnten. Bloß mit mehr Pink, Tamponwitzen und mehr Blut. Doch selbst das Blut ist letztlich kaum ein neues Element. Die neue postklassische Hollywood-Ära wurde mit dem Erfolg von kassensprengenden Filmen wie Jaws, Star Wars oder Saturday Night Fever eingeläutet. Das Geheimnis hinter dem Erfolg der Filme sahen die Hollywoodproduzenten in ihrem so genannten High Concept. Die Story von High-Concept-Filmen lässt sich in weniger als 25 Worten formulieren und sie haben eine schillernde Starbesetzung. Im Vordergrund steht eine Schablone als Idee, die man im Zweifelsfall immer wieder anwenden kann. Schnelle Vermarktung und Publikumsinteresse seien damit garantiert. Als das Konzept in den 1990er Jahren langsam begann, Staub zu fangen, ging es deswegen in eine neue Phase über. Statt 25 Worten reicht mitunter auch einfach die Anwendung der Schablone – Robinson Crusoe nur mit Dinosauriern.
Der Begriff geriet in Vergessenheit, von Filmstudenten in Einführungskursen als Stück Zeitgeschichte betrachtet. Doch das Konzept ist natürlich noch da. Gerade Junggesellenabschiedsfilme leben davon. Eine Schablone, die man mit vermeintlichen Differenzierungsmerkmalen beliebig anreichern kann. Denn selbstverständlich wurde das Rad mit dem Franchise Hangover nicht neu erfunden. Die Schablone existierte bereits in den 1970er Jahren. Betrachtet man nun also Lucia Aniellos Girls’ Night Out als das weibliche Pendant zu Jon Lucas’ und Scott Moores Hangover, wie die Produzenten den Film aktiv vermarkteten, liegt die Annahme nahe, dass wenn man Hangover kennt, man wahrscheinlich auch schon Girls’ Night Out gesehen hat. Nun spricht man hier vom Unterhaltungskino, das nun einmal von diesen Schablonen lebt. Man könnte deswegen über den Film unkritisch als Stück leichtes Unterhaltungskinos hinwegsehen, das ja, so scheint die mehrheitliche Meinung der Kritiker, ohnehin längst verloren ist. Aber man sollte sich dennoch aus zwei Perspektiven mit so einem Film beschäftigen. Zum einen wurde der Film als feministisches Manifest vermarktet und zum anderen sollte kein Genre ohne Beachtung bleiben. Denn auch Unterhaltungskino kann nicht nur qualitative Unterschiede aufweisen, sondern auch gesellschaftliche Tendenzen neu definieren und evozieren.

Die Marketingkampagne von Lucia Aniellos Girls’ Night Out hatte einen gewissen Vintagetouch bekommen, als er im Sinne eines High-Concept-Films als Hangover mit Frauen vermarktet wurde. Man hätte unter Umständen eine gewisse Ironie daraus lesen können. Mit einem Augenzwinkern hätte das Produktionsteam darauf verweisen können, dass man über das männliche Pendant ebenso wie über die doch recht veraltet wirkende Vermarktungsstrategie mit einem leichten Achselzucken hinweglachen könnte. Im Sinne von: Ja, das ist ein Format, das schon immer von Männern bespielt wurde, und nun sind wir dran, nutzen gar die dazugehörende männliche Vermarktung, um dann zu zeigen, dass Frauen das ganze Genre nicht nur ebenso bedienen, sondern es auch einnehmen und etwas eigenes daraus machen können. Das wäre gewissermaßen ein Schachmattzug gegen die immer noch an weiblicher Unterrepräsentation leidende Filmindustrie und möglicherweise eine Tür zu einem neuen Unterhaltungsformat gewesen. Man hätte nach den alten Regeln gespielt und am Ende das Spiel neu erfunden. All das hätte in Girls‘ Night Out stecken können. Doch steckt es leider nicht.

In Aniellos Film spielt Scarlett Johansson die junge Politikerin Jess, die kurz vor den Senatswahlen vor dem Ruin ihrer Kampagne steht. Ihr Konkurrent, ein auf Twitter Penisbilder postendes Anthony-Weiner-Pendant, überbietet sie in allen Umfragen, obwohl sie ihn in puncto Kompetenz und Ethos deutlich überbietet. Das ist tatsächlich ein Sujet wie aus dem Leben gegriffen. Dass eine anscheinend kompetente Politikerin sich heute metaphorisch immer noch nicht gegen Persönlichkeiten, sondern gegen Penisse behaupten muss, ist mehr als eine gute Ausgangslage. Doch was mit einem guten Einstieg beginnt, endet bald in einem Humordesaster aus Penis- und Tamponwitzen und einem versehentlichen Mord, der nicht einmal im Trailer überraschend wirkt. Besonders großen Wert legt dabei das Drehbuch auf die klare Mann-Frau-Gegenüberstellung, die zeigen soll, dass Frauen noch dreckiger als Männer sein können und Männer wesentlich spießiger und weicher. Was als Einzelepisode hätte gut funktionieren können, funktioniert als durchgekauter Kalauer am Ende des Films nicht mehr. Der Zwischenschnitt zu einer Weinprobe von Jess‘ Verlobten und seinen Freunden, die aus einem Chianti nicht nur Schokolade, Kaffee, sondern auch Nostalgie herauszuschmecken meinen, hätte eine schillernde Szene sein können, hätte man nicht versucht, auf dieser Basis immer wieder einen weiteren Witz zu generieren. Es ist nun einmal ebenso veraltet und geschmacklos, wenn Männer für einen Lacher des weiblichen Publikums immer wieder aufs Neue als Waschlappen und gefühlsduselig dargestellt werden müssen. Es stellt sich automatisch die Frage, worin bei diesen Witzen der Unterschied zu billigen Frauenwitzen in Männerkomödien eigentlich liegt.

Ganz zu schweigen von den Andeutungen, dass der beste Freund des Bräutigams offensichtlich schwul ist. Dieser Sachverhalt veranlasst Aniello und Paul W. Downs, der nicht nur den Bräutigam spielt, sondern auch am Drehbuch mitschrieb, sich immer wieder über die zarte Manier des Mannes lustig zu machen. Keiner dieser Witze vermag zu zünden. Ebenso wie viele andere Episoden im mit 110 Minuten deutlich zu lang angesetzten Film. Die Witze wiederholen sich in leichten Abwandlungen in einer qualvollen Endlosschleife, ohne neue Impulse hineinzubringen.

Zu einem Trauerspiel wird das Geschehen auf der Leinwand, wenn man erkennt, dass die starke Besetzung mit Johansson, Zoë Kravitz, Kate McKinnon, Jillian Bell und Ilana Glazer mit dem Drehbuch absolut unterfordert ist. Die Charaktere bleiben flach, man kann sie kaum Typen nennen. Einzig Kate McKinnon, die regelmäßig in Saturday Night Live mit ihren Darstellungen von Kellyanne Conway, Hillary Clinton und Angela Merkel beeindruckende Performances liefert, vermag auch in ihrer Interpretation einer überdrehten Australierin alles und jeden in den Hintergrund zu stellen. Aniello verspielt gleichermaßen Talent wie Leinwandzeit. Bekannt für ihre Arbeit an der erfolgreichen Serie Boardwalk Empire, in der sich immer wieder ein koketter und leichter Witz manifestiert, hätte Aniello eventuell die richtige Kandidatin für eine Weiterentwicklung der geschilderten Schablone sein können. Und doch kam es leider anders – eben so, wie es von vorneherein viel wahrscheinlicher gewesen ist. Girls’ Night Out ist letztlich ein Film, der sich von seinem männlichen Pendant bloß durch das Geschlecht der Hauptbesetzung unterscheidet.

Girls' Night Out

Lass es glitzern, lass es schillern. Frauen feiern und trinken auf der Leinwand schon länger genauso, wie es sich vorher nur Männer erlauben konnten. Bloß mit mehr Pink, Tamponwitzen und mehr Blut. Doch selbst das Blut ist letztlich kaum ein neues Element. Die neue postklassische Hollywood-Ära wurde mit dem Erfolg von kassensprengenden Filmen wie „Jaws“, „Star Wars“ oder „Saturday Night Fever“ eingeläutet.
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