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In „Ex-Husbands“ schickt Noah Pritzker seinen Protagonisten und dessen Söhne auf eine Urlaubsreise, in der es erfreulicherweise nicht zum üblichen Klamauk kommt.

Ex-Husbands (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Drei Männer unterwegs

Zugegeben: Ein Mangel an Filmen über (weiße) Männer besteht nun wirklich nicht. Ziehen wir hingegen alle Werke ab, in denen gekloppt, geballert, gerast und gerannt wird und/oder in denen permanent schlechte Witze gerissen werden, sieht die Sache bereits ganz anders aus.

Ex-Husbands von Noah Pritzker schildert eine Geschichte, deren einzelne Elemente auf eine Krawall-Comedy im Stil von Todd Phillips’ Hangover (2009) hindeuten könnten – ein Junggesellenabschied, eine Reise nach Mexiko, reichlich Alkohol und Drogen. Aber Überraschung: Es gibt keine billigen Gags, nicht eine einzige alberne Schlägerei und weder Sexismus noch Homophobie. Die Tatsache, dass dies hier erwähnt werden muss, zeugt wohl davon, dass gute Filme über Männer, die keine realen Persönlichkeiten, keine Superhelden oder Verbrecher, sondern „gewöhnliche“ Menschen sind, durchaus als Raritäten bezeichnet werden können.

Peter Pearce (Griffin Dunne), der Protagonist in Pritzkers Tragikomödie, ist Zahnarzt in New York City. Zu Beginn bekommt er von seinem alten Vater Simon (Richard Benjamin) mitgeteilt, dass dieser sich von Peters Mutter scheiden lassen will. Sechs Jahre später ist Simon im Altenheim, seine ehemalige Gattin ist tot – und auch Peter ist zu einem der titelgebenden Ex-Ehemänner geworden; die Trennung von seiner (Noch-)Ehefrau Maria (Rosanna Arquette) ist in vollem Gange. Peter würde mit Maria ja lieber noch einmal über alles reden und ohnehin gern wieder viel mehr Zeit mir ihr verbringen, doch Maria erklärt ihm: „We can’t break up together.“

Dies ist eine der zahlreichen schönen Dialogzeilen, mit denen Pritzker, wie schon in seinem ersten Langfilm Quitters (2015), sein Talent für pointierten Wortwitz zeigt. Die Gags korrespondieren derweil immer mit der feinen Figurenzeichnung, statt lediglich einen Selbstzweck zu erfüllen. Nicht alles, was in diesem Werk passiert, treibt den Plot voran – aber alles erzählt uns etwas über Peter und dessen Umfeld.

Etwa über Peters erwachsene Söhne Nick (James Norton) und Mickey (Miles Heizer). Der 35-jährige Nick arbeitet als Kellner und leidet an einer sogenannten „Double Depression“. Er steht kurz vor der Hochzeit mit Thea (Rachel Zeiger-Haag); so richtig glücklich wirkt das junge Paar allerdings nicht. Mickey wiederum hatte erst kürzlich sein Coming-out und hat bisher ziemlich mäßige Dating-Erfahrungen gemacht, doch im Job läuft es ordentlich.

Dass Peter am selben Wochenende in Tulum an der Urlaubsregion Riviera Maya landet wie Nick und Peter, die dort mit ein paar Kumpels die Bachelor-Party von Nick veranstalten, ist eher ein Zufall. Aber da er nun schon mal vor Ort ist, wird Peter in manche Aktivitäten eingebunden – zum Beispiel in ein Abendessen, bei dem (erneut recht verblüffend) nichts Peinliches passiert, sondern sehr emotionale Worte ausgesprochen werden. Ex-Husbands kombiniert die Plot-Bausteine etlicher Buddy- und Familienkomödien mit einer unaufgeregten Indie-Sensibilität, die an die Regiearbeiten von Albert Brooks, insbesondere an Modern Romance (1980), erinnert.

In zwei äußerst atmosphärischen Sequenzen läuft Peter an Partygesellschaften vorbei. Er ist kein Teil der Feiernden; er schnappt nur ein bisschen von deren Laune auf. Es kommt zu Begegnungen mit Fremden, aus denen vielleicht Freundschaften (oder mehr?) entstehen. Ein spontaner Ausflug wird unternommen. Vater-Sohn-Gespräche und intime Momente unter Brüdern finden statt. Mickey gerät in einen Flirt, der ihn durcheinanderbringt. Eine Mülltüte reißt, ein gerade erst mühsam aufgehängtes Bild fällt krachend von der Wand – und dann geschieht wieder etwas Existenzielles.

Griffin Dunne verkörpert die Hauptrolle sehr empathisch und mit vielen Nuancen. Das Nebeneinander von winzigen Entwicklungen, Mini-Katastrophen und tiefgreifenden Ereignissen gelingt dem Skript und der Umsetzung überaus stimmig. Ex-Husbands revolutioniert kein Genre, entwirft keine neue audiovisuelle Sprache – und doch darf es gern noch mehr Filme wie diesen geben.

Gesehen beim Internationalen Filmfestival von San Sebastián.

Ex-Husbands (2023)

Peters Eltern lassen sich nach 65 Jahren scheiden, seine Frau hat ihn nach 35 Jahren verlassen und die beiden Söhne Nick und Mickey führen längst ihr eigenes Leben. Als Peter nach Tulum fliegt, um Nicks Junggesellenabschied zu crashen, der von Mickey ausgerichtet wird, muss er erkenne, dass er nicht der einzige ist, der sich gerade in einer Krise befindet.

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