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John sucht für seinen 4jährigen Sohn eine neue Familie, obwohl er der liebevollste Vater ist, den man sich denken kann. Bald erfährt man, dass er sterben wird. Nach „Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit“ erzählt Regisseur Uberto Pasolini erneut eine sensible Geschichte über den Tod und das Übernehmen von Verantwortung.

Nowhere Special (2020)

Eine Filmkritik von Melanie Hoffmann

Für jemand ganz besonderen

Vater werden ist nicht schwer. Doch die Verantwortung, dass der Sohn im Leben die richtigen Entscheidungen trifft, wiegt schwer auf den Schultern von so manchem Vater. Und die richtigen Weichen zu stellen, ja, das bereitet Kopfzerbrechen.

John (James Norton) hat bestimmt nicht alles in seinem Leben richtig gemacht, dessen ist er sich schmerzlich bewusst. Aber seit er einen Sohn Michael (Daniel Lamont) bekommen hat und Verantwortung übernehmen muss, übernimmt er sie zur Gänze. Er verdient sein knappes Auskommen als selbstständiger Fensterputzer, bemüht sich aber redlich, seinem Sohn der beste Vater zu sein.

Die Mutter von Michael hat ihn und mit ihm den Kindsvater bereits kurz nach der Geburt verlassen. Seitdem ist John Michaels einzige Bezugsperson. Doch nun sucht er eine andere, eine perfekte Familie für den 4jährigen. Obwohl er ein sehr inniges und liebevolles Verhältnis zu Michael hat, will er ihn abgeben? Nach der Mutter will auch der Vater nun den Sohn verlassen?

Bald erfährt der Zuschauer, dass John unheilbar erkrankt ist. Mit diesem Schicksal will er seinen Sohn noch gar nicht belasten. Eine schöne Kindheit soll er haben. Und so sehen sich John, Michael und Sozialarbeiterin Shona (Eileen O’Higgins) ein Dutzend neuer möglicher Familien für den Jungen an. Bei jeder hat John andere Bedenken und mit jeder neuen Familie wird der Druck größer, die perfekte Wahl zu treffen. Doch was ist die beste Lösung für Michael?

Uberto Pasolini hat seine leise Erzählweise von Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit beibehalten und das gelingt bei diesem sehr mitfühlenden Film ganz wunderbar. Damals ging es um einen Beamten, der die Beerdigung von einsam Verstorbenen organisierte, wenn sich keine Hinterbliebenen fanden. Nun, in Nowhere Special, geht es erneut um den Umgang mit dem Sterben, doch hier sind die Vorbedingungen ganz andere. Der zukünftige Hinterbliebene steht direkt im Vordergrund. Der Sterbende organisiert sein Erbe selbst, will alles bis ins Detail regeln. Ein kleiner Junge, die Unschuld selbst, soll seinen Vater, sein Vorbild, seine einzige Bezugsperson verlieren. Der Regisseur spielt ganz bewusst mit den Gefühlen seines Publikums. Und natürlich zerreißt die Geschichte einem das Herz.

Doch Uberto Pasolini filmt mit geradliniger Nüchternheit, lässt wenig großes Orchester aufflammen und so bleibt der Kitsch in weiter Ferne. Die Gefühle, die wir bei diesem Film erleben, sind schlicht unsere eigenen und nicht von Musik vorgegebene. Die Bindung der beiden liest man in vielen kleinen Gesten und Blicken ab. Michael versucht oft, seinen Vater nachzuahmen, nimmt ähnliche Haltungen ein, wäscht sein Spielzeugauto, während Papa das große wäscht und grübelt, während Papa grübelt. Fast magisch scheint die Verbindung der beiden und ganz klar verurteilt jeder Zuschauer das böse Schicksal, das es nicht gut meint.

Vielleicht ist es Pasolinis italienische Herkunft, die mitunter an den Neorealismus denken lassen. Soziale Missstände werden gezeigt, ohne dass sie thematisiert werden. Und doch schwingen diese Gedanken mit, warum John so schlecht gestellt ist. Welches Schicksal hat ihn an den Rand der Gesellschaft getrieben? War er vielleicht sogar mal im Gefängnis? Die tätowierten Schwalben auf seinem Hals sprächen dafür, im Gefängnis stehen sie für die Freiheit und für Hoffnung.

Trotz allem verlässt man das Kino nach diesem sehr mitnehmenden Drama mit einer guten Prise Hoffnung. Immerhin errichtet John für seinen Sohn eine Zukunft. Dieser soll es einmal besser haben, als er selbst. Eine so wunderschöne wie schmerzhafte Parabel über das Leben und den Tod, Verantwortung und Liebe.

Nowhere Special (2020)

Der 35 Jahre alte Fensterputzer John lebt ganz für seinen Sohn, nachdem dessen Mutter die beiden kurz nach der Geburt des Kindes verließ. Als John erfährt, dass er nur noch wenige Monate zu leben hat, setzt er alles daran, für sein dreijähriges Kind eine neue Familie zu finden und zugleich dafür zu sorgen, dass sein Sohn nicht mitbekommt, wie dramatisch die Lage ist.

 

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