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Mit dem Kammerspiel „The Caine Mutiny Court-Martial“ legt die Regie-Legende William Friedkin ihren finalen Film vor.

Die Caine-Meuterei vor Gericht (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

War die Caine ihr Schicksal?

William Friedkin (1935-2023) galt als „Hollywoods Enfant terrible“. So jedenfalls lautete der deutsche Untertitel eines dokumentarischen Porträts aus dem Jahre 2018. Fraglos hat der in Chicago, Illinois geborene Regisseur, dessen Eltern aus der Ukraine stammten, eine äußerst facettenreiche Karriere voller Höhen und Tiefen erlebt.

Ehe ihm 1971 mit dem Polizeifilm Brennpunkt Brooklyn aka The French Connection der endgültige Durchbruch auf der Leinwand gelang und er zwei Jahre später mit dem Horror-Hit Der Exorzist das Genre revolutionierte, hatte Friedkin sich in der frühen Fernseh-Arbeit The People vs. Paul Crump (1962) mit einem Gerichtsverfahren befasst. Sein Werk führte dazu, dass es zur Aufhebung der Todesstrafe des Schwarzen Paul Crump kam, der im Zuge eines fehlgeschlagenen Raubs verhaftet worden war. 1997 kehrte Friedkin ein weiteres Mal in das (nun fiktive) Setting eines Strafverfahrens zurück, um das TV-Drama Die 12 Geschworenen auf Basis des Fernsehspiels von Reginald Rose in Szene zu setzen.

Wie es ihm schon darin bravourös gelang, in nur einem zentralen Schauplatz, mit minimalen audiovisuellen Mitteln und vor allem mit intensiven Leistungen des Ensembles Spannung zu erzeugen, schafft Friedkin dies auch in seinem letzten Film, den er kurz vor seinem Tod noch beenden konnte. The Caine Mutiny Court-Martial ist ebenfalls vor Gericht angesiedelt. Der Stoff beruht auf dem preisgekrönten Roman Die Caine war ihr Schicksal von Herman Wouk aus dem Jahre 1952, der kurz nach Erscheinen bereits von Edward Dmytryk mit Humphrey Bogart in der Hauptrolle fürs Kino adaptiert wurde.

Erzählt wird von der Anklage gegen den jungen Soldaten Stephen Maryk (Jake Lacy) wegen Meuterei im Dezember 2022 auf dem titelgebenden Schiff vor einem Militärgericht in San Francisco. Gab es eine Berechtigung, sich den Befehlen des kommandierenden Lieutenants Phillip Queeg (Kiefer Sutherland), der seit mehr als zwei Dekaden im Dienst der United States Navy steht, zu widersetzen und in einer kritischen Lage auf eigene Faust zu handeln? Ist Queeg eventuell psychisch krank? Hat er einen Minderwertigkeitskomplex, eine sogenannte „paranoide Persönlichkeitsstörung“? Oder hat sich Maryk, der auf „unschuldig“ plädiert, letztlich doch widerrechtlich verhalten?

Maryks Verteidiger Barney Greenwald (Jason Clarke) stellt unmissverständlich klar, dass er den Job nur unwillig angenommen hat. Dennoch widmet er sich dem Fall mit Hingabe, um seinen Kameraden gegen die Anklägerin Katherine Challee (Monica Raymund) vor dem vorsitzenden Richter Luther Blakely (Lance Reddick) zu verteidigen. Und so werden Plädoyers gehalten und diverse Zeug:innen und Expert:innen vernommen.

In seinen schwächeren Momenten lässt The Caine Mutiny Court-Martial an konventionelle US-Network-Television-Shows wie JAG – Im Auftrag der Ehre oder Navy CIS denken. Im Verlauf des Plots profitiert das Werk aber deutlich von Friedkins Fähigkeiten einer dichten Inszenierung und einer souveränen Schauspielführung. Die Personen, die vor Gericht aussagen, werden in ihren Auftritten sehr präzise charakterisiert, vom nervösen Junius Urban (Gabe Kessler), der absolut nichts falsch machen will, über den spürbar aggressiven Willis Keith (Tom Riley), der ganz offen zeigt, dass er einen Groll gegen den angeblich tyrannischen Kommandierenden Queeg hegt, bis hin zur bemüht-korrekten Medizinerin Joan Lundeen (Elizabeth Anweis).

Neben Monica Raymund, die als Anklagende viel Energie demonstriert, überzeugt insbesondere Kiefer Sutherland, dessen Figur bei Weitem die komplexeste ist. Wenn Sutherland im letzten Drittel bei einem zweiten Verhör Queegs zur schauspielerischen Hochform aufläuft, wird noch einmal ersichtlich, was Friedkin seinem Team und uns geben konnte, um einnehmende Unterhaltung zu schaffen.

Gesehen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig.

Die Caine-Meuterei vor Gericht (2023)

Der letzte Film des gerade verstorbene William Friedkin folgt einem Marine-Offizier, der wegen Meuterei vor Gericht steht, nachdem er das Kommando von einem psychisch instabilen Kapitän übernommen hatte, dessen erratisches Verhalten das Schiff und die Mannschaft in große Gefahr brachte.

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