Der Duellist

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

In Russland schlug Alexey Mizgirevs Der Duellist ein wie eine Bombe und wurde dort zu einem der wichtigsten Filme des Jahres 2016. Verständlich, vereint das Werk doch das Beste aus der Blockbuster-Welt und dem Autorenkino in einer Melange, die durchaus attraktiv ist. Vor allem wenn man sich an Schauwerten ergötzen mag. Und doch schnell merkt man, da stimmt etwas nicht mit dem Duellisten und seinem Film.
St. Petersburg im Jahr 1860. Es muss ein sehr nasses Jahr gewesen sein; wenn die Figuren nicht gerade in einem der riesigen Paläste sind, waten sie stetig knietief durch Wasser und Pfützen. Einer von ihnen ist der ehemalige Offizier Yakovlev (Pyotr Fyodorov), der erst vor Kurzem in die Stadt kam, aber schon jetzt einen Ruf weghat. Er ist Der Duellist. Und er ist richtig gut. Yakolvev ist einer, den holt man sich als Adliger, wenn man mit einem andern Adligen ein Hühnchen zu rupfen hat. Denn in Fragen der Ehre gibt es nur einen Weg: das klassische Duell. Jeder hat einen Schuss und wer am Ende noch steht, gewinnt. Das Argument und sein Leben. Und wer verhindert ist – da dürfen die Gründe auch gern sehr fadenscheinig werden –, der schickt einen Ersatz: Yakolvev. So schießt sich der stille Mann einmal quer durch St. Petersburg. Warum er das tut, wird alsbald klar. Er hat eine ganz eigene Agenda und für diese braucht er 100.000 Rubel. Diese Agenda hat mit seinem Geheimnis zu tun und mit dem Grafen Beklemishev (Vladimir Mashkov), einem skrupellosen Aristokraten, der zwei Vorlieben hat: Geld ausgeben und die junge Prinzessin Marfa Tuchkova (Yuliya Khlynina) umgarnen. Denn mit ihr könnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Sie ist nicht nur blutjung und schön, sie hat auch noch sehr viel Geld und ist mit ihrem Bruder die Alleinerbin des riesigen Tuchkova-Vermögens. Wie günstig, wenn man selbst kurz vor der Pleite steht. Doch Yakolev hat mit Beklemishev noch nicht alle Rechnungen beglichen. Denn Beklemishev ist der Schlüssel zu der eigentlichen Identität Yakovlevs und dessen dunklem Geheimnis.

Nicht nur die Protagonisten des Filmes kommen in verschiedenen Gewändern und Identitäten daher. Auch der Film selbst zeigt sich wandelbar und adaptiert eine ganze Menge an klassischen Tropen und Ideen. Zum einen ist er ein Historienfilm, der mit einer unglaublichen Kulisse, riesigen Bauten und viel Extravaganzen das St. Petersburg des 19. Jahrhunderts als einen Ort darstellt, der voller Dekadenz und gleichsam voller Abgründe ist. Wahrlich, die Ausstattung ist eine große Freude, die dazu durch die hervorragende Kameraarbeit von Maksim Osadchiy und die Ausleuchtung zur Perfektion getrieben wird. Hier sieht man, die Produktion hatte Geld und wurde von Künstlern gemacht, die sich eindeutig als Autoren ihres Handwerks begreifen. Erinnerungen an den großen Alexander Sokurow und seinen Film Russian Ark – Eine einzigartige Zeitreise durch die Eremitage werden hier wach. Doch die Geschichte, die Der Duellist erzählt, kann das Niveau nicht halten.

Hier präsentiert der Film eher einen klassischen Pastiche aus Klischees und Versatzstücken des Historiendramas: der tragisch-leidende Held mit der dunklen Vergangenheit, der eindimensional böse Antagonist, der vor nichts zurückschreckt, der junge naive Prinz, die wunderschöne Prinzessin, eigenartige Ausländer, die komische Geschäfte machen, Schamanen, die dem Helden quasi unmenschliche Kräfte verleihen, und natürlich ein ganzer Verhaltenskodex, der das Thema Ehre rauf- und runternudelt. Man mag sich hier und da noch an ein paar Stellen am Gewohnten ergötzen können, doch spätestens bei Ehren- und Duellkodex kippt der Film ins Sinnbefreite. Denn schon allein die Logik funktioniert hier nicht. Fast zwei Stunden lang versucht Yakolvev, sich an seinem Erzfeind Beklemishev zu rächen, und obwohl er der unangefochtene Duellist ist, kommt er nicht auf die Idee, ihn zu duellieren. Oder ihn, verdammt nochmal, einfach zu erschießen. Vielmehr weidet sich der Held in unendlich viel Wodka, wie es eben dem Klischee entspricht, und lässt sich die längste Zeit fremdbestimmen von noblen und nicht so noblen Umständen, die oft unter eigenartigen Bedingungen, verschwurbelten Dialogen und sinnfreien Kodizes daher gezaubert werden müssen.

Auffällig ist aber auch die Brutalität des Filmes. Hier spritzt das Blut, hier werden Messer langsam in Brustkörbe gerammt, hier zerfetzt es Schläfen durch Kugeln. Der Duellist hat eindeutig Spaß an der Viszeralität seiner Gewalt, die er feiert und maskulinisiert. Töten, so sagt der Film immer wieder, ist Macht. Und wer im Namen der Ehre tötet, der darf dies auch zelebrieren, ja sogar erotisieren. Wie oft hier Waffen angefasst werden, als sei es der eigene Penis, wie oft sie gestreichelt, ins Licht gehalten werden, wie oft man über sie spricht als wären sie Liebhaberinnen, ist schon mehr als auffällig. Das geht weit über die Glorifizierung von Gewalt hinaus: Gewalt und Macht in Form von Revolvern werden hier regelrecht fetischisiert. Die Militarisierung und technische Aufrüstung zum Töten werden mit der Idee von Ehre und Klassenzugehörigkeit verbunden und zeichnen ein Bild, das, ob gewollt oder nicht, durch die Blume auch ein interessanter Kommentar zum modernen Putin-Russland und dessen Idee vom Wert des Menschen und kapitalistischer Macht ist.

Der Duellist

Yakovlev war früher einmal Offizier. Nun kehrt er nach der Verbannung nach Sankt Petersburg zurück und realisiert bald, dass seine militärische Vergangenheit ihm zu Reichtum verhelfen kann. Denn er lässt sich von wohlhabenden Männern als Duellist anstellen, damit diese nicht ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen müssen. Geschickt in seiner Kampfkunst macht er sich bald mit seiner Unbesiegbarkeit einen Namen. Vielleicht hilft ihm das auch seinen Ruf wiederherzustellen.
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