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Aus einem Angebot, das ein Chefredakteur einer Wochenzeitung nicht ablehnen kann, wird eine Freundschaft zu einem Bergbauern. Der Chefredakteur schreibt  ein Buch darüber und Kurt Langbein hat nun einen Film daraus gemacht. Ein Angebot, das das Kinopublikum nutzen sollte.

Der Bauer und der Bobo (2022)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Wenn aus Wut Freundschaft wird

Die Geschichte dieser Freundschaft ist zu gut, um wahr zu sein. Der Stoff, aus dem Drehbuchträume sind. Und dennoch ist sie nicht ausgedacht. Regisseur Kurt Langbein hält sie durch die Linse seines Kameramanns Christian Roth fest. Vor dessen Arbeitsgerät spielen sich kleine Dramen ab, und es werden die ganz großen Fragen unserer Zeit gestellt: Wie wollen wir leben? Was wollen wir essen? Und wie soll dieses Essen produziert werden?

Am Anfang dieser Freundschaft steht ein tragisches Ereignis. 2014 kommt eine deutsche Touristin ums Leben, als sie beim Spazierengehen mit ihrem Hund von Mutterkühen attackiert wird, die ihre Kälber vor dem Hund beschützen wollen. Die Kühe gehören dem Bio-Bergbauern Christian Bachler. Der Fall macht Schlagzeilen und landet vor Gericht. Bachler wird schließlich zu einer Schadenersatzzahlung verurteilt, die der studierte Jurist und Journalist Florian Klenk, Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Falter, in einem Artikel gutheißt. Damit fängt der Ärger erst richtig an – und eine wunderbare Freundschaft.

Bachler macht seiner Wut über das Urteil und über Klenks Einschätzung des Urteils auf Facebook Luft. In einem dort geposteten Video verspottet er den Chefredakteur als „Oberbobo“, der von Tuten und Blasen keine Ahnung habe. Und er unterbreitet ihm ein Angebot. Klenk könne gern ein Praktikum auf seinem Bauernhof absolvieren, um sich ein Bild von Bachlers Arbeitsalltag zu machen. Das Video geht viral. „Ich konnte die Einladung nicht ablehnen. Also fuhr ich hin“, erinnert sich der Journalist aus der fernen, großen Stadt.

Wenn Kurt Langbeins Dokumentarfilm einsetzt, ist all das längst Geschichte. Inzwischen verstehen sich der „Wutbauer“ und der „Oberbobo“ ausgezeichnet, was Klenk in einem Sachbuch mit dem Titel Bauer und Bobo. Wie aus Wut Freundschaft wurde verarbeitete. Das Buch und Klenks Recherchen dienten Langbein als Grundlage für seinen Dokumentarfilm. Darin zu sehen ist, wie Klenk sich mit einem Gegen-Praktikum revanchiert, das Bachler in der Falter-Redaktion absolvierte. Klenks journalistischer Fokus hat sich hin zu ökologischen Themen verschoben. Hin und wieder besucht er den Bauern auf dessen Hof, steigt mit ihm die Hänge hinauf, hilft ihm bei der Produktion von Zirbenschnaps, sieht ihm beim Schlachten zu und fragt ihn nach dem Neusten, etwa danach, wie sein Online-Shop denn so laufe.

Denn Christian Bachler könnte selbst ein Bobo sein, lebte er nicht abgeschieden auf seinem Bergbauernhof, dem höchstgelegenen in der Steiermark. Hipster-Potenzial hat der schlagfertige Landwirt zumindest genug mit all den T-Shirts, Kapuzenpullovern und Baseballmützen mit witzigen Aufdrucken sowie all den schlauen Sprüchen, die er rund um sein Berufsfeld auf Lager hat. Das Potenzial der Selbstvermarktung hat Bachler erkannt. Inzwischen verkauft er einen Großteil seiner Produkte im Netz und vermietet Gästezimmer via Airbnb. Mit Geschäftsideen wie diesen sowie überhaupt mit seinen Ansichten eckt er allerdings auch an. Umgeben von Kollegen, die an der konventionellen Landwirtschaft festhalten – geht es nach Bachler, dann deshalb, weil sie nichts anderes kennen würden – steht der kreative Wutbauer allein auf weiter Flur. Zum Glück hat er mit dem Bobo Florian Klenk inzwischen einen Freund, der ihm zur Seite steht, wenn es hart auf hart kommt.

Die Geschichte dieser Freundschaft ist deshalb so gut, weil Kurt Langbein ihre Schattenseiten nicht ausblendet. Es ist nicht Langbeins erster Film, der um den Themenkomplex der Ökologie kreist. Dokus wie Landraub (2015), Zeit für Utopien (2018) und Anders essen – Das Experiment (2020) gingen dieser voraus. Auch darin macht Langbein keinen Hehl daraus, dass ihm Umweltschutz, Tierschutz und nachhaltige Landwirtschaft ein wichtiges Anliegen sind. Die leisen Zwischentöne und erzählerischen Wendepunkte in seinem neuen Film, die an dieser Stelle nicht verraten werden sollen, machen sein neuestes Werk aber zu mehr als einer Werbetrommel, die für ein nachhaltigeres Leben gerührt wird. Der Bauer und der Bobo ist ein nachdenklicher, aber auch einfach ein rührender Film.

Der Bauer und der Bobo (2022)

Bio-Bergbauer Christian Bachler und „Oberbobo“ Florian Klenk, Chefredakteur der Wiener Zeitschrift „falter“, streiten vor 100.000enden Zuseher*innen auf facebook über die Verantwortung von Bäuerinnen und Bauern für ihr Vieh. Daraus entsteht eine Freundschaft. Als die Bank den Bauernhof versteigern will, startet der Bobo eine Spendenaktion. 13.000 Menschen folgen dem Aufruf und spenden 420.000 Euro, der Hof ist schuldenfrei. Ein modernes Märchen, das beide verändert: Bobo und Bauer kämpfen nun gemeinsam für eine nachhaltige Landwirtschaft.

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