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Wie verfilmt man ein Sachbuch, das international heiß diskutiert wird? Justin Pemberton und Thomas Piketty wagen den Versuch.

Das Kapital im 21. Jahrhundert (2019)

Eine Filmkritik von Melanie Hoffmann

Schwach aufgewärmt

Haben wir ein Problem mit sozialer Ungleichheit? Die Unruhen in Elendsvierteln auf der ganzen Welt sagen zweifelsfrei: Ja! Doch woran liegt es?

Thomas Piketty ist französischer Wirtschaftswissenschaftler und vor fünf Jahren sorgte sein Buch Das Kapital im 21. Jahrhundert besonders in den USA für großes Aufsehen. Die darin geäußerte Kritik am bestehenden System und wie Piketty darin darlegte, dass seit den 1970er Jahren die Einkommens- und Vermögensungleichheit wieder zunimmt, war ein großes Thema nicht nur in den Wirtschaftsrubriken, sondern auch im Feuilleton. Nun hat der neuseeländische Dokumentarfilmer Justin Pemberton dieses Sachbuch verfilmt. Doch wie verfilmt man überhaupt ein Sachbuch über Wirtschaftstheorie?

Zunächst gibt es einen recht lang ausfallenden historischen Abriss über das Entstehen von Geld und von Kapital (was Piketty alsbald gleichsetzt). Nach einiger Zeit werden die Aussagen von Piketty nun nicht mehr nur von ihm selbst vorgebracht, sondern durch einige andere Ökonomen, unter anderem Faiza Shaheen, Gillian Tett und Joseph E. Stiglitz. Hier überschreitet Regisseur Justin Pemberton nun den schmalen Grat eines einseitigen Dokumentarfilms in Richtung Propaganda, denn die Ökonomen sprechen nach Art von Nachrichtensprechern frontal in die Kamera. Durch diesen Kniff wird eine höhere Objektivität vorgetäuscht, als tatsächlich vorliegt. Es handelt sich immerhin um ein höchst umstrittenes Thema und nicht um die eine Wahrheit.

Es ist klar, dass keine kritische Auseinandersetzung mit Pikettys Thesen stattfindet, da dieser Film ja weniger ein Dokumentarfilm als eine Art „Sachbuch-Verfilmung“ ist und daher selbstredend seinem Verfasser in allen Linien folgt. Doch die internationale Auseinandersetzung von verschiedenen Seiten mit dem Buch komplett auszublenden, als habe es sie nie gegeben, ist sicher auch nicht der richtige Weg. Dass der Film sich so darstellt, als habe er die einzig richtige Ansicht, beginnt schon recht schnell zu stören.

Das Kapital im 21. Jahrhundert ist leider für alle, die sich auch nur ein bisschen mit dem Thema beschäftigt haben ziemlich langweilig. Die Zielgruppe ist diejenige, die sich noch kaum mit Wirtschaftswissenschaften auseinandergesetzt haben — vor allem die erste Hälfte des Films, die den langen historischen Abriss enthält. Doch für diesen Film werden wohl eher jene ein Kinoticket lösen, die sich grundsätzlich für das Thema interessieren. Und da wird nur aufgewärmt und wiedergekäut. Ein positiver Effekt könnte sein, dass sich mehr Menschen allgemein kritisch mit Vermögensbildung und den Hintergründen beschäftigen. Doch die angebotenen Lösungsmöglichkeiten sozialer Ungleichheit greifen eher von oben und sind von Einzelnen schwerlich umzusetzen.

Das Kapital im 21. Jahrhundert (2019)

„Das Kapital im 21. Jahrhundert“ ist die Adaption eines der bahnbrechendsten und einflussreichsten Bücher unserer Zeit. Der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty bricht in seinem Bestseller mit der weit verbreiteten Annahme, dass die Anhäufung von Kapital immer auch mit sozialem Fortschritt einhergeht. Für seinen Dokumentarfilm hat Regisseur Justin Pemberton etliche namhafte Denker wie Faiza Shaheen, Gillian Tett und Joseph Stiglitz interviewt, um Pikettys These auf filmische Weise zu interpretieren. Pemberton deckt dabei den Betrug im Kern der Weltwirtschaft auf und fordert ein radikales Umdenken. Eine Zeitreise von der Französischen Revolution über zwei Weltkriege bis hin zum Internetzeitalter.

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