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Jahr für Jahr fallen der Malaria hunderttausende Menschen zum Opfer, die meisten von ihnen in afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Die kostengünstige Prophylaxe und Behandlung mit Beifußtee wird von der Weltgesundheitsorganisation abgelehnt. Das stellt der Dokumentarfilm kritisch infrage.

Das Fieber (2019)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Malaria als Krankheit und Geschäft

Während die Corona-Pandemie die Welt weiterhin in Atem hält, gerät beinahe in Vergessenheit, dass in Afrika nach wie vor alle ein bis zwei Minuten ein Kind an Malaria stirbt. Diese Krankheit, die ein kleiner, von der Anopheles-Mücke übertragener Parasit verursacht, fordert weltweit jedes Jahr mehr als 400.000 Menschenleben. Die österreichische Dokumentarfilmerin Katharina Weingartner hat sich in Ostafrika umgeschaut, wo die importierten Medikamente gegen Malaria für viele Leute nicht verfügbar oder unerschwinglich sind. Sie fand einheimische Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen, die zur Prophylaxe und Therapie auf einen Tee aus der Pflanze Artemisia annua, dem einjährigen Beifuß, setzen, der vor Ort gut gedeiht. Aber sie beklagen fehlende Unterstützung der Regierung und der Weltgesundheitsorganisation WHO. So entsteht ein filmisches Plädoyer für eine globale Gesundheitspolitik, die afrikanische Forschung und einheimische Projekte der Malaria-Bekämpfung fördert, statt sie zu behindern.

In der ugandischen Stadt Masaka hat die Heilpraktikerin Rehema Namyalo eine Praxis eingerichtet. Sie behandelt Malariakranke mit dem Beifußtee, vertreibt Pflanzen und Tee, hält Vorträge. Eine Frau, die mit ihrem kranken Kind in die Praxis gekommen ist, beklagt, dass die öffentlichen Krankenhäuser überfüllt seien und dass es ohne Geld keine Behandlung gebe. Richard Mukabana, Biologieprofessor an der Universität Nairobi in Kenia, kennt das Problem. Er fragt sich, warum die offiziell anerkannten Medikamente nicht in Kenia hergestellt werden und selbst die Pharmaforschung außerhalb des Kontinents stattfindet. Einheimische Wissenschaftler*innen wie er seien nur die „Kofferträger“, die Daten lieferten, ohne über die Auswertungsergebnisse aus dem westlichen Ausland informiert zu werden, kritisiert er.

Mukabana nimmt Wasserproben aus einem Reisfeld am Viktoriasee, um die Mückenlarven darin zu inspizieren. Er erzählt, dass der von den britischen Kolonialherren eingeführte Reisanbau mit den seichten Wasserflächen die Verbreitung der Mücke gefördert habe. Einige der vielen Texteinblendungen im Film verraten weitere Zusammenhänge zwischen der Verbreitung von Malaria und der Kolonialzeit, wie die Waldrodungen. Auch die Dämonisierung der traditionellen Kräuterheilkunde durch christliche Missionar*innen wird erwähnt. Eine gewisse chauvinistische Haltung, die mit unternehmerischem Profitstreben einhergeht, offenbart der Westen dem Film zufolge noch heute bei der Malariabekämpfung in Afrika.

Weingärtner spricht in Peking mit der Nobelpreisträgerin Youyou Tu, die 1972 den Wirkstoff Artemisinin aus dem Beifuß extrahierte. Er ist heute Bestandteil gängiger Malaria-Medikamente wie dem Novartis-Produkt Coartem. Aber die WHO lehnte in den 1970er Jahren das chinesische Angebot eines günstigen Artemisinin-Präparats für Afrika ab – auf Druck der westlichen Pharmaindustrie, wie eine Texteinblendung behauptet. Heute wiederum lehnt die WHO die Behandlung und Prophylaxe mit der Artemisia-Pflanze vor Ort ab, weil sie Resistenzen verursachen könne. Der Pharmakologe Patrick Ogwang aus Uganda kritisiert, dass die Regierung des Landes wegen der Einstellung der WHO die Kräutertherapie mit Beifuß nicht unterstütze. Dabei hat er die prophylaktische Wirksamkeit des Pflanzentees mit einer kontrollierten, randomisierten Studie an Beschäftigten einer Blumenfarm festgestellt.

Auch die Bekämpfung der Mückenlarven durch den Bazillus thuringiensis israelensis (BTI) ist nur mit Schwierigkeiten möglich. BTI werde nach Kenia aus den USA importiert, erzählt Mukabana. Das Mittel könne die Larven, beispielsweise in den Tümpeln der Ziegelfelder von Nyabondo, wirksam und ohne Gefahr für die grasenden Rinder zerstören. In der Region infizieren sich in der Regenzeit 30 Prozent der Einwohner mit Malaria. Für eine bereits erbaute Fabrik zur Herstellung von BTI aber verweigert die Regierung die Lizenz.

Sehr kritisch äußert sich der Film in den Texteinblendungen über die Stiftung von Bill und Melinda Gates. Deren Malariahilfe sei marktwirtschaftlich orientiert. Mittlerweile dominierten Pharmaunternehmen die WHO. Der indirekte Vorwurf lautet, dass die Spenden der Gates-Stiftung afrikanische Malariaforschung und -therapien außen vor ließen und sogar behinderten, weil sie westlichen Firmen einen Konkurrenzvorsprung böten. An keiner Stelle wird im Film jemand von der Gates-Stiftung oder der WHO interviewt. Wie dem Presseheft zu entnehmen ist, war das eine bewusste Entscheidung der Filmemacherin, um die afrikanischen Protagonist*innen und ihre Eigeninitiative in den Mittelpunkt zu stellen. Diese Menschen auch in ihrem täglichen Umfeld zu beobachten, sorgt zudem für interessante Einblicke in die Lebensverhältnisse vor Ort und die allgegenwärtige Gefahr der Malariainfektionen.

Leider klingen einige der filmischen Thesen, die Schuldkärtchen verteilen, ohne die Kritisierten zu Wort kommen zu lassen, tendenziös. Man soll glauben, dass die WHO letztlich wegen des Profitdenkens der Pharmaunternehmen den als Allheilmittel angepriesenen Artemisiatee zur Malariabekämpfung ablehnt. Mit ungeklärten Fragen zu möglichen Nebenwirkungen und der richtigen Dosierung befasst sich der Film nicht. Viele der benannten Probleme werden auch nicht ausreichend konkretisiert, um zu verstehen, wo eine Änderung ansetzen sollte – bei der Politik der afrikanischen Regierungen, bei der WHO? Dennoch bringt Weingartner Missstände ans Licht, die dringend diskutiert werden sollten. Denn es hängt vermutlich durchaus mit weißer, westlicher Hybris zusammen, dass lokale afrikanische Wissenschaft und Gesundheitsprojekte von der Weltgemeinschaft nicht stärker gefördert werden.

Das Fieber (2019)

Die Heilpflanze Artemisia annua ist erfolgversprechend im Kampf gegen Malaria! Dennoch wird sie den jährlich mehr als 200 Millionen erkrankten Menschen bislang nicht zur Verfügung gestellt. Auf der Suche nach den Zusammenhängen reist Regisseurin Katharina Weingartner für ihren Dokumentarfilm „Das Fieber“ in die Krisengebiete Ostafrika und China. Ihr Film deckt die Machenschaften der Pharmaindustrie auf und enttarnt die Global Player der Epidemie. Betroffene erzählen ihre ergreifenden persönlichen Geschichten und Experten, wie Nobelpreisträgerin Dr. Youyou Tu, leisten wertvolle Aufklärungsarbeit.

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Meinungen

konrad · 17.06.2021

Wo bleiben gute 3D Filme ??