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Auf dem Weg vom Zeichentrickkult zur Realverfilmung kann einiges schiefgehen. Das ist auch bei den Kopfgeldjägern des Animes „Cowboy Bebop“ der Fall – allerdings anders als befürchtet.

Cowboy Bebop (TV-Serie, 2021)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Gemischtes Weltraum-Hack

Wenn eine Sache positive wie negative Eigenschaften besitzt, bezeichnet man sie im Englischen als mixed bag. Ein bunter Strauß, bei dem nicht alle Blüten zusammenpassen, oder um im Bild zu bleiben: eine Wundertüte mit durchwachsenem Inhalt. Die zehnteilige Netflix-Serie „Cowboy Bebop“ bietet genau das: ordentlich Gemischtes.

Der krude Mix zieht sich durch alle Gewerke. Von der Besetzung und den Schauspielleistungen über die Sets, die Ausstattung, die Kostüme und die Spezialeffekte bis hin zu den Drehbüchern der einzelnen Episoden schwankt alles zwischen gut und schlecht, mitreißend und abstoßend, spannend und öde, originell und einfallslos, ernst und lächerlich, beabsichtigt witzig und unfreiwillig komisch.

Die Figuren, die sich im Jahr 2171 durchs Weltall wursteln, heißen Spike Spiegel (John Cho), Jet Black (Mustafa Shakir) und Faye Valentine (Daniella Pineda). Sie sind Kopfgeldjäger, in diesem wirren Universum „Cowboys“ genannt, und schleppen alle drei eine traumatische Hintergrundgeschichte mit sich herum, damit die Drehbuchschreibenden die zehn Episoden auch voll bekommen. Als Running Gag dient die Tatsache, dass dem tolldreisten Trio das Kopfgeld ein ums andere Mal durch die Lappen geht. Zur Spannungssteigerung darf ein Bösewicht nicht fehlen, der seine ganze Schlechtigkeit bereits im Namen trägt. Vicious (Alex Hassell) ist nicht nur bos- und lasterhaft, sondern sieht aus wie ein Albino-Vampir, der zu viele Steroide schluckt. Und dann ist da noch Julia (Elena Satine), ein dralle Femme fatale mit Lippen wie Fahrradschläuche.

Dass so viel Verrücktheit auf einem Anime basiert, liegt fast schon auf der Hand. Hajime Yatates Original, das Ende der 1990er-Jahre in Japan über den Äther ging und Anfang der 2000er-Jahre auch in den USA und Deutschland Kultstatus erlangte, ist ein stilpluralistischer Ritt, der vor lauter Querverweisen den Reiter fast vom Gaul haut. Augenzwinkernd wird auf andere Anime-Serien (vor allem Lupin III), auf Klassiker der Science-Fiction, des Westerns, des Films noir und der Pulp-Literatur, auf Blues- und Jazz-Musik und auf Bruce Lees Kampfkünste angespielt. Der Protagonist Spike Spiegel setzt den von Lee entwickelten Stil Jeet Kune Do ein, um seine Kontrahenten zu Kleinholz zu verarbeiten. In der Realadaption sind die Kampfszenen allerdings so träge inszeniert, dass man die ihnen zugrundeliegende Choreografie vor dem Fernseher beinahe synchron mitvollführen kann.

Drehbuchautor Christopher L. Yost hat die Serie gemeinsam mit Showrunner André Nemec für Netflix entwickelt und dabei auf dem Papier vieles richtig gemacht. Eine Verfilmung der Vorlage war schon im vorvergangenen Jahrzehnt im Gespräch. Ursprünglich sollte Keanu Reeves in die Rolle des Spike Spiegel schlüpfen, sagte 2014 aber endgültig ab, weil er sich dafür zu alt fühlte. In der Serie ist Spike 27 Jahre jung, Reeves war seinerzeit 50. Seine Besetzung wäre wohl aber noch mit ganz anderen Schwierigkeiten verbunden gewesen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte die Unterhaltungsbranche ein weiteres Mal der Vorwurf des Whitewashing getroffen. (Diese Praxis, nicht-weiße Rollen mit weißen Schauspielenden zu besetzen, hatte zuletzt bei der Manga- und Anime-Adaption Ghost in the Shell, in der Scarlett Johansson die Hauptrolle übernahm, für Aufregung gesorgt.) Diesen Shitstorm hat Yost mit seiner diversen Besetzung vermieden, was die Besetzung aber nicht zwingend besser macht.

Denn auch John Cho, Jahrgang 1972, ist für die Rolle viel zu alt. Erschwerend hinzu kommt eine gewisse Lustlosigkeit, die ihm deutlich anzumerken ist. Statt seine Rolle mit der Aufgedreht- und Aufgewecktheit eines Harold Lee aus der Harold & Kumar-Trilogie (2004-2011) auszufüllen, packt er viel zu viel Trübsal aus seiner notdürftig konstruierten Hintergrundgeschichte hinein. Auch Mustafa Shakir ist eine glatte Fehlbesetzung. Viel mehr als mit einer Reibeisenstimme zu sprechen, bekommt er nicht hin. Und die Chemie zwischen ihm und Cho sucht man vergebens. 

Hätten die zwei männlichen Hauptdarsteller so viel Spielfreude wie ihre Kollegin Daniella Pineda an den Tag gelegt, hätte aus dieser Adaption etwas werden können. So bleibt ein kunterbuntes Durcheinander, das von Episode zu Episode in Qualität und Tonalität schwankt. Als kleines Beispiel seien an dieser Stelle lediglich die Sets angeführt: Viele der Innenräume sehen großartig aus, alle Außenaufnahmen hingegen so, als wären sie auf ein und demselben drittklassigen Gewerbegebiet entstanden. 

Eine zweite Staffel wird es dann auch nicht mehr geben. Nur wenige Wochen nach ihrem Start wurde die Serie bereits gecancelt. Schade drum ist es nicht. Fans können getrost auf das Original zurückgreifen.

Cowboy Bebop (TV-Serie, 2021)

Der actiongeladene Weltraum-Western „Cowboy Bebop“ handelt von drei Kopfgeldjägern, genannt „Cowboys“, die vor ihrer Vergangenheit fliehen. Spike Spiegel (John Cho), Jet Black (Mustafa Shakir) und Faye Valentine (Daniella Pineda) könnten unterschiedlicher nicht sein. Die unerschrockene, tödliche Truppe heftet sich an die Fersen der gefährlichsten Verbrecher der Galaxie – solange die Kohle stimmt. Doch sie können sich ihren Weg nicht ewig freikämpfen, denn irgendwann werden sie von der Vergangenheit eingeholt.

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