Company Men (2010)

Eine Filmkritik von Lida Bach

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Ein Drahtseilakt ohne Netz. Eine kongeniale Metapher für das Berufsleben im Angesicht der Rezession findet John Wells bereits auf dem Filmplakat seines konzentrierten Dramas. Auf höchstem Niveau beginnen die Geschäftsmänner, die titelgebenden The Company Men, und Wells Kinodebüt als Regisseur. Die Fallhöhe ist enorm: Für den selbstgefälligen Manager Bobby Walker (Ben Affleck), der mit seiner Frau Maggie (Rosemarie DeWitt) das Ideal der Mittelstandsfamilie verwirklicht zu haben scheint, und seinen väterlichen Kollegen Gene (Tommy Lee Jones), der erkennen muss, dass sein berufliches Wertverständnis keine Gültigkeit mehr besitzt, und für das kontroverse Zeitporträt, das die Krisenauswirkungen gefiltert durch die Perspektive der Oberschicht analysiert.

Drei Monate Galgenfrist bleiben den Mitarbeitern. Solange setzt die Firma nach der Entlassung noch die Gehaltszahlungen fort. Was sich Entschädigung nennt, ist keine, denn Arbeit ist mehr als Gelderwerb. Arbeit ist Unabhängigkeit, Zukunftsgrundlage und Respekt, sozial, familiär und nicht zuletzt persönlich. Die Kündigung erleben die Figuren als seelische Kränkung. Einmal draußen ist der Wiedereinstieg schwer. Gefeuert worden zu sein ist ein Nichteinstellungsgrund, mögen Stagnation und Personalverkleinerungen im Handlungshintergrund in den Medien auch allgegenwärtig sein. Die Tür zur Arbeitswelt ist verschlossen. Die draußen stehen müssen sich warm anziehen.

Die Auszahlung ist eine Schadensbegrenzung, bevor die Arbeitslosigkeit die Protagonisten mit voller Wucht trifft. Die Hypothek wird für Bobby zur erdrückenden Last, die Abschlussfahrt der Tochter für seinen einstigen Kollegen Phil Woodward (Chris Cooper) schier unbezahlbar. Die Rezension kommt schon mit dem Wissen um den Jobverlust daheim an. Die wirtschaftliche Krise wird zur persönlichen, mit der die Protagonisten auf unterschiedliche Weise umgehen. Den Ernst der Lage begreift Bobby spät. Den Verlust von Golfclubmitgliedschaft, Porsche und Eigenheim fürchtet er, weil sie Statussymbole sind. Wie finster es um Amerikas Mittelschicht steht, zeigt The Company Men, indem er das scheinbar gesicherte Lebens der Walkers als unsicher enthüllt. Nur wenige Ratenzahlungen trennen sie vom Existenzverlust. Zuerst sucht Bobby nach einer seiner Qualifikation angemessenen Stelle. Am Ende tut es sogar der eines Hilfsarbeiters beim Bau, den er einst entrüstet ablehnte. Auf einem umkämpften Stellenmarkt, wo Bildung, Erfahrung und Talent immer weniger bedeuten, verdankt Bobby selbst den Handwerksjob der Fremdunterstützung seines Schwagers Jack Dolan (Kevin Costner).

In der Typologie der Protagonisten, von denen jeder eines bestimmten Menschenschlag und Gesellschaftsstand verkörpert, vertritt Jack den ehrlichen Handwerker. Mit seiner Idealisierung einfacher Arbeiterberufe flüchtet sich das bis dahin schlüssige und authentische Zeitbild in eine fragwürdige Scheinlösung. In seiner Präferenz für Handwerksberufe negiert das Wirtschaftsdrama deren Existenzkämpfe. Der Filmtitel ist wörtlich zu verstehen: The Company Men fokussiert auf die Probleme gutsituierter – vorzugsweise weißer – Männer. Unfreiwillig gewährt Wells Krisenfilm einen verräterischen Blick auf die inneren Mechanismen der Berufs- und Gesellschaftsklasse, deren Angehörige er als Hauptopfer der Rezession darstellt.

Jahrelange Berufserfahrung wird zum Nachteil: mit über Dreißig findet man nie eine Stelle. Jedenfalls nicht bei dem einstigen Geschäftspartner Phils, der ihm die Altersmarke als Obergrenze nennt. Nicht nur Phil definiert sich über seine Tätigkeit, sein Umfeld definiert ihn darüber. Phil verblasst zu einem Schatten seiner selbst, den seine Frau nötigt, weiterhin wie gewohnt das Haus zu verlassen, um die Fassade zu wahren. Aus dem bezahlten Finanzangestellten wird ein unbezahlter Schauspieler, der den Nachbarn tagtäglich eine Scharade vorspielt. Im Beratungscenter geht das groteske Schauspiel weiter. Mehr als eine Fortbildung bringt eine Haartönung. Wer nicht mehr jung ist, muss zumindest jung wirken.

Phils qualvolles Scheitern ist eindringlicher als Bobbys Statusverlust. Dass im Handlungszentrum der ehrgeizige Karrierist steht und nicht der gewöhnliche Angestellte, gleicht einer grausam treffenden Pointe des Dramas. Auch im wahren Leben sind Menschen wie Phil nur Nebenfiguren. Sie werden marginalisiert, bis sie über den Rand fallen, in ein existentielles Nichts. Ihr Niedergang ist zu unspektakulär und letztlich zu alltäglich, um Aufsehen zu erregen. „Mein Leben hat geendet und keiner hat es gemerkt“, sagt Phil. Das bittere Fazit gilt in der Realität genauso wie in Wells‘ Film.
 

Company Men (2010)

Ein Drahtseilakt ohne Netz. Eine kongeniale Metapher für das Berufsleben im Angesicht der Rezession findet John Wells bereits auf dem Filmplakat seines konzentrierten Dramas. Auf höchstem Niveau beginnen die Geschäftsmänner, die titelgebenden „The Company Men“, und Wells Kinodebüt als Regisseur.

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