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Zwei kreative Jahrhundertgestalten um 1900, 400 Liebesbriefe und eine toxische Amour fou: Als Gustav Mahlers Witwe Alma 1912 den blutjungen Oskar Kokoschka traf, funkte es heftig und in alle Richtungen: Happy End ausgeschlossen. Dieter Berner hat dieser berüchtigten Affäre einen Spielfilm gewidmet. 

Alma & Oskar (2022)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Musenfrust

„Alma, wir beide werden immer auf der Bühne des Lebens sein. Sieh dir die Gesichter um dich herum an. Nicht einer hat die Spannung des Kämpfens mit dem Leben gekannt. Nicht einer. Außer deinem Geliebten, den du einst in deine Geheimnisse einweihtest“, raunt eine junge Männerstimme zu Beginn von Dieter Berners „Alma & Oskar“ aus dem Off. Sie gehört einer schillernden Jahrhundertgestalt des österreichischen Kunstbetriebs, die kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs zum ersten – und bei weitem nicht letzten – Mal markante Spuren in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts hinterließ: Oskar Kokoschka (1886-1980). Seines Zeichens der wagemutigste wie eigensinnigste Expressionist der Alpenrepublik, der im Wien des bald untergehenden K.U.K.Reichs zwischen Salongesprächen und ersten Ausstellungsversuchen rasch von sich reden machte und gleichzeitig von vielen Damen der feinen Gesellschaft als erotisch aufgeladenes Enfant terrible angehimmelt wurde. 

Zu ihnen gehörte in den Jahren 1911/1912 auch die damals frisch verwitwete Alma Mahler, die später noch Alma Mahler-Werfel heißen und unzählige Liaisons Dangereuses mit Hugo von Hofmannsthal über Gustav Klimt und Alexaner von Zemlinsky bis hin zu Walter Gropius eingehen sollte und so aufgrund ihres exzentrischen Lebenswandels zwischen der Donaumonarchie bis nach New York selbst zum Mythos wurde. „Liebe.Hass.Kunst.Erotik“ lautete das heimliche Lebensmotto der vielseitig begabten „lustigsten Witwe“, die selbst eine Musikkarriere anstrebte, wie sie einmal treffend in den Drehbuchzeilen tituliert wird. 

Denn schon zu Lebzeiten ging der stolzen Österreicherin mit der dunklen Hochsteckfrisur und dem strengen Blick, die bürgerliche Konventionen verabscheute, stets das Neue suchte und parallel lebenslang toxisch aufgeladene Beziehungen mit und ohne Trauschein einging, ein gewisser Ruf voraus, über den sie sich pikanterweise in ihren eigenen Memoiren anschließend noch ausgiebig mokieren sollte. 

Wer nun in Dieter Berners und Hilde Bergers blutarmen Kunst-trifft-Leben-Biopic Alma & Oskar, für den das österreichische Kreativduo (Egon Schiele: Tod und Mädchen) erneut das Drehbuch gemeinsam verantwortete, einen wallenden Strudel aus Gefühlen, Perversionen oder überhaupt Extremitäten erwartet, wird in diesen mehrheitlich fade inszenierten und leider völlig überraschungsarmen 90 Minuten bitter enttäuscht. 

Denn hier gleicht jede der technisch sorgsam kadrierten (Bildgestaltung: Jakub Bejnarowicz), aber en gros emotionslosen Sequenzen einem dramaturgisch unausgereiften Genrezwitter aus Historienschinken, Künstler*innenfilm und Erotikdrama, der sich bereits nach wenigen Minuten sowohl in handwerklich ansehnlichem Garderobenpomp (Kostümbild: Katarína Štrbová Bieliková) wie albern inszenierter Nackidei-Szenen verliert. 

Garniert durch unfreiwillig komisch rezitierte Drehbuchfloskeln (Alma zu Gustav: „Du schaust mich nicht einmal mehr an (…). Es geht immer nur um dich (…). Ja, ich habe an dich geglaubt.“) versucht zwar wenigstens die titelgebende Alma-Mahler-Darstellerin Emily Cox (Die Vaterlosen, Dutschke, The Last Kingdom) schauspielerisch etwas aus jener berüchtigten Femme-fatale-Figur herauszuholen; was jedoch in der Summe keinesfalls für den österreichischen Fernsehschauspieler Valentin Postlmayr gilt, der als Oskar Kokoschka von Beginn an reichlich blass bleibt. 

Was in Berners mauer Lesart als Kampf der Geschlechter zwischen zwei Neurotikergestalten angelegt ist, mäandert so ohne jeden Hauch von (audio-)visueller Exzentrik vor sich hin, sodass man sich bereits nach einem Drittel jenes anstrengenden Szene-Reigens ermüdet fragen muss: Was hätten wohl ausgewiesen kunstaffine Regiehaudegen wie Derek Jarman (Caravaggio), Ken Russell (MahlerLisztomania) oder Peter Greenaway (Der Kontrakt des Zeichners, Nightwatching) aus diesem kulturgeschichtlichen Sprengstoffmaterial für die Kinoleinwand gezaubert? Denn fesselnde Obsessionen, innere Dämonen oder äußere Liebesschwüre sahen im Kino zuletzt selten langweiliger aus.

Alma & Oskar (2022)

Wien, 1912: Nach dem Tod von Gustav Mahler ist Alma Mahler eine wohlhabende Frau, die feine Gesellschaft Wiens liegt der jungen Witwe zu Füßen. Doch Alma verabscheut die Konvention. Ihr Interesse gilt dem „Enfant terrible“ der Kunstszene, dem expressionistischen Maler Oskar Kokoschka, der mit seinen radikalen Arbeiten für Skandale sorgt. Es beginnt eine leidenschaftliche Affäre, bei der unterschiedliche Lebensentwürfe aufeinanderprallen. Oskar betrachtet Alma als seine Muse, ist eifersüchtig und besitzergreifend. Doch Alma hat selbst Ambitionen als Künstlerin und Komponistin in einer Zeit, in der das für eine Frau nicht üblich ist. Ein Spiel um Macht und Abhängigkeit entsteht, das Alma und Oskar an den Rand der Selbstzerstörung führt. Quelle: Alamode Filmverleih)

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Meinungen

Harald · 13.07.2023

Ach hätte ich mir nur diesen Verriss zu Herzen genommen.
Ich hätte mir die ersten 47 Minuten dieses Films erspart.