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In „Die wandernde Erde II“ fährt Frant Gwo im Vergleich zum Vorgänger einen Gang runter, was erstmal seltsam klingen mag. Doch der Film setzt zwischen dem Weltrettungsgetöse immer wieder ruhige Akzente, die für Abwechslung sorgen.

Die wandernde Erde II (2023)

Eine Filmkritik von Stephan Fasold

Zum zweiten Mal Weltrettung Made in China

Genau wie sein Vorgänger orientiert sich „Die wandernde Erde II“ lose an der gleichnamigen Kurzgeschichte des gefeierten chinesischen Science-Fiction-Autors Cixin Liu (eine Serie zu seinem dreiteiligen Trisolaris-Epos steht in den Startlöchern und wird unter dem Namen „3 Body Problem“ im Frühjahr 2024 auf Netflix veröffentlicht). Während die Kurzgeschichte ein melancholischer Abgesang auf die Ideologien der Menschheit vor dem Hintergrund einer sterbenden Sonne ist, fokussieren sich die Filme bloß auf das Setting der wandernden Erde und weiten die Erzählung mit zusätzlichen Figuren und Erzählsträngen aus. Eine Gemeinsamkeit des neuen Films mit der Literaturvorlage ist die aktuell durch den Klimawandel befeuerte Frage, warum eine anstehende Krise in der Zukunft für die Menschen heute relevant sein sollte.

Der Film setzt im Jahr 2044 und somit knapp 30 Jahren vor den Ereignissen in Die wandernde Erde an. Wissenschaftler*innen haben herausgefunden, dass die Sonne sich in naher Zukunft in einen roten Riesen verwandeln wird und im Laufe ihrer Expansion den Planeten Erde und somit auch die komplette Menschheit verschlingen würde. Die Einheitsregierung der Vereinigten Erde fasst deshalb den umstrittenen Plan, die Erde mit zehntausend Triebwerken auszustatten und in das Alpha-Centauri-System umzusiedeln. Die Initiatoren für dieses Vorhaben waren chinesische Wissenschaftler, weshalb sie nun die Aufgabe haben, im Rahmen des Projekts Berge versetzen eines der gigantischen Antriebswerke vor dem Bau der anderen Anlagen zu testen. Schon vor dem ersten Test kommt es allerdings zu einem Zwischenfall, da nicht alle Menschen mit den Plänen der Weltregierung einverstanden sind und sich mit dem Projekt Digitales Leben eine Oppositionsbewegung formiert, die Terrorakte gegen die Infrastruktur des Projekts Berge versetzen durchführt.

Das Projekt Digitales Leben repräsentiert die Idee, dass der Fortbestand der Menschheit am besten zu gewährleisten sei, wenn sich alle Menschen digitalisieren und in einen Computer hochladen würden, um in einer Art digitalen Arche das Sterben des Planeten zu überleben. Zwar wird diese Organisation im Laufe des Films verboten, doch der Computeringenieur Tu Hengyu (Andy Lau) sieht durch den neuen leistungsstarken Quantencomputer 550C in Verbindung mit der Möglichkeit zum Persönlichkeitsupload die Chance, sich dauerhaft mit seiner verstorbenen Tochter zu vereinen.

Allein die Problematisierung des Posthumanismus und die Frage nach der Rolle von künstlichem Leben in der Zukunft wären wohl interessant genug für einen eigenen Film. In Die wandernde Erde II wird uns sogar noch ein ganzes Bündel weiterer Konzepte aus der zeitgenössischen Forschung und Science Fiction dargeboten: Ein Aufzug in den Weltraum, Quantencomputer, künstliche Intelligenz und autonom agierende Roboter. Leider spielen viele der in der ersten Hälfte des Films angedeuteten Ideen später keine große Rolle mehr für die Handlung des Films. Wie auch, wenn auf einmal der Mond auf die Erde zu fallen droht und der Pilot Liu Peiqiang (Wu Jing) und sein Team sich mit dieser und anderen Krisen beschäftigen muss, bevor die Erde startklar ist. Da können wir als Zuschauer*innen durch noch so viele Überwachungskameras bedrohlich mit roten Augen anvisiert oder durch diverse Countdowns an die unglaubliche Dringlichkeit des Geschehens erinnert werden: Am Ende unterliegen die subtilen Töne dem großen Spektakel im Sinne eines genretypischen Katastrophenfilms.

Großes Katastrophenkino ist nicht erst seit Independence Day auch immer ein Stück weit nationales Kino, da die Frage im Raum steht, wie und mit welcher Konsequenz der Staat seine Bürger*innen im Falle einer globalen Krise zu schützen vermag. Durch die Weltregierung und die Einbindung verschiedener Blickwinkel fällt dies in Die wandernde Erde II nicht besonders negativ auf, auch wenn die Durchhalteparolen und Bekenntnisse zum Finale des Films erwartungsgemäß zunehmen. Durch die gelungene CGI und die effektive Inszenierung weiß Regisseur Frant Gwo mit seinem Film durchaus kurzweilig zu unterhalten. Die wandernde Erde II muss sich nicht hinter ähnlichen Filmen aus Hollywood verstecken – schließlich fällt der Mond hier deutlich gekonnter als zuletzt in Moonfall. Ganz nach der Aufschrift einer in der Schwerelosigkeit fliegenden Schraubenmutter im Film: Die wandelnde Erde II ist gekonnte Weltrettung Made in China.

Die wandernde Erde II (2023)

In der nahen Zukunft dehnt sich die Sonne rasant aus und droht die Erde innerhalb eines Jahrhunderts zu verschlingen. Die Vereinte Regierung der Erde beschließt gigantische Raketentriebwerke zu bauen, um mit diesen unseren Planeten von der Sonne wegzubewegen. Terroristen versuchen weltweit, das kühne Vorhaben zur Rettung der Menschheit zu torpedieren: sie möchten das Bewusstsein jedes einzelnen Menschen auf einer gigantischen Matrix speichern. Zur Rettung der Menschheit muss sich schließlich ein zusammengewürfelter Haufen von Helden auf eine lebensgefährliche Mission ins All begeben – doch das Universum hat seine Tücken.

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Meinungen

Semoja · 23.01.2024

Pardon, scheußlich überladenes Spektakel, konfuse Szenenwechsel, sowie depressiv machende Zukunftsvision/-version. Abartiger Orgasmus an technischem Schnickschnack, uninteressante Figurenzeichnung. Nein, kein gesund veranlagter Mensch wird sich dafür begeistern. Ich konnte dieses Machwerk schon nach ca. 45 Minuten nicht mehr ertragen. Alles heutzutage immer noch mehr auf stumpfsinnige Effekthascherei getrimmt zum Nachteil sehenswerter Inhaltlichkeit.