Warlords

Eine Filmkritik von Florian Koch

Aus Freunden werden Feinde

Während asiatische Filmfreunde begeistert Red Cliff 2 entgegenfiebern, warten Kinobesucher hierzulande bislang vergeblich auf den ersten Teil des Schlachtenepos von John Woo. Eine bedauernswerte Tatsache, bedenkt man, dass die mit 80 Millionen Dollar teuerste asiatische Produktion aller Zeiten in nur wenigen Wochen zum erfolgreichsten Film Chinas avancierte und auch in Japan wochenlang die Spitze der Charts verteidigte.
Es bleibt auch 2009 ein Faktum, dass aus marktstrategischen, ökonomischen Gründen ein Gros der asiatischen Spitzenproduktionen in Deutschland höchstens auf Festivals wie dem Asia Filmfest eine Plattform bekommen und ansonsten auf DVD verramscht werden. Gegen diesen fatalen Trend stemmt sich der kleine Kinostar-Verleih, der das grimmige Kriegsepos Warlords mit einjähriger Verspätung und wenigen Kopien in die heimischen Kinos bringt. Ein Schritt, der sich hoffentlich lohnen wird, denn der opulente und sehenswerte Historienfilm zeigt drei der größten asiatischen Schauspielstars in facettenreichen, ungewöhnlichen Rollen.

Allen voran Martial-Arts Legende Jet Li (Hero, Once Upon a Time in China), der für eine Rekordgage von 13 Millionen Dollar nach seinem unsäglichen Mumien-Auftritt beweist, dass er neben akrobatischen auch mimische Qualitäten besitzt. Sichtlich gealtert und mit aufgedunsenem Gesicht gibt er in Warlords absolut glaubwürdig den emotional zerrütteten General Pang. Mitte des 19. Jahrhunderts kämpft er erbittert für den Machterhalt der in China herrschenden Qing-Dynastie. In einem blutigen Gemetzel verliert Ma Xinyi gegen die Taiping-Rebellen seine ganze Einheit. Unter hunderten von toten Soldaten begraben, überlebt er als einziger in lebensrettender Schockstarre die Schlacht. Schwer gezeichnet findet Xinyi Zuflucht in einem nahe gelegenen Dorf. Dort regieren die beiden Banditen Cao Er-Hu (Andy Lau, Infernal Affairs) und Zhang Wen-Xiang (Takeshi Kaneshiro, House of the Flying Daggers, Red Cliff), die mit chaotischen Raubzügen Essen für die hungernde Dorf-Bevölkerung beschaffen. Taktikgenie Xinyi greift den Räubern mit seinem Wissen hilfreich unter die Arme. Doch nach Anfangserfolgen müssen die drei selbst ernannten „Blutsbrüder“ erkennen, dass ihr waghalsiges Outlaw-Leben keine Zukunftschancen besitzt.

Auf Vorschlag von Xinyi schließen sich Er-Hu und Wen-Xiang zögerlich der schwer dezimierten kaiserlichen Armee an. Xinyi erhält seine Generalsstellung zurück und kann mit seiner Einheit — trotz Unterzahl — scheinbar unmögliche Schlachtenerfolge gegen die Taiping Rebellen erzielen. Mit dem wachsenden Ruhm von Xinyi droht der einstmals untrennbare Dreier-Freundschaftsverbund zu zerreißen. Denn Er-Hus Kriegsverbrechen gegenüber der Zivilbevölkerung kann Xinyi in seiner Stellung nicht mehr dulden. Als er sich auch noch in Er-Hus Frau verliebt, werden aus Freunden erbitterte Feinde. Ein Konflikt, den der ewig außen vor stehende Beobachter (und gleichzeitige Erzähler) Wen-Xiang verzweifelt zu kitten versucht.

Regisseur Peter Chan galt lange Zeit als einer der einflussreichsten Produzenten Chinas (The Eye, Protégé). Als Regisseur reüssierte er mit kleineren, leichten Filmen wie Hongkong Love Affair. Mit Warlords wagt sich Chan erstmals an ein mit 40 Millionen Dollar hochbudgetiertes Kriegsepos. In erdfarbenen Sepia-Tönen und realistisch-grausamen Kampfszenen entfernt er sich nach wenigen Minuten von den hochstilisierten Martial-Arts- Zauberwelten, die Tiger & Dragon oder Hero auszeichneten. Wie in den Hollywood-Vorbildern Braveheart und Der Soldat James Ryan zeigt Chan die brutale, menschenverachtende Kehrseite des Krieges. Trotz Action-Choreograf Tony Ching Siu-Tung (Hero, A Chinese Ghost Story) gibt es bei ihm keine poetischen Action-Ballette zu bestaunen; auf den Schlachtfeldern regieren in bizarren Totentänzen Blut, Schweiß und Tränen. Dazu passt der nihilistisch-düstere Grundton der auf dem Shaw-Brothers Original Blood Brothers beruhenden Erzählung und Chans Verweigerung der Heroisierung seiner Hauptfiguren. Selten sah man Li so gespenstisch-kalt, als er den Auftrag gibt ein Meer von hungernden Stadtbewohnern statt mit Brot mit einem Pfeilhagel zu „versorgen“ oder einen Andy Lau so kraftvoll-engagiert ohne ins Chargieren wie in Three Kingdoms abzudriften. Angenehm zurückhaltend agiert auch Kaneshiro, dessen Figur erst im zweiten Teil der Geschichte wirklich an Bedeutung gewinnt.

Trotz aller emotionalen Brüche, beeindruckenden Massenszenen und bedrückenden Bildern — Chans in Asien sehr erfolgreich in den Kinos laufender und auf den Hongkong Film Awards mehrfach prämierter Film hat auch Schwächen. Dazu zählen die vordergründig-plakative Bombastmusik, eine sprunghafte Dramaturgie, die sich zwischen Schlachtgewittern und plötzlichen Ruhephasen nicht entscheiden kann und eine unterentwickelte Dreiecksliebesgeschichte. Das sind die Hauptgründe warum Chans dennoch packender Reißer nicht die Größe eines emotional ähnlich gelagerten Klassikers wie John Woos Bullet in the Head erreicht.

Warlords

Während asiatische Filmfreunde begeistert Red Cliff 2 entgegenfiebern, warten Kinobesucher hierzulande bislang vergeblich auf den ersten Teil des Schlachtenepos von John Woo.
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