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Männer und Frauen in gesichtslosen Bürogebäuden auf den Philippinen bestimmen den globalen Diskurs in den sozialen Medien. Sie entscheiden quasi eigenmächtig, was von Facebook und Co gelöscht wird. „The Cleaners“ ist ein Film über ein Problem von überwältigenden Ausmaßen.

The Cleaners (2018)

Eine Filmkritik von Katrin Doerksen

Verantwortung: Outgesourct

Dass Facebook Nacktheit und gewaltverherrlichende Inhalte löscht, muss man nicht gutheißen, aber zumindest ist es grundsätzlich nachvollziehbar. Das Internet kann ein finsterer Ort sein. Eine Form der Kontrolle über die geteilten Inhalte zu unterhalten, ist vielleicht nicht die schlechteste Idee. Nur: die Verantwortung dafür wird outgesourct.

The Cleaners, das sind Männer und Frauen aus der philippinischen Hauptstadt Manila, die in gesichtslosen Bürotürmen vor Computerbildschirmen sitzen. Nicht einmal ihre Familien wissen, was sie genau machen. Sie habe sich früher in der Schule angestrengt, um nicht als Müllsammlerin zu enden, erzählt eine Frau. Letztlich ist sie doch eine Art Müllsammlerin geworden, nur eben im Internet. Als content managerin durchforstet sie tagtäglich Plattformen wie Facebook und YouTube, entscheidet, welche Beiträge bleiben dürfen und welche gegen die Richtlinien der Community verstoßen. „Ignore — delete — delete — ignore — delete“, ertönt mantraartig ihre monotone Stimme. Sie und ihre Kollegen mögen im Film namenlos bleiben, frei von Überzeugungen und gesellschaftlicher Prägung sind sie natürlich nicht. Unter ihnen eine radikale Katholikin, die ihre Arbeit als Opfer ansieht, um die Welt von der Sünde zu befreien. Ein Konservativer, der die tödliche Drogenpolitik des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte unterstützt und seinen eigenen Beitrag leisten will, das Land sicherer zu machen. Eine Frau, die hunderte Enthauptungen gesehen hat und davon spricht abzustumpfen.

Der Dokumentarfilm von Hans Block und Moritz Riesewieck beginnt wie ein düsterer Noir-Thriller: bei Nacht, tiefe Schatten, kontrastreiche Bilder, bedrohlich knisternde Elektroklänge. Ein Mitarbeiter taucht lediglich in Gestalt hastig getippter Mailbotschaften auf. Er müsse die Kommunikation einstellen, die Firma habe Witterung aufgenommen. So hätte der Spielfilm The Circle mit Emma Watson und Tom Hanks beginnen können, hätte er tatsächlich die dystopische Qualität entfaltet, die der Klappentext des zugrundeliegenden Romans fälschlicherweise versprach.

Gerichtliche Anhörungen wie jene zur Russia Investigation wechseln sich in The Cleaners mit dem Alltag im philippinischen Büroturm ab. „Wir halten Terrorismus von Facebook fern“, beteuert ein hochrangiger CEO vor laufender Kamera. In der Praxis, so erfahren wir direkt im Anschluss, kursiert unter den content managern eine Liste mit 37 Terrororganisationen. Es gilt ihre Flaggen und Redensarten auswendig zu lernen. Ob dann ein Beitrag als schlichte Informationsvermittlung oder als fanatischer Aufruf zum Terrorismus einzustufen ist, liegt im eigenen Ermessen. Der Film konzentriert sich auf die Gesichter der content manager, einige Male sind aber auch die ihnen vorliegenden Beiträge zu sehen. Die Karikatur eines nackten Donald Trump: gelöscht. Das Foto eines toten syrischen Jungen am Strand: gelöscht. Mit welchem Recht die nicht selten überforderten Männer und Frauen ihre Entscheidungen treffen, diese Frage formulieren Block und Riesewieck weder aus noch beantworten sie sie. Ihr Anspruch ist lediglich, das Problem in seiner ganzen Komplexität zu entfalten.

The Cleaners unternimmt Exkurse zu Menschenrechtsaktivisten in London, die sich beeilen, YouTube-Clips von Bombeneinschlägen in Syrien zu sichern, bevor sie – und damit jegliches Beweismaterial – gelöscht werden. Ein philippinischer Journalist berichtet von der Popsängerin Mocha Uson, die gezielt Falschinformationen an ihre Millionen Follower verbreitet, um Duterte im Wahlkampf zu unterstützen. Facebook profitiert von den Hetzkampagnen gegen die Rohingya, die über User in Myanmar tausende Likes generieren. In der Türkei sperrt YouTube bestimmte Videos, die keine Community-Standards verletzen, um der Regierung freundlich gewogen zu bleiben – in einem Land, in dem die Leute einst auf soziale Medien auswichen, um die Zensur der staatlichen Medien zu umgehen.

Ein Rad greift ins andere, eine Intention steht gegen die nächste und was bleibt, ist das Gefühl, vor einem schier unüberschaubaren Problemberg zu stehen. „Es braucht Optimismus, um daran zu glauben, dass man die Welt verändern kann“, lassen die Filmemacher Mark Zuckerberg erklären und es klingt in diesem Kontext plötzlich zynisch und resignativ. Am Ende ist man nicht unbedingt klüger an Faktenwissen, aber vielleicht ist genau das der Faktor, an dem sich die Effektivität des Films bemisst: nichts, was man darin erfährt, überrascht noch wirklich. Es nimmt einem aber die Möglichkeit, davor die Augen zu verschließen.

The Cleaners (2018)

„The Cleaners“ erzählt von einer gigantische Schattenindustrie digitaler Zensur in Manila, dem weltweit größten Outsourcing-Standort für Content Moderation. Dort löschen zehntausende Menschen in zehn Stunden Schichten im Auftrag der großen Silicon Valley-Konzerne belastende Fotos und Videos von Facebook, YouTube, Twitter & Co. Komplexe Entscheidungen über Zensur oder Sichtbarkeit von Inhalten werden so an die „Content Moderatoren“ outgesourct.

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Meinungen

Guru · 17.05.2018

Wow, klingt spannend. Danke für den Tipp.