Sushi - The Global Catch

Eine Filmkritik von Kirsten Kieninger

Sushi und seine Konsequenzen

Schon mal Sushi gegessen? Und, hat’s geschmeckt? Es ist gar nicht so lange her, da war die Frage noch, ob man sich an den Verzehr von rohem Fisch überhaupt heranwagen soll. Sushi und Sashimi als kulinarische Mutprobe für den westlichen Gaumen. Heute muss die Frage eher lauten: Schon wieder Sushi gegessen? Und, ein schlechtes Gewissen dabei?
Die Fisch-Reis-Häppchen aus Japan werden längst ganz selbstverständlich verzehrt – rund um die Welt. Ob kunstvoll handgefertigt im Japanischen Restaurant, auf den Tellerchen der Thekenlaufbänder der unzähligen Sushi-Läden, aus dem Kühlregal im Supermarkt oder statt Nachos beim Baseballspiel, ob Sushi to go oder Sushi am Stiel. Der Sushi-Boom treibt weltweit manch seltsame Blüte. Doch vor allem wird er zur Belastungsprobe für das Ökosystem der Weltmeere. Der Dokumentarfilm Sushi – The Global Catch zeichnet ein ebenso detailreiches wie aufrüttelndes Bild der Sushi-Erfolgsstory und ihrer weitreichenden Konsequenzen, die sie im Kielwasser mit sich bringt.

Regisseur Mark S. Hall holt den Zuschauer da ab, wo es noch eine reine, spektakuläre Freude ist: Bei der Faszination für japanische Samurai-Schwerter und traditionelle Sushi-Meister. Die Kreationen von Mamoru Sugiyama lassen einem förmlich das Wasser im Mund zusammen laufen, der Sushi-Chef mit Michelin-Stern zelebriert sein Handwerk, die Ausbildung in seinem Tokioter Restaurant dauert sieben Jahre. Doch die Wegbeschreibung von der traditionellen Delikatesse zum modernen Lifestyle-Futter bildet in Sushi – The Global Catch nur den Beginn eines roten Fadens, der sich zu einem weltumspannenden Netz von Nebenwirkungen verdichtet – in seinem Zentrum: der Thunfisch. Der deutsche Untertitel „Auf der Jagd nach dem letzten Fisch“ fasst die Problematik zusammen: Seit Sushi zur Massenware wurde, ist der weltweite Thunfischbestand rasant geschrumpft. Wenn es so weitergeht, sind die Meere in 35 Jahren leergefischt.

Die Branche ist sich der Gefahr bewusst: Während in Lodz der ehemalige polnische Pizzabäcker noch ganz selbstverständlich auf den Sushi-Trend setzt, gibt es in San Francisco schon das erste
„nachhaltige“ Sushi-Restaurant – „guilt free“ Sushi sozusagen.

Mark S. Hall hat genau recherchiert und rund um die Welt Protagonisten aufgetrieben, die an wichtigen Knotenpunkten des Sushi-Netzwerkes agieren. Das sind im Mutterland des Sushi außer dem berühmten Sushi-Chef z.B. auch der ehemalige Präsident von Japan Airlines. Dieser kam in den 70er Jahren auf die Geschäftsidee, die fast leeren Jumbos auf dem Rückflug nach Japan mit gefrorenem Fisch zu beladen und wurde damit zum „Vater des globalen Sushi“. Heute wird aus aller Welt eingeflogener Fisch auf dem Tsukiji Markt versteigert. Auf diesem größten Fischmarkt der Welt, in dessen Marktgeschehen der Film faszinierende Einblicke bietet, arbeitet auch der australische Meeresbiologe Alistair Douglas als Fisch-Makler. Er reist in Sachen Thunfisch rund um die Welt. In San Francisco trifft er auf Casson Trenor, den Greenpeace-Aktivisten, der das erste „nachhaltige“ Sushi-Restaurant in San Francisco eröffnet hat. An der Südküste Australiens züchtet derweil ein gebürtiger Deutscher Thunfische. Hagen Stehr ist es erstmals gelungen, dass die in Freiheit kilometerweit schwimmenden Fische sich in Gefangenschaft fortpflanzen. Rettet das den Thunfisch vor der Ausrottung?

Vielstimmig und mit viel Verve entwirft der Film ein komplexes Bild der wirtschaftlichen und ökologischen Zusammenhänge. Der Regisseur verzichtet dabei auf einen verknüpfenden Kommentar, so dicht gewebt ist das Netz der Aspekte, die die einzelnen Protagonisten ansprechen. Ganz nebenbei erfährt man eine Menge über Globalisierung, das Ökosystem Ozean, Fischfang, Fischzucht und vor allem über den „Porsche des Meeres“ (Thunfisch ist so schnell, schwer und vor allem teuer wie die Nobelkarosse. 2011 wurden 400.000 Dollar für einen Blauflossenthun geboten, 2012 sind es schon über 700.000 Dollar) und sein Schicksal im Kielwasser des Sushi-Booms.

Sushi – The Global Catch ist eine Futomaki-Rolle von Dokumentarfilm: prall gefüllt mit Informationen und Denkanstößen. Handwerklich professionell serviert wird sie mit der gleichen Absicht wie auch We feed the world – Essen global oder auch Food Inc.: Diese Dokumentarfilme geben den Zuschauern ordentlich was zu verdauen, damit sie danach darüber nachdenken, was sie sich mit gutem Gewissen auf den Teller legen wollen.

Sushi - The Global Catch

Schon mal Sushi gegessen? Und, hat’s geschmeckt? Es ist gar nicht so lange her, da war die Frage noch, ob man sich an den Verzehr von rohem Fisch überhaupt heranwagen soll. Sushi und Sashimi als kulinarische Mutprobe für den westlichen Gaumen. Heute muss die Frage eher lauten: Schon wieder Sushi gegessen? Und, ein schlechtes Gewissen dabei?
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Meinungen

Lucy Gold · 07.06.2012

Finde ich generell gut, dass es thematisiert wird. Aber bevor jetzt alle Meeresfrüchte-Esser verdammt werden, sollte man sich bitte an die eigene Nase packen und sich anschauen, was man heutzutage mit angeblich "normal durchschnittlichem" Fleischkonsum anrichtet, indem man Massentierhaltung unterstützt. "Tiere essen" von Jonathan Safran Foer dient da als ein guter Anstoß. Das Thema halte ich persönlich für viel wichtiger und gravierender.
Was nicht heißen soll, dass dieser Film nicht sehenswert ist! Werde ihn höchstwahrscheinlich selbst zu rate ziehen, obgleich ich nicht glaube, dass viel Neues für mich dabei rumkommt.