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Die rebellische Aggressivität des Hip-Hop muss nicht zwangsläufig mit der großen Machopose einhergehen. Sie kann auch feministische Werte propagieren, die lesbische Liebe preisen und für eine offene Gesellschaft eintreten. Damit ist die Rapperin Silvana Imam in Schweden zum Star avanciert.

Silvana (2017)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Eine queere Rapperin reckt die Faust

Hip-Hop gilt als männlich dominierte Musik und der aggressive Sprechgesang vieler Rapper strotzt vor Sexismus. Auch sonst bekleckert sich die beliebte Stilrichtung, wie der Skandal um den Echo-Preis 2018 in Deutschland zeigte, in Gesinnungsfragen nicht gerade mit Ruhm. Es machten sich wiederholt Homophobie und hierzulande auch Antisemitismus in einigen Texten bemerkbar. In Schweden avancierte jedoch 2014 mit Silvana Imam eine queere Feministin zum Star des Musikgenres, die zwei Jahre später sogar bei den nationalen Grammys zum „Artist of the Year“ gekürt wurde.

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In ihrem ersten langen Dokumentarfilm begleiten die schwedischen Regisseurinnen Mika Gustafson, Olivia Kastebring und Christina Tsiobanelis die Rapperin im Verlauf der Jahre 2014 bis 2016. Sie verfolgen ihren kometenhaften Aufstieg, die Schaffens- und Sinnkrise, die der Ruhm nach sich zieht, die Rückkehr auf die Bühne. Auch Silvanas Privatleben hat ihre Funktion als Role Model für viele schwedische Mädchen und Frauen weiter befördert. Sie verliebt sich zu Beginn des Films in die bereits arrivierte Popsängerin Beatrice Eli. Es entsteht eine glückliche Beziehung, die die beiden auch auf der Bühne mit gemeinsamen Auftritten demonstrieren. Das jubelnde Publikum skandiert „Eliman!“, die Fusion der Nachnamen der Künstlerinnen.

Wenn Silvana bei ihren Konzerten, die häufig auf großen Open-Air-Bühnen stattfinden, dazu aufruft, das Patriarchat zu zerschlagen, oder wenn sie Rechtsradikalismus anprangert, klingt ihre Wut sehr echt. In ihre Verse, die ausgesprochen lyrisch sein können, mischen sich eigene Erfahrungen als ausgegrenzte Immigrantin und Lesbe. Sie hat es geschafft, die Rolle des Underdogs künstlerisch ins Gegenteil zu verkehren, in die stolze Radikalität, mit der sie für feministisches und lesbisches Selbstbewusstsein von Mädchen und Frauen eintritt. Damit trifft sie offenbar auf ein ausgeprägtes kollektives Bedürfnis, wie die große Begeisterung ihres überwiegend weiblichen Konzertpublikums im Film zeigt.

Wie die Künstlerin selbst erkundet auch das filmische Porträt die Verbindungen zwischen ihrer privaten Persönlichkeit und ihrer Persona. So gerät der Dokumentarfilm zum experimentellen Abenteuer, das sich auch in einem ausgeprägten Stilwillen ausdrückt. Kurze Ausschnitte aus Konzerten wechseln sich ab mit Backstage-Impressionen, mit Zeitlupen-Aufnahmen, auf denen sich Silvana als wütende Rebellin inszeniert und mit einem Megaphon bewaffnet durch die Straßen zieht. Immer wieder tauchen unvermittelt Szenen aus privaten Videos auf. Silvana spricht aus dem Off Liedtexte ein, einmal erzählt sie ihrer Lebensgefährtin Beatrice, dass sie als Kind ein Junge sein wollte und sich die kurzen Haare schließlich nur wachsen ließ, um von Gleichaltrigen akzeptiert zu werden. Ein wiederkehrendes Video zeigt Silvana als Kind zu Besuch in Litauen, der Heimat ihrer Mutter. Dorthin begleiten die Regisseurinnen Silvana ebenfalls im Jahr 2015.

Ihre multikulturelle Identität ist wegen des Vaters auch syrisch geprägt. Auf der Bühne prangert Silvana wiederholt den Krieg und das Elend der syrischen Geflüchteten an, wie auch die Gleichgültigkeit und Abschottungstendenzen der schwedischen Gesellschaft. Einen zentralen Raum nimmt im Film jedoch die Beziehung zu Beatrice Eli ein. Private Amateuraufnahmen, auch von Silvana selbst gefilmt, zeigen sie im trauten Zweiergespräch. Nachdenklich thematisieren sie ihr Verhältnis zum eigenen Körper und die Herausforderung, sich von einengenden Schönheitsidealen zu befreien. Auch in dieser Halbintimität bewahren die beiden Sängerinnen ihr Publikum und die Absicht im Hinterkopf, emanzipatorisch zu wirken.

Nachdenklich wird der Ton auch in der großen Krise, die Silvana zum temporären Rückzug zwingt. Voller Zorn spottet sie über die immer gleichen journalistischen Fragen und Etikettierungen, die sie erlebte, über das Podest, auf das sie gehoben wurde. Das Image der Stärke, das sie selbst gepflegt hatte, ist ihr längst suspekt, ja unsympathisch geworden. Diese junge Künstlerin ringt mit sich selbst und mit dem Dilemma, trotz Starkults noch echt und authentisch sein zu wollen.

So ist dieses Porträt von einer großen Dynamik geprägt. Silvanas persönliche und künstlerische Selbstfindung gleicht einer Reise, die nicht abgeschlossen ist. Entsprechend flüchtig, impressionistisch wirken die vielen, auf den Moment zentrierten Aufnahmen und ihre unruhige Zusammenstellung. Doch sphärische Klänge, Zeitlupenaufnahmen, Nebeleffekte signalisieren auch reflexive Distanz, als suche der Film nach einer Wahrheit, die sich hinter den rauschhaften Eindrücken verbirgt. Silvanas Glaubwürdigkeit als Künstlerin hängt mit ihrer komplexen Identität zusammen und mit der Sensibilität, die sich zur kampflustigen Haltung gesellt.

Silvana (2017)

In ihrer Heimat Schweden und in Skandinavien ist die Rapperin Silvana Imam längst ein echtes Phänomen geworden, das die Massen begeistert. Ihre harten und kompromisslosen Raps gegen jede Form der Unterdrückung und Ausgrenzung haben ihr dort einen Kultstatus eingebracht. Doch irgendwann bricht sie unter dem Druck, immer eine starke Frau sein zu müssen, zusammen. 

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