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Writer-Director Danny Strong zeichnet die Entstehung des Romans „Der Fänger im Roggen“ nach – und liefert einen allzu traditionellen Film, statt sich vom Pioniergeist J. D. Salingers mitreißen zu lassen.

Rebel in the Rye (2017)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Auf den Spuren von Holden Caulfield

Holden Caulfield – der verstörte und zutiefst sarkastische, jugendliche Protagonist aus J. D. Salingers Roman Der Fänger im Roggen (1951) – ist in seiner Aversion gegen die Verlogenheit der Welt eine generationenübergreifende Identifikationsfigur. „Rebel in the Rye“ zeigt, wie der Autor seinen adoleszenten Helden und dessen Geschichte erschuf.

Danny Strong, bekannt als Schauspieler aus Buffy – Im Bann der Dämonen oder Gilmore Girls sowie als Co-Creator der Serie Empire, hat für sein Langfilmdebüt als Regisseur die von Kenneth Slawenski verfasste Biografie J. D. Salinger: A Life (deutscher Titel: Das verborgene Leben des J. D. Salinger) adaptiert und konzentriert sich dabei auf die Entstehung jenes Werks, das dem Schriftsteller eine plötzliche Art von Ruhm bescherte, die diesem bald schon äußerst unheimlich wurde.

Nach einem kurzen Einblick in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in welcher Jerry Salinger (Nicholas Hoult) in einer Psychiatrie mit zitternder Hand in einem Brief mitteilt, dass Holden Caulfield bedauerlicherweise tot sei und er nicht wisse, was ihn jetzt noch retten solle, lernen wir den angehenden Literaten im Jahre 1939 als jungen Mann in New York City kennen, der sich in Jazz-Clubs herumtreibt und mit Frauen flirtet. Sein Vater Sol (Victor Garber) will, dass Jerry etwas Vernünftiges aus seinem Leben macht; seine Mutter Miriam (Hope Davis) setzt sich indes für ihn ein, als er mit der finanziellen Unterstützung seiner Eltern Schriftstellerei studieren möchte.

So landet Jerry schließlich an der Columbia University im Kurzgeschichten-Seminar von Whit Burnett (Kevin Spacey), dem Herausgeber des Story-Magazins, der zu seinem Mentor wird. Er lernt durch Burnett, dass ein literarischer Text kein Bild des eigenen Egos sein sollte – und dass es vonnöten ist, als Autor Absagen hinzunehmen. Burnett veröffentlicht eine Kurzgeschichte von ihm; in Jerry reift derweil die Idee zur Figur Holden Caulfield. Nachdem der renommierte New Yorker Interesse daran bekundet hat, einen Text, in welchem Holden erstmals auftritt, abzudrucken, ändern die Kriegsgeschehnisse jedoch rasch wieder alles.

In diesem ersten Abschnitt ist Rebel in the Rye ein solide umgesetztes Zeitstück und Biopic: Die Ausstattung wirkt etwas klinisch, die Kameraaufnahmen von Kramer Morgenthau sowie die Dialoge des von Strong geschriebenen Skripts muten recht konventionell an. Nicholas Hoult – der, angefangen als verschrobener Knabe in About a Boy (2002) über die Teenagerjahre in den ersten zwei Staffeln der Serie Skins (2007/2008) bis hin zu Rollen in Arthouse-Werken (etwa A Single Man, 2009) sowie Großproduktionen (darunter die X-Men-Reihe), auf der Leinwand beziehungsweise dem Bildschirm erwachsen wurde – verkörpert Salinger indes mit Hingabe.

Sowohl die Szenen zwischen Dozent und Student als auch die zwischen dem unnachgiebigen Autor, der keine Änderungen an seiner Arbeit hinnehmen will, und der duldsamen Agentin Dorothy Olding (Sarah Paulson) leben vom gelungenen Zusammenspiel; die Liebesbeziehung zwischen Salinger und Oona O’Neill (Zoey Deutch) – der Tochter des Dramatikers Eugene O’Neill –, welche ein jähes Ende findet, als die junge Frau unter extremer medialer Aufmerksamkeit zur vierten (und letzten) Gattin des deutlich älteren Kino-Stars Charles Chaplin wird, wird hier erfreulicherweise nicht melodramatisch ausgewalzt.

Dennoch muss man als Zuschauer_in feststellen, dass dieser Film, der von einem Mann erzählt, welcher „nicht wie alle anderen schreiben“ und eine neue Literaturform erschaffen will, entschieden zu klassisch daherkommt. Es bereitet Vergnügen, etliche kleine Hinweise auf die Entstehung von Der Fänger im Roggen im Laufe der Handlung zu entdecken (etwa wenn Salinger einen Mann fragt, wo die Enten aus dem Central Park im Winter bleiben); für ein eigenständiges Kunstwerk ist das allerdings zu wenig – und einem Ausnahmekünstler wie J. D. Salinger wird das kaum gerecht.

Für Momente der literarischen Inspiration fallen Strong in erster Linie die gängigen, mit Musik dynamisierten Montagesequenzen ein, in denen die Hände des Schriftstellers flott über die Tasten der Schreibmaschine fliegen – und auch die Bilder der kreativen Blockade setzen sich aus den üblichen, leeren Blicken und Verzweiflungsgesten zusammen.

Die Kriegsepisode sowie die posttraumatische Belastungsstörung werden als Stationen ebenso abgehakt wie Salingers erste Ehe mit der Ärztin Sylvia (Anna Bullard), die einen einzigen Satz sagt, ehe sie ohne Erklärung wieder aus der Narration verschwindet, oder die zweite Ehe mit der schlagfertigen Claire (Lucy Boynton), die sich auf ein Leben mit ihrem Mann außerhalb der Stadt in New Hampshire einlässt, wo sich Salinger ausschließlich der Meditation und dem Schreiben widmet, aber nichts mehr publizieren und sich den Menschen gänzlich entziehen möchte.

Das Experimentellste an Strongs Werk ist, dass die Figuren äußerlich nicht altern: Hoult und die übrigen Cast-Mitglieder verändern sich in ihrer Erscheinung nicht, obwohl der Plot mehrere Dekaden umfasst. Etwas mehr Mut und Eigensinn hätte Rebel in the Rye auch in anderen Bereichen gutgetan; so bleibt im Endeffekt ein schön anzusehender, in der Hauptrolle sehr engagiert gespielter Film, der als Making-of eines epochalen Romans beziehungsweise als origin story der juvenilen Rebellenfigur Holden Caulfield zu unterhalten vermag.

Rebel in the Rye (2017)

Der Film erzählt vom Leben des zurückgezogen lebenden, berühmten Schriftstellers J.D. Salinger, dessen Buch „Der Fänger im Roggen“ ihm weltweit Ruhm einbrachte.

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