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Daryl Hannah mixt in ihrem Regiedebüt Western-Motive mit Konzert- und Naturaufnahmen. Aber gelingt das durchaus experimentelle Genre-Konglomerat?

Paradox (2018)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Musik, Nonsens und Natur

Als Schauspielerin ist die 1960 geborene Daryl Hannah seit diversen Dekaden auf der Leinwand sowie auf dem Bildschirm präsent – sei es als Replikantin in „Blade Runner“ (1982), in „The Gingerbread Man“ (1998), „Kill Bill“ (2003) oder der Science-Fiction-Serie Sense8 (2015-2018). Mit „Paradox“ liefert sie nun ihr Langfilmdebüt als Regisseurin und Drehbuchautorin; im Abspann wird sie als Auteur geführt.

Das Werk feierte seine Premiere auf dem South by Southwest Film Festival 2018, ehe der Streaming-Dienst Netflix die internationale Distribution übernahm. Es handelt sich weniger um eine narrative Arbeit als vielmehr um eine Bewegtbild-Collage mit Spielszenen – ein Mix aus reduziertem Zukunftswestern, Konzertfilm und audiovisueller Naturbetrachtung. Beworben wird Paradox als „a loud poem“.

Die (Rahmen-)Handlung ist in einer kommenden Zeit angesiedelt, welche aber in weiten Teilen eher wie die Vergangenheit anmutet. Eine Gruppe von männlichen Outlaws versteckt sich im Nirgendwo in den Bergen – unter ihnen der „Mann mit dem schwarzen Hut“ (Neil Young) sowie die Brüder „The Particle Kid“ und „Jailtime“ (Micah und Lukas Nelson, Söhne von Willie Nelson). Das Dasein der Männer wird von Monotonie und von kindlichem Unfug bestimmt; darüber hinaus begibt sich die Truppe immer wieder auf die Suche nach Schätzen – und findet zumeist Elektroschrott, etwa ein unmodernes Mobiltelefon, einen Monitor oder eine Tastatur.

Daryl Hannah und ihr Kameramann Adam Vollick fangen dieses ziellose Treiben konsequenterweise ziemlich unfokussiert ein. Das Schauspiel aller Beteiligten wirkt laienhaft, die mit derben Sprüchen angereicherten Dialoge kommen improvisiert daher und die Cowboy-Kluft der Männer mutet an, als stamme sie aus einem Vintage-Kostümverleih vom Hollywood Boulevard. Einnehmender als diese Nonsens-Passagen sind die dynamischen Aufnahmen der Umgebung; hier demonstriert Hannah ein Gespür für starke, wenn auch manchmal allzu gewollt symbolträchtige und pittoreske Bilder.

Reizvoller wird es, wenn sich die Outlaws auf den Weg durch den Wald machen und schließlich ein Konzert geben. Dabei geschieht zweierlei: Zum einen wird hier echtes Konzertmaterial des Folkrock-Bandprojekts Young + Promise of the Real einmontiert – und zum anderen beginnen einige Figuren, die sich mit Seilen am Boden festgebunden haben, zu schweben. Auch in diesen Momenten des Abhebens und Fliegens zu rockigen Klängen gelingen Hannah und Vollick eindrückliche Einstellungen, die jedoch vermutlich im Rahmen eines (kürzeren) Musikvideos besser funktioniert hätten.

Auf das Konzert folgt abermals die Ziellosigkeit der Protagonisten und der Erzählung. Die Männer machen weiter Musik am Lagerfeuer; irgendwann taucht eine Frauengruppe in einem riesigen Tourbus auf, um Lebensmittel gegen (vermeintliche) Schätze zu tauschen. Ein Teenager wird dabei in die Obhut der Männer gegeben – offenbar ist es Zeit für ihn, nun auch „ein richtiger Mann“ zu werden, und offenbar geht dies nur in einem homosozialen Umfeld.

Diesem durchaus interessanten narrativen Ansatz kommt im weiteren Verlauf der (kaum existierenden) Handlung allerdings keine Rolle mehr zu. Hannah will in Paradox keine Geschichte erzählen, sondern wohl in erster Linie mit Fragmenten spielen. So trifft der Singer-Songwriter Neil Young als „Mann mit dem schwarzen Hut“ an einer Stelle auf seinen Country-Kollegen Willie Nelson: Was als Duell-Situation mit klassischen Motiven beginnt, wandelt sich in einen Bankraub, dem bewusst jegliche Spannung genommen wird, da außer Young und Nelson keine Personen – keine Angestellten, keine Kundschaft – zu sehen sind.

Während sich einzelne Augenblicke in ihrer Umsetzung äußerst souverän ausnehmen, hat Paradox streckenweise eher etwas von einer Stilübung in Sachen Western. Ohne dass dies als Rezeptionsempfehlung verstanden werden soll, entfaltet der Film womöglich eine intensivere Wirkung, wenn man sich in einem ähnlichen Dunst befindet wie die herumalbernden und musizierenden Figuren. Den psychedelischen Sog von Werken wie Zabriskie Point (1970) oder Spun (2002) vermag das experimentelle Genre-Konglomerat indes nicht zu erreichen.

Paradox (2018)

In der Zukunft oder vielleicht doch in der Vergangenheit versteckt sich in „Paradox“ eine Gruppe von Ausgestoßenen in völliger Abgeschiedenheit hoch in den Bergen. Der „Mann im schwarzen Hut“, „Particle Kid“ und „Jail Time“ verbringen ihre Zeit damit, Schätze zu suchen und auf den Vollmond zu warten. Denn dieser verleiht ihnen magische Kräfte, erweckt die Musik und die Geister zum Leben. 

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