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Die Liebe ihres Lebens haben sie gefunden, nun wollen Antonio und Paolo heiraten. Aber nicht alle Familienmitglieder unterstützen sie vorbehaltslos … 

My Big Crazy Italian Wedding (2018)

Eine Filmkritik von Eugen Zentner

Schwule Hochzeit im konservativen Italien

Anders als Puoi baciare lo sposo (dt.: „Du kannst den Bräutigam küssen“), wie der Film im Original heißt, suggeriert der deutsche Verleihtitel My Big Crazy Italian Wedding einen Konfliktreichtum, der auf kulturellen Unterschieden beruht. Welcher Streifen dafür Pate gestanden hat, ist mehr als offensichtlich: Joel Zwicks romantische Komödie My Big Fat Greek Wedding aus dem Jahr 2002 wurde zum Welterfolg und überzeugte damals mit viel Witz und überzeichneten, aber liebenswerten Figuren, die ihre griechische Identität in den USA ausleben.

Ähnliche Zutaten enthält My Big Crazy Italian Wedding, nur dass der Culture Clash auf dem Feld der sexuellen Orientierung erfolgt. Regisseur Alessandro Genovesi bricht die gängige Grundkonstellation der romantischen Komödie auf, indem er nicht eine «Boy Meets Girl»-Geschichte erzählt, sondern ein schwules Paar durch Höhen und Tiefen gehen lässt. Wie die beiden sich kennenlernen, daten, ineinander verlieben und sich das erste Mal küssen, bekommen die Zuschauer jedoch nicht zu sehen. Antonio (Cristiano Caccamo) und Paolo (Salvatore Esposito) befinden sich bereits zu Beginn des Films in einer Beziehung. Was sie nun wollen, ist heiraten. Allein daraus lässt sich allerdings kein Konflikt stricken, zumal die beiden Italiener im bunten und toleranten Berlin wohnen. Deswegen schickt sie Genovesi nach Italien zu den eigenen Eltern, aber nicht in eine Stadt, sondern in ein kleines Dorf, wo der liberale Geist noch nicht Einzug gehalten hat.

Der Konflikt zwischen Tradition und Moderne ist im Film alles andere als neu, selbst wenn es um sexuelle Identitäten geht. Heute wirkt er auf der Leinwand ein wenig altbacken und nicht sonderlich ergiebig, wie die Macher während der Stoffentwicklung gemerkt haben dürften. Konservative Gegenspieler, die sich über eine schwule Hochzeit entrüsten und verständnislos den Kopf schütteln, sorgen kaum für Spannung. In My Big Crazy Italian Wedding kommt diese Rolle zudem bloß einer Person zu – Antonios Vater, der als Bürgermeister Werte wie Gleichberechtigung, Integration und Gastfreundschaft predigt, aber nicht akzeptieren kann, dass sein Sohn einen Mann liebt. Damit wäre der Hauptkonflikt auch schon skizziert. Weil der jedoch nicht ausreicht, um das Publikum bei Laune zu halten, reichert Genovesi die Geschichte mit skurrilen Figuren an, die das homosexuelle Paar auf dessen schwerer Mission begleiten sollen.

Allerdings können auch sie die blutleere Handlung nicht retten. Im Gegenteil: Ihr Verhalten ist teilweise so abstrus, dass es schwerfällt, die Fremdscham zu unterdrücken. Da ist zum Beispiel Benedetta (Diana Del Bufalo), Antonios und Paolos Mitbewohnerin in Berlin, die vegan lebt und sofort zum Alkohol greifen muss, als ihr ein erlegtes Kaninchen zum Essen vorgelegt wird. Um weitere Abweichungen von der vermeintlichen Normalität einzubauen, lässt Genovesi darüber hinaus einen schon in die Jahre gekommenen Mann mit Travestie-Vorliebe auftreten. Donato (Dino Abbrescia), so heißt der unglückselige Held, könnte problemlos als schillerndster Sonderling der Filmgeschichte durchgehen. Der Mittfünfziger mit Pinsel-Schnurrbart ist nach Berlin geflohen, weil seine Gattin ihn in Frauenkleidern erwischt hatte. Direkt nach seiner Ankunft stellt sich Donato bei den 3 Freunden als neuer WG-Kandidat vor und erfährt im Kennlerngespräch von den Heiratsplänen in der Heimat, woraufhin er sie flehentlich bittet, ihn mitzunehmen. Der Grund ist so schlicht wie absurd: Er hält es alleine nicht aus.

Das wirkt schon arg konstruiert. Da flieht jemand nach Berlin, um quasi gleich wieder nach Italien zurückzukehren, mit Menschen, die er eigentlich gar nicht kennt. Genovesi ist so sehr damit beschäftigt, das Thema zu bespielen und Konflikte zu erzeugen, dass er jeglichen Sinn für logische Zusammenhänge verliert. Dabei tritt er in jedes Fettnäpfchen, das sich ihm bietet. Kaum ein Klischee wird ausgelassen. Deswegen darf im Ensemble auch die eifersüchtige Ex-Freundin nicht fehlen, die sich aufdrängt und dem Liebespaar heimlich nach Italien folgt, um Antonio unter einem blumenverzierten Balkon den allerletzten Kuss abzutrotzen. Dass Paolo ihn von oben mitbekommt, ist so vorhersehbar wie viele Szenen in dieser schrecklich uninspirierten Komödie.

Immerhin: Das pittoreske Dorf mit mittelalterlichem Flair, in dem sich die bizarren Ereignisse zutragen, bietet herrliche Schauwerte. Wer die burgartige Anlage und die lange, steile Brücke zu ihr im nächtlichen Glanz sieht, wird vermutlich unmittelbar den Wunsch verspüren, das italienische Örtchen aufzusuchen. Dieses Unternehmen ist zumindest eher zu empfehlen als der Film, der am Ende, als wäre er nicht grotesk genug, auch noch in ein Musical ausartet.

My Big Crazy Italian Wedding (2018)

Antonio hat in Paolo endlich die Liebe seines Lebens gefunden — die beiden jungen Italiener leben in Berlin und wollen bald heiraten. Doch wie werden die Familien darauf reagieren? Antonios Mutter akzeptiert die Verbindung, besteht aber darauf, dass dennoch die Traditionen geachtet werden. Paolos Mutter Vincenza hingegen droht die Heirat zu torpedieren.

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