Midnight Special (2016)

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Unheimliche Begegnung der nicht-dritten Art

Was anfangs wie ein Entführungsdrama erscheint, entwickelt sich bei Jeff Nichols schnell zu mehr. Zu einer Melange aus Unheimliche Begegnung der dritten Art und Starman – vielleicht auch E.T. –, erzählt mit der Sensibilität, aber auch der Schwere eines Arthouse-Produkts.

Ein achtjähriger Junge (Jaeden Lieberher) ist entführt worden. Die Täter sind sein Vater Roy (Michael Shannon) und dessen Kumpel Lucas (Joel Edgerton). Nicht nur die Polizei und die Bundesbehörden sind hinter den beiden her, auch religiöse Fanatiker sind ihnen auf den Fersen. Denn der kleine Alton ist ein ganz besonderer Junge. Aus seinen Augen dringen Lichtstrahlen, er kann Satelliten zum Absturz bringen und er weiß Dinge, die ein Achtjähriger nicht wissen sollte. Während die Fundamentalisten glauben, das Jüngste Gericht stehe bevor, sind die Vertreter der Geheimdienste sicher, der Junge sei eine Waffe. Doch wer hat Recht?

Mit Take Shelter — Ein Sturm zieht auf zeigte Nichols, dass er es versteht, den Zuschauer im Unklaren zu lassen, aber zugleich ein Gefühl der Bedrohung aufzubauen, dass extern oder auch intern sein kann. Unterm Strich war es sogar irrelevant, in welche Richtung der Film schließlich ging. Bei Midnight Special ist das ein wenig anders, weil Nichols zwar nach wie vor an Exposition spart und dem Zuschauer Denkarbeit aufzwingt, aber sehr viel stringenter auf ein definitives Ende zuläuft, das kurioserweise wie die dunkle Seite von A World Beyond erscheint.

Man kann das Ende erahnen – spätestens ab dem Moment, da der kleine Alton seinen Begleitern erzählt, was er glaubt, dass er ist –, aber das ändert nichts daran, dass vieles diffus bleibt. Midnight Special entzieht sich der Notwendigkeit einer Erklärung – das ist eine Stärke oder eine nicht zu verzeihende Schwäche, je nach persönlicher Sicht. Will man detailliert erklärt bekommen, was vor sich geht, ist dieser Film frustrierend, kann man damit leben, die eigene Phantasie zu bemühen, erweist sich Midnight Special als Erfolg.

Eine Schwäche ist aber zweifelsohne, dass die Motivation der Figuren nicht in allen Fällen nachvollziehbar ist. Man muss schlucken, dass Alton den Protagonisten etwas zeigt, woraufhin diese ihr Leben ganz und gar auf den Kopf stellen. Das mag bei Adam Drivers Figur noch eher glaubwürdig erscheinen, bei dem von Joel Edgerton gespielten Lucas stellt sich aber schon die Frage, wieso er bereit war, einem Freund, den er ewig nicht mehr gesehen hat, zu helfen, wenn es doch um nichts anderes als eine Entführung geht.

Wirklich gelungen ist die Charakterisierung nur bei Michael Shannon und Kirsten Dunst, die es beide verstehen, den Schmerz von Eltern zu porträtieren, die ihr Kind aufgrund widriger Umstände zu verlieren drohen. Hier erreicht der Film eine Bodenhaftung, die verhindert, dass die Science-Fiction-Handlung je aus dem Ruder läuft.

Midnight Special ist nicht Jeff Nichols‘ bestes Werk, wohl aber ein interessantes, das eine bekannte Geschichte auf ernste und nachhaltig wirkende Art und Weise erzählt, inklusive einiger Sequenzen, die so merkwürdig fremd sind, dass man sich mehr Aufklärung wünschen würde.
 

Midnight Special (2016)

Was anfangs wie ein Entführungsdrama erscheint, entwickelt sich bei Jeff Nichols schnell zu mehr. Zu einer Melange aus „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ und „Starman“ – vielleicht auch „E.T.“ –, erzählt mit der Sensibilität, aber auch der Schwere eines Arthouse-Produkts.

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