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John Glenn war der erste US-Amerikaner im All, Neil Armstrong der erste Mann auf dem Mond. Doch wo sind eigentlich die Frauen in dieser Geschichte?

Mercury 13 (2018)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Männer im All

Zunächst scheint es, als würde „Mercury 13“ von weiteren Hidden Figures in der Geschichte der US-Raumfahrt erzählen. Dr. William Lovelace wurde in den 1960er Jahren von der NASA beauftragt, ein Testprogramm zu entwickeln, mit dem männliche Astronauten auf ihre Tauglichkeit für das Mercury-Programm untersucht wurden. Er kam auf die Idee, diese Tests auf Frauen auszuweiten und lud Geraldyn „Jerrie“ Cobb als erste Probantin ein. Sie bestand alle drei Testphasen, daraufhin wurde das Programm auf weitere Frauen ausgeweitet. Letztlich bestanden 13 der 20 Teilnehmerinnen und wurden unter dem Namen Mercury 13 bekannt. Keine dieser Frauen ist aber jemals ins All geflogen. Vielmehr entschied die US-Regierung, dass Lovelace seine Tests einstellen sollte.

Heather Walsh und David Sington erzählen nun in ihrem Dokumentarfilm Mercury 13 nicht nur die Geschichte dieser Testreihe, sondern weiten ihren Blickwinkel anhand der 13 Frauen auf die Position von Frauen in der Luftfahrt in den 1950er und 1960er Jahren aus. Es ist die Zeit vor der Frauenbewegung. Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, wie in allen Bereichen wird auch in der Luftfahrt propagiert, dass Frauen nun wieder ins Haus zurückkehren und Männer ihre Jobs machen lassen sollen. Viele Pilotinnen werden damit aus dem Berufsfeld gedrängt. Aber nicht alle geben kampflos auf, sondern versuchen weiterhin, ihren Platz zu behaupten. In Interviews mit den noch lebenden Mitgliedern der Mercury 13 und ihren Ehemännern sowie Kindern gelingt es Walsh und Sington, diese Zeit und diese Frauen lebendig werden zu lassen. Sie erhalten ein Gesicht, eine Biographie, außerdem wird versucht, mit nachinszenierten Aufnahmen von Flügen oder auch den Test, die Zeit wieder lebendig werden zu lassen.

Das ist durchaus effektiv und sorgt auch für eine angenehme, engagierte Atmosphäre. Jedoch macht es sich der Film an einigen Stellen ein wenig zu leicht: Der systemimmanente Sexismus hat fraglos eine wichtige Rolle bei der Entscheidung gespielt, weitere Tests für die Frauen nicht zuzulassen. Beispielsweise konnten sie die erforderlichen Nachweise über Jet-Flugstunden nicht erbringen, weil es Frauen nicht erlaubt war, Jets zu fliegen. Auch entlarvt das Verhalten der Männer – namentlich Scott Glenn – die tiefsitzende Überzeugung, dass Frauen dafür nicht geeignet sind, ja, ihr Bestreben noch nicht einmal ernst genommen wurde. Und ohne dass es angesprochen würde, zeigt schon die Riege der weißen Männer, die sich alle ähnlichen sehen, dass nur ein Typ Mann für diese Aufgabe infrage kam. 

Aber Mercury 13 geht allzu leicht darüber hinweg, dass das Programm trotz des irreführenden Namens niemals offiziell von der NASA in Auftrag gegeben wurde oder ein Teil des Mercury-Programms war. Stattdessen wird mehrfach angedeutet, es sei geheim – aber auch das stimmt nicht, vielmehr wurden erste Ergebnisse u.a. auf einer Konferenz in Kopenhagen vorgestellt. Hier soll Spannung auf Kosten von Fakten aufgebaut werden. Darüber hinaus führt der Film nur einen einzigen Grund an, warum diese Frauen nicht Astronautinnen werden konnten: Weil sie Frauen waren. Diese These wäre weitaus standfester gewesen, wenn auch noch andere Gründe, die von HistorikerInnen angeführt werden, wenigstes erläutert worden wären. Dazu gehört beispielsweise, dass die NASA alles auf das Rennen zum Mond konzentriert hat – und deshalb kein Interesse an Tests hatte, sie noch nicht einmal beauftragt hat. 

Diese Ungenauigkeiten sind bedauerlich, da Mercury 13 durch Reinszenierungen einen emotionalen Eindruck vermittelt, was hätte passieren können, wenn beispielsweise eine Frau der erste Mensch auf dem Mond gewesen wäre. Sie wäre eine verehrte, gefeierte Heldin geworden, der Millionen Menschen zujubeln. Die Impulse für die Gleichstellung der Frau wären unermesslich gewesen. Zumal die Frauen in den Tests weitaus besser abschnitten als die Männer. Sie wären physisch nach damaligen Kenntnisstand also nicht nur gleich gut, sondern besser geeignet gewesen. Das diese Ergebnisse ignoriert wurden, ist ignorant und skandalös, 13 Frauen wurde damit die Möglichkeit genommen, Außergewöhnliches zu tun. Und so dauerte es bis ins Jahr 1995, das erstmals eine Frau als Pilotin eines Space Shuttle ausgewählt wurde: Eileen Collins. Und sie hat in öffentlichen Auftritten stets betont, wie wichtig die Vorreiterrolle der Mercury 13 war. 

Mercury 13 (2018)

Nach rigorosen Tests im Jahr 1961 muss eine kleine Gruppe fähiger Pilotinnen ihren männlichen Kollegen weichen, denn für die Raumfahrt werden nur Männer ausgewählt.

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