Fetish Club

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Fetisch, Freiheit, Karneval

Unter den Mengen an DVD-Veröffentlichungen spült der Markt hier und da einmal eine ganz besondere Filmperle an. Diese — Fetish Club — wäre fast verloren gegangen, denn die einzig noch verbliebene 35mm Kopie war stark beschädigt, obwohl der Film erst 1997 veröffentlicht wurde. Dank einer Kickstarter Kampagne, die zu großen Teilen aus der BDSM-Szene finanziert wurde, konnte dieser britische Kultfilm gerettet und digitalisiert werden. Und so landet das bunte Werk nun in der Videothek und bei Amazon und wird wohl so einige Zuschauer überraschen.
Denn auch wenn Titel und Aufmachung es vermuten lassen, Fetish Club ist kein Hardcore- oder gar Softcore-Streifen aus der Fetischszene, sondern eine waschechte britische Komödie à la Grasgeflüster. Nur dass es in diesem Fall eben um BDSM und das Recht auf freie Sexualität geht, und nicht um Marihuana. Der Film ist eine Reaktion auf ein einst prekäres Gerichtsurteil – den sogenannten Spanner Case. Das britische House of Lords kam 1993 zu dem Entschluss, dass Menschen, die einvernehmlich BDSM-Praktiken betreiben, trotzdem nach dem gängigen englischen Strafrecht für Körperverletzung verurteilt werden können. Die Konsequenz dieses Urteils ist bis heute, dass eine Ausübung von sadomasochistischen Praktiken faktisch strafbar ist. Fetish Club greift die politische Sachlage auf und reagiert auf diese Beschneidung sexueller Freiheit in Großbritannien auf humorvolle Weise.

Das „House of Thwax“, eine feste Gruppe herumreisender Fetisch- und BDSM-KünstlerInnen, gastiert in London. Allabendlich lädt die dominante Hausherrin Tanya Cheex (Guinevere Turner) zu großen, exzentrischen Fetischparties ein. Dem britischen Parlamentsabgeordneten Henry Harding (Tom Bell) ist das ein Dorn im Auge. Sein Angestellter Peter (Christien Anholt) soll die Gruppe infiltrieren und inkriminierendes Material sammeln, damit die gesamte Truppe angezeigt werden kann. Während Peter versucht genügend Beweise zu sammeln, wird er allerdings von Tanya unter ihre Fittiche genommen und in die Welt des Sadomasochismus eingeführt. Bald entwickelt sich eine Beziehung zwischen den beiden, die Peter in eine moralische Zwickmühle führt. Was tun? Tanya treu sein und eine Beziehung mit ihr führen oder seine eigene Karriere ins Rollen bringen, indem er sie und ihre Freunde ans Messer liefert? Und warum trägt die Sekretärin seines Chefs eigentlich keine Unterwäsche?

Fetish Club bedarf einer geschichteten Betrachtung: Äußerlich ist es vor allem eine Slapstick-Komödie, die ihren Humor aus der Diskrepanz zwischen „normalen“ Menschen und „Fetisch-Menschen“ bezieht. Da werden eben die submissiven Jungs am nächsten Morgen nackt auf die Straße gestellt und der Milchmann wundert sich. Oder es finden Dialoge statt, wie „Hör auf, Peter Stromstöße zu geben“. Das ist mal mehr, mal weniger lustig und funktioniert nur bedingt im Jahre 2014. So gesehen ist der Film ein Kind seiner Zeit und nicht allzu gut gealtert. Spannender ist da die dem Film eingewebte politische Komponente, die versucht, auf viele verschiedene Arten klarzumachen, dass es solch eine strikte Einteilung in moralisch gute Menschen und Perverse nicht gibt. Denn wieso ist ein Abgeordneter, der früher als Schuldirektor mit großem Vergnügen Jungs den Hintern versohlt hat, moralisch erhabener als zwei Sadomasochisten, die ihre Sexualität einvernehmlich ausleben?

Die beste Art Fetish Club zu sehen, ist wohl den Film als ein Stück politische Filmgeschichte zu betrachten, als Kultfilm der späten 1990er Jahre, der in seiner Aussage noch immer Bestand hat. Ein Sehvergnügen ist er allemal: vor allem die Clubsequenzen sprühen nur so vor künstlerisch-exzentrischen Momenten, überbordenden Kostümen und einer Ausstattung, die Fetisch mit Kunst und Fantasie verknüpft. Hier, wo sich die Szene von damals vor der Kamera ausstellt, finden sich die wahrlich starken Momente des Filmes wieder. Der Karneval wird gelebt, ganz wie Michail Bachtin es einst beschrieben hat. Nur mit einem Unterschied: die bunten Grenzüberschreitungen sind keine einfache Maskerade, sondern Ausdruck nach dem Wunsch frei über die eigene Sexualität bestimmen zu können.

Fetish Club

Unter den Mengen an DVD-Veröffentlichungen spült der Markt hier und da einmal eine ganz besondere Filmperle an. Diese — „Fetish Club“ — wäre fast verloren gegangen, denn die einzig noch verbliebene 35mm Kopie war stark beschädigt, obwohl der Film erst 1997 veröffentlicht wurde. Dank einer Kickstarter Kampagne, die zu großen Teilen aus der BDSM-Szene finanziert wurde, konnte dieser britische Kultfilm gerettet und digitalisiert werden. Und so landet dieses bunte Werk nun in der Videothek und bei Amazon und wird wohl so einige Zuschauer überraschen.
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