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Zwischen Weimar und Jena ist Apokalypse. Deutschland ist untergegangen, versunken in einer Armee von Zombies. Nur wenige leben noch. Carolina Hellsgårds Endzeit belebt die Untoten durch neue, mit Frauen bestückte Ideen wieder.

Endzeit (2018)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Das Ende der Menschen, der Anfang der Frauen

Wenn man in einem Zombie-Apokalypsen-Film den Satz hört „Das ist nicht das Ende, das ist erst der Anfang“, dann ist das kein gutes Zeichen. In Carolina Hellsgårds Endzeit aber schon, denn ihr Zombiefilm ist keiner der üblichen Sorte. Das geht schon einmal damit los, dass in diesem sonst stark von Männern bestimmte Genre bei diesem Film vor und hinter der Kamera Frauen sind.

In Weimar und Jena leben die letzten Menschen jeweils hinter Mauern, die stark an den Kalten Krieg erinnern – und an die neuen Mauern, die Geflüchtete aus Europa heraushalten sollen. So auch Vivi (Gro Swantje Kohlhof), die völlig traumatisiert von der Zombie-Apokalpyse ist, und Eva (Maja Lehrer), eine eher pragmatische und noch dazu nicht zimperliche Zombiekillerin, die das Beste aus der Situation macht. Beide kennen sich nicht, finden sich aber bald gemeinsam auf der Flucht wieder. Sie wollen nach Jena, wo man nach einem Zombie-Gegenmittel forscht und, so heißt es, man als Überlebender etwas menschlicher behandelt wird als in Weimar. Versteckt in einem Versorgungszug, der beide Städte verbindet, soll es in die andere Stadt gehen, doch der Zug bleibt im ostdeutschen Niemandsland stecken. Nun sitzen die beiden jungen Frauen mitten in der Zombie-Hölle fest.

Endzeit spielt gekonnt mit den Erwartungen an das Zombiehorrorgenre, hat aber – Gott sei Dank – keine Lust, ein weiterer klassischer Eintrag in dessen Geschichte zu werden. Vielmehr changiert der Film zwischen Zombieapokalypse, Gothic Horror und Folklore hin und her und erarbeitet eine nervenzerreibende und zugleich traurige Geschichte, die 3, nicht 2 Hauptfiguren kennt. Denn neben Vivi und Eva ist da noch die Natur, die eine große Rolle spielt. Ihre Schönheit, gern getaucht in gelb-orangenes Licht, ist umwerfend schön, und die Ruhe, die sie ausstrahlt, ist so ehrlich wie auch trügerisch. Durch die Wälder und Wiesen ziehen nicht nur die beiden Frauen, sondern auch eine Menge Zombies. Beide scheinen hier doch sehr fehl am Platz.

Bei Carolina Hellsgård ist es ebenfalls eine Virusinfektion, die Menschen zu Untoten macht. Doch mit dem Fakt des Untotsein kommt ja auch immer eine existenzialistische Fragestellung daher. Hellsgård hat hier eine klare Antwort und die ist so überraschend, wie überzeugend. In einer Begegnung der folkloristischen Art treffen Eva und Vivi auf ein Wesen, halb Mensch, halb Pflanze (Trine Dyrholm), das, im Gegensatz zu allen anderen untoten oder lebendigen Menschen, völlig im Einklang mit sich ist. Dieses Wesen ist es, das vom Anfang, nicht vom Ende spricht. Es zieht in Endzeit eine kontemplative Ebene ein, die unseren sonstigen Blick auf uns selbst und die Erde radikal in Frage stellt. Was, wenn wir doch nicht die Herrscher über Himmel und Erde sind, für die wir uns halten? Was, wenn die Natur, die ja auch uns einst geschaffen hat und die wir mit Füßen treten und tagtäglich vernichten und vergiften, doch die Oberhand hat und auch die Möglichkeit, sich unserer zu entledigen?

Genau diese Idee spielt Endzeit durch und das nicht umsonst aus einer rein weiblichen Sicht, die quasi zwei junge Frauen auf den Weg alter, göttlicher und vor allem feminin verorteter Weisheiten zurückführt. Beide Figuren bilden gegensätzliche Enden des Spektrums von „Weiblichkeit“ ab. Vivi ist die fragile damsel in distress, die Rettung sucht und sich in ihre psychopathologische Gegenwehr zurückzieht, anstatt sich mit der Situation auseinanderzusetzen. Was Vivi jedoch nicht bemerkt: der Wunsch zu sterben und sich meucheln zu lassen, ist eben auch einer, in dem Stärke steckt. Vor allem, weil Vivi noch dazu ihre Empathie für alles Lebende (na ja, und auch manchmal Untote) nicht verloren hat. Eva wiederum ist abgehärtet, sie ist eine harte Frau, eine Kämpferin, fast schon, was man so doof als „Mannsweib“ beschreiben würde. Ihre Stärke ist zu ihrem Gefängnis geworden, aus dem sie nicht mehr herausfindet. Was bedeutet also Mensch sein und spezifischer Frau sein in solch einer Welt und in solchen Umständen? Genau dies sucht der Film zu beantworten. Wer hätte gedacht, dass solche existenziellen Fragen ausgerechnet mit Hilfe von Zombiehorden ihre Antworten suchen. Noch dazu, wenn auch diese Zombies sich der klassischen Verankerung des Genres entziehen. Zwar verroten sie und lechzen nach Fleisch und Blut, doch sie befinden sich auch im Wandel. Auf ihnen, nein, in ihnen wachsen Pflanzen und Moos. Sie sind in ihrer Genese, im Sinne der Natur, noch längst nicht angekommen. Im Gegenteil, ihr Platz in der Zukunft ist noch nicht klar, sie sind ein Zwischenstadium zu – ja, zu was eigentlich?

Egal, was es ist und was es werden wird, Endzeit vermag das Publikum mit seinen Fragen und folkoristischen Metaphern nicht nur zu unterhalten, sondern ihm Stück für Stück auch den Grandiositätskomplex zu nehmen, dem wir alle als Menschen aufgesessen sind. Und wie oft kommt man schon aus einem Zombiefilm und fragt sich, ob man wirklich auf diese Erde gehört oder man nicht selbst, als Mensch und als Menschheit gesamt, der Fehler in der Matrix, das Krebsgeschwür der Natur sind?

Endzeit (2018)

Zwei Jahre nachdem Zombies die Erde überrannt haben, sind die deutschen Städte Weimar und Jena dank eines Schutzzauns die vermutlich letzten Orte menschlicher Zivilisation. „Endzeit“ folgt zwei sehr unterschiedlichen jungen Frauen, Vivi und Eva, die  — als sie sich schutzlos zwischen den beiden Städten auf freiem Feld wiederfinden — wohl oder übel gemeinsam den Kampf gegen die Untoten aufnehmen müssen. 

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Meinungen

Ela · 05.08.2022

Schade, durch die schrecklich schlechte Aussprache versteht man nicht alles. Das ist sehr schade weil mir der Film sonst gut gefällt.

Sabine · 12.11.2020

Wie ist dieser Film an mir vorbei gegangen? Ich verfolge Olivia Vieweg, die Autorin des Comics schon seit 16 Jahren... (also Ihre Comics :D)

Rainer · 23.03.2020

Der Film am sich ist gut gemacht und die beiden Frauen sind jede auf Ihre Art und Weise starke aber auch verletzliche Persönlichkeiten. Wenn man bedenkt, das es von Weimar nach Jena eigentlich ein Katzensprung ist, haben die Filmemacher extrem in die geografische Trickkiste gegriffen..zu mindestens erkenne ich das Viadukt bei Lichte wieder und die Talsperre ist auch weit weg von Weimar oder Jena..aber das soll ja auch nicht der Anspruch dieses Films sein..ansonsten sehenswert..

René · 14.04.2020

schonmal ca. 20km unter diesen umständen zu fuß, mit pausen und in kurzer zeit bewältigt...?

Sabine · 28.08.2019

Bitte nicht vergessen, auch Olivia Vieweg, die Autorin des Originalcomics, auf dem der Film beruht , ist weiblich! :)

Epple · 09.04.2019

Wann und wo kann man den Film anschauen bzw.kaufen. Danké