Eddie: The Sleepwalking Cannibal

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Wenn die Muse Fleisch frisst…

Für die Kunst zu töten, ist ein mehr als abstraktes Konzept. Es lebt von der Annahme, dass Kunst wertiger ist als das Leben, zumindest aber überdauernder. Der Tod holt jeden, doch wahre Kunst überlebt (fast) alles. In Eddie: The Sleepwalking Cannibal geht es um hehre Kunst, die erst durch den Tod anderer möglich wird. Das Paradoxe dabei? Als Zuschauer bekommt man die Meisterwerke, die vom Tod inspiriert wurden, gar nicht erst zu sehen. Sie entstehen lediglich im Kopf des Betrachters.
Die dänisch-kanadische Ko-Produktion, die von einer herrlich skurrilen Grundstimmung getragen wird, eröffnet damit eine Metaebene, durch die der Zuschauer in die Position des Blutkünstlers gedrängt wird. Indem man sich ausmalt, was der Künstler wohl malt, nimmt man ebenso wie er die Taten des Kannibalen als Inspiration an.

Der erfolgreiche Maler Lars (Thure Lindhart) hat seit zehn Jahren kein Gemälde mehr erschaffen. Er zieht von Dänemark nach Kanada, um im kleinen Ort Koda Kunstunterricht zu erteilen. Einer seiner Schüler ist der stumme und etwas zurückgebliebene Eddie (Dylan Smith), dessen Tante als Mäzen die Schule am Laufen hält. Als sie stirbt, erklärt Lars sich bereit, Eddie bei sich aufzunehmen. Schon in der ersten Nacht muss er feststellen, dass Eddie schlafwandelt. Dabei jagt er kleine Tiere und frisst sie, doch schon bald macht Eddie Jagd auf Menschen – und Lars merkt, dass das Blut und der Tod um ihn herum ihn endlich wieder inspirieren.

Die Idee, dass Kunst durch den Tod angefacht wird, ist im Horror-Genre nicht neu. Vincent Price erschuf 1953 in Das Kabinett des Professor Bondi Wachsfiguren aus lebenden Vorlagen, Roger Corman ließ 1959 seinen Beatnik Walter Paisley in Das Vermächtnis des Professor Bondi ähnliches tun, und Hershell Gordon Lewis bereitete das Sujet 1965 mit Color Me Blood Red als Splatterfilm auf. Davon ist Eddie: The Sleepwalking Cannibal weit entfernt. Er atmet eher die prickelnde Luft Coen’scher Verstiegenheit, ohne je ganz die großen Vorbilder zu erreichen. Aber alleine der Versuch ehrt und verleiht dem Film Präsenz, die ihn aus dem Genre-Gros hervorstechen lässt.

Die interpersonellen Beziehungen hätten noch etwas stärker ausgebaut werden können, aber auch in dieser Form gelingt es Eddie: The Sleepwalking Cannibal, mehr als eine Tragikomödie denn als Horrorfilm zu reüssieren. Er ist in keinem Moment gruselig, aber immer amüsant – und oftmals dergestalt, dass man als Zuschauer Mitleid empfindet. Für den Kannibalen, der nichts für seine Taten kann, für Lesley, deren Liebe zu Lars eine verlorene ist, ja, sogar für Lars selbst, der zwar Eddie aus- und als Mordinstrument benutzt, aber letzten Endes eine mehr als traurige Gestalt ist. Ein Getriebener, der seiner persönlichen Sucht – dem Malen – verfallen ist und sich einer Beschaffungskriminalität bedient, die ihn seine Seele kostet.

Eddie: The Sleepwalking Cannibal

Für die Kunst zu töten, ist ein mehr als abstraktes Konzept. Es lebt von der Annahme, dass Kunst wertiger ist als das Leben, zumindest aber überdauernder. Der Tod holt jeden, doch wahre Kunst überlebt (fast) alles. In „Eddie: The Sleepwalking Cannibal“ geht es um hehre Kunst, die erst durch den Tod anderer möglich wird.
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