Alles eine Frage der Zeit

Eine Filmkritik von Festivalkritik Locarno 2013 von Beatrice Behn

Zeitreisen auf die feine Art

Zeitreisen faszinieren uns. Die Möglichkeit, Missgeschicke ungeschehen zu machen oder die ein oder andere kritische Entscheidung anders zu fällen, scheinen der Schlüssel zum Glück zu sein. Oder auch der Schlüssel zur Liebe! Das jedenfalls geht Tim (Domhnall Gleeson) als erstes durch den Kopf, als sein Vater ihm offenbart, dass die Männer seiner Familie mit dem Erreichen des 21. Lebensjahres die Fähigkeit entwickeln, in die Vergangenheit zu reisen. Doch je mehr Tim mit dieser Gabe experimentiert, desto mehr verliert er sich in den alternativen Realitäten, denn selbst mit einer Zeitreise ist es nicht möglich, an verschiedenen Orten gleichzeitig zu sein. Stattdessen müssen Entscheidungen getroffen werden. Wenn Tim das Theaterstück seines Freundes Harry (Tom Hollander) rückwirkend zum Erfolg macht, kann er nicht gleichzeitig das Restaurant besuchen, in dem er die Frau seines Lebens kennenlernt. Doch der Sprung in die Vergangenheit dient nicht nur derartigen Meilensteinen, sondern manchmal auch einfach nur dazu, einen schönen Moment noch besser zu machen.
Die sexistische Prämisse, dass das „Zeitreise-Gen“ nur an Männer vererbt wird, mal außen vor gelassen, verleiht die Selbstverständlichkeit und Einfachheit, mit der Tim sich in die Vergangenheit begibt, Alles eine Frage der Zeit einen besonderen Witz. Da gibt es kein kompliziertes Ritual, das ausgeführt werden muss, keinen Regelkatalog oder festgelegte Sternenkonstellationen, die das Wunder ermöglichen. So unprätentiös wie in Alles eine Frage der Zeit ist selten ein Leinwandcharakter in der Zeit gereist. Hierdurch tritt der Akt selbst in den Hintergrund und macht die Bühne frei für die wichtigeren Fragen. Dass Tim nicht eine Sekunde darüber nachdenkt, seine Gabe dem Wohl der Allgemeinheit zu widmen oder berühmten Persönlichkeiten nachzusteigen, zeigt einmal mehr, dass es in Alles eine Frage der Zeit, anders als der Titel es vermuten ließe, gar nicht um das Zeitreisen geht. Doch worum geht es dann?

Regisseur und Drehbuchautor Richard Curtis erzählt seine Geschichte nicht sonderlich linear. Es gibt keinen zentralen Konflikt, den Hauptfigur Tim lösen muss, kein bestimmtes Ziel, dass der Held erreichen möchte. Vielmehr geht es um die vielen kleinen Probleme, die das Leben bereithält. Auch wenn der Protagonist zu Beginn des Films bereits 21 Jahre alt ist, handelt es sich bei Alles eine Frage der Zeit im Grunde um eine Coming-of-Age-Story, nur eben nicht der Teenager-, sondern der Ü-20 Generation. Tim nimmt von seinem Elternhaus Abschied, er verliebt sich, gründet eine Familie. Er muss Prioritäten setzen und entscheiden, wann er sich um andere und wann er sich um sich selbst kümmern möchte. Er muss lernen, dass man das Leben nicht reparieren und vor allem nicht anderer Leute Probleme lösen kann. An all diesen Erfahrungen und Lektionen wächst der Protagonist bis er schließlich tatsächlich den Schlüssel zum Glück findet und damit auch uns, dem Kinopublikum, eine Möglichkeit an die Hand gibt, jeden noch so alltäglichen Moment schätzen zu lernen.

Dass die Handlung durch den facettenreichen und nicht zielgerichteten Entwicklungsprozess einen großen Spannungsbogen entbehrt, fällt überraschenderweise kaum ins Gewicht. Mit spritzigen Dialogen und einem ungemein sympathischen wie auch komplexen Helden gelingt es Richard Curtis uns an seine Geschichte zu fesseln. Dabei geht es zuweilen durchaus sentimental zu, doch in Anbetracht dessen, dass die Zeitreisen-Prämisse von Alles eine Frage der Zeit ohnehin nicht rational zu erfassen ist, lässt sich ein wenig Kitsch nicht nur verschmerzen, sondern trägt gar zur Abrundung des Konzepts bei. Die Liebesgeschichte von Mary (Rachel McAdams) und Tim bietet gerade so viel Romantik, dass es auch für Feinde gefühlsduseliger Liebesschnulzen noch erträglich ist. Zudem sorgt der Humor des Konzepts für die notwendige Distanz zu der Geschichte und zeigt, dass sich Alles eine Frage der Zeit selbst nicht allzu ernst nimmt.

Der Film klaut zwar fleißig bei Und täglich grüßt das Murmeltier und Butterfly Effect, sucht sich dabei jedoch genau die richtigen Elemente heraus. „Wir alle reisen jeden Tag gemeinsam durch die Zeit“, erklärt uns Tims Voice-over am Ende des Films. Deshalb, so die Moral dieser Geschichte, ist im Grunde jeder Tag so faszinierend wie eine Zeitreise. Das Glück liegt nicht in der Vergangenheit, es liegt im Moment. Genau jetzt, wenn wir noch etwas benommen den Kinosaal verlassen und uns fest vornehmen, die Welt fortan mit anderen Augen zu sehen.

(Sophie Charlotte Rieger)

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Richard Curtis macht romantische Komödien. Und das inzwischen seit einer Unmenge an Jahren. Nach Bridget Jones, Notting Hill, Tatsächlich…Liebe und so weiter weiß man, was man von ihm geliefert bekommt: britische Komödien, die eher utopisch-romantisch als kitschig-romantisch sind. Romantik bedeutet hier nicht Schmalz, sondern der unverbesserliche Glaube daran, dass die Menschheit gut ist und dass Liebe alles ändern kann. Und so ist es auch in Alles eine Frage der Zeit, nur dieses Mal gewürzt mit einem kleinen bisschen Science-Fiction.

Tim (Domhnall Gleeson) ist rothaarig, schlaksig und eher eigenartig, wenn es um menschlichen Kontakt geht. Und da reden wir noch nicht einmal von Frauen, die er toll findet. Mit denen ist es noch schlimmer. Doch Tim hat Glück, denn zu seinem 18. Geburtstag eröffnet ihm sein Vater (in einer seiner besten Rollen: Bill Nighy), dass es da ein gewisses Familiengeheimnis gibt: alle Männer der Familie können, so sie sich an einen dunklen Ort begeben und die Fäuste ballen, durch die Zeit reisen. Da es sich hier nicht um einen ausgeklügelten Science-Fiction Film handelt, wird das Zeitreisenphänomen inklusive Butterfly-Effekt und anderem Gedöns schlichtweg ignoriert. Es gibt nur zwei Regeln: Man kann nur innerhalb seiner eigenen Lebenszeit reisen – Dinosaurier, Sparta und Hitler töten sind also ausgeschlossen und man sollte, wenn man einmal Kinder hat, nicht vor deren Geburt Unfug treiben, sonst kann es sein, dass man zurückkommt und das Kind ist ein anderes, da schon die kleinste Verschiebung dazu führen kann, dass ein anderes Spermium eher den Eingang findet. Was macht man also nun mit diesem Talent? Wäre dies ein amerikanischer Film, wäre die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich Tim eine Unmenge von Geld besorgt und reihenweise Damen flachlegt. Doch Tim ist Brite und daher sucht er nur die Eine. Mithilfe der Zeitreisen vermag er seine Tapsigkeit zu korrigieren (ein wenig zumindest) und hilft nebenbei auch noch anderen Menschen Fehler zu korrigieren.

Und so reiht sich Alles eine Frage der Zeit nahtlos in die Reihe von Curtis vorherigen Werken ein – alle sind damit beschäftigt, an das Gute im Menschen zu glauben und neben dem romantischen Teil einen kleinen Exkurs in Sachen „wie lebe ich ein gutes und glückliches Leben“ zu versuchen. Das ist furchtbar altmodisch, aber genau deswegen auch gleichzeitig etwas Neues, denn zur Zeit befindet sich Curtis mit dieser menschenfreundlichen, hoffnungsvollen Art relativ allein auf weiter Kinoflur.

Ob man seinen Film als angenehme Auszeit und Auftanken positiver Energien oder als albernen und unrealistischen Quatsch betrachtet, kommt hier wohl ganz stark darauf an, welche Attitüde gegenüber dem Leben und anderen Menschen man hier mit in den Kinosaal hineinträgt. Wer von Apokalypsen, Drama und Zynismus aber erstmal die Schnauze voll hat, der ist hier ganz gut aufgehoben.

(Festivalkritik Locarno 2013 von Beatrice Behn)

Alles eine Frage der Zeit

Zeitreisen faszinieren uns. Die Möglichkeit, Missgeschicke ungeschehen zu machen oder die ein oder andere kritische Entscheidung anders zu fällen, scheinen der Schlüssel zum Glück zu sein. Oder auch der Schlüssel zur Liebe! Das jedenfalls geht Tim (Domhnall Gleeson) als erstes durch den Kopf, als sein Vater ihm offenbart, dass die Männer seiner Familie mit dem Erreichen des 21. Lebensjahres die Fähigkeit entwickeln, in die Vergangenheit zu reisen.
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Meinungen

Petra Telaar · 31.10.2013

Oh wie schön. Da hätte ich Stunden weiterschauen können. Diesen Film werde ich sicher noch oft sehen.

wignanek-hp · 19.09.2013

Ich freue mich auf diesen Film. Er verspricht gute Unterhaltung auf hohem schauspielerischem Niveau. Zeitreise scheint ja im Moment ein heimlicher Hit zu seine, siehe die englische Serie "Misfits" in der diese Kunst zu einer der übersinnlichen Gaben gehört, um die es in dieser fürs Fernsehen außergewöhnlich guten Serien geht. Lief leider nur auf ZDF neo. Die anderen Sender haben sich nicht getraut!