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Informative und persönliche Dokumentation über das Leben, den Alltag und die politische Arbeit des belarussischen Diplomaten Andrei Sannikov, der seit mittlerweile drei Jahrzehnten für ein freies und europäisches Belarus kämpft.

This Kind of Hope (2023)

Eine Filmkritik von Lukas Hoffmann

Europäisches Belarus

Belarus, im Deutschen bis 2021 noch Weißrussland genannt, wird in der Presse und von Politikwissenschaftlern häufig als die „Letzte Diktatur Europas“ bezeichnet. Dieser Umstand ist vor allem auf den seit 1994 autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukashenko zurückzuführen, der bis heute mithilfe von gefälschten Wahlergebnissen, Polizeigewalt und Folter im Amt bleiben konnte. Auch das plötzliche Verschwinden der politischen Konkurrenz gehört zu den Strategien des „letzten Diktator Europas“. Ein Teil der Europäischen Union ist Belarus deshalb weiterhin nicht.

In This Kind of Hope dokumentiert der Schweizer Regisseur Pawel Siczek das Leben von Andrei Sannikov, einem belarussischen Diplomaten und Mitbegründer der Bürgerbewegung Europäisches Belarus. Angefangen mit seiner Tätigkeit als Diplomat, bei der er für die Abrüstung der nuklearen Sprengköpfe in Belarus verantwortlich war – ohne je zu wissen, wie viele sich tatsächlich im Besitz des Staates befanden – führt Siczek chronologisch durch das politische- und zwangsweise damit verbundene Privatleben des Diplomaten: Über seine Kandidatur als Präsident im Jahr 2010, bei der er sich in direkte Konkurrenz zu Lukashenko stellte, seine Gefangennahme bei einem gewaltfreien Protest gegen die Stimmfälschung nach Lukashenkos vermeintlichem Sieg, bis hin zu seiner zwei Jahre darauffolgenden Begnadigung und sein Leben im Exil in England.

Anhand einer ausgewogenen Mischung aus Archivmaterial, historischen sowie aktuellen Presseinterviews und privaten Aufnahmen aus seiner Wohnung im Exil zeichnet er ein umfängliches Bild von Sannikov und seinem moralischen Wertekompass. Freiheit, Familie und Heimat sind für ihn die wichtigsten Werte im Leben und der inhärente Antrieb für jede seiner Handlungen und Aussagen als Diplomat, Ehemann und Vater.

Untermalt werden diese Einblicke in Sannikovs berufliche Lebensgeschichte von David Langhards (a.k.a. Admiral James T.) intensivem und spannungserzeugenden Soundtrack, der aber zu keinem Zeitpunkt aufdringlich oder beeinflussend wirkt. 2023 gewann er mit diesem beim DOK.FEST in München den Dokumentarfilm-Musikpreis.

Inszenatorisch wagt Siczek keine Kunstgriffe, sondern hält sich in seiner Regiearbeit zurück und porträtiert Sannikovs Lebenswerk nüchtern, aber nicht distanziert. Auf die in modernen Dokumentationen inflationär verwendeten Talking Heads-Einstellungen verzichtet er nahezu gänzlich, das durchgängig präsente Voice-Over wurde von Andrei Sannikov selbst eingesprochen.

 Auf diese Weise lässt er der im Mittelpunkt stehenden Lebensgeschichte Sannikovs und seinem Aktivismus den nötigen Raum und verleiht den Zuschauer*innen gleichzeitig das Gefühl, alle aufgearbeiteten Informationen aus erster Hand zu erhalten. Gefilmte Gespräche zwischen ihm, seinem Sohn und seiner Frau fühlen sich daher nie unangemessen oder wie ein Eingriff in die Privatsphäre an. Vielmehr sind sie notwendig, um zu zeigen, wie groß der Einfluss von Lukashenkos Regierung und Andreis Arbeit auf das Privatleben der Familie ist, selbst nach dem Umzug nach England.

This Kind of Hope ist ein unschätzbar wichtiger Film. Ein zeitgeschichtliches Abbild von dem, was sich in den letzten 30 Jahren in Belarus verändert oder eben nicht verändert hat und zugleich ein Weckruf an Europa endlich hinzuschauen. Genauso sehr wie ein Porträt von Sannikovs Aktivismus als Blick durch seine Augen ist der Film ein wichtiger Teil von Aktivismus selbst: Eine Aufarbeitung und ein Aufruf zugleich. 

 

This Kind of Hope (2023)

Diplomatie ist Andrei Sannikovs Leben. Als Spitzendiplomat rüstete er eines der weltweit gefährlichsten Atomwaffenarsenale ab, heute kämpft er um die Rückkehr einer verlorenen Demokratie.

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