The Bleeder

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Aufstieg und Fall

„Sie kennen mich, Sie wissen es nur noch nicht“, sagt Chuck Wepner (Liev Schreiber) gleich zu Beginn des Films. Bis man herausfindet, woher man den Boxer mit dem Spitznamen The Bleeder kennt, wird das erste Drittel von Chuck vergangen sein. Aber mit diesem Satz ist das Grunddilemma des Boxers Wepner beschrieben: Er will Anerkennung und Ruhm, nicht nur von Familie und Freunden, nein von der ganzen Welt.
Diesem Traum jagt er hinterher und verliert dabei aus dem Blick, was er eigentlich in seinem Leben schon hat. Aufgewachsen in Bayonne in New Jersey entdeckt er für sich recht früh sein Talent: Egal, wie sehr man auf ihn einschlägt, er fällt nicht um. Und im Zweifel kann er auch kräftig zurückschlagen.

Das müssen in seiner Kindheit zunächst einmal zwei fiese Schulkameraden herausfinden, die versuchen, ihm seinen neuen Ball abzunehmen. Später finden es seine Gegner im Boxring heraus. Wepner arbeitet sich als Underdog in die Top-Ten-Liste der Schwergewichtskämpfer hoch. Nachdem Muhammed Ali seinen Titel in Zaire geholt hat, will er gegen ihn antreten. Für Wepner geht ein Traum in Erfüllung. Später wird Sylvester Stallone sich von Wepners Geschichte zu seinem Drehbuch für Rocky inspirieren lassen. Und auch das wird Wepner noch etwas mehr in seinem Höhenrausch beflügeln. Doch seine Familie zerbricht immer mehr auf seinem Ego-Trip.

Aus dieser Geschichte hätte der kanadische Regisseur Philippe Falardeau sehr viel herausholen können. Er entschied sich aber leider dafür, seinen Film Chuck als zeitlich lineares Biographie-Drama anzulegen. Und das wird schnell langweilig. Dabei hat er sich die spannendste Episode aus Wepners Leben gegriffen – seinen Aufstieg und langsamen Fall in den 1970er Jahren. Kostüme und Musik sind auch sehr sorgfältig und stimmungsvoll ausgewählt, aber damit kann man auch fast nichts verkehrt machen. Ebenso wenig mit der Besetzung von Elisabeth Moss als toughe, aber enttäuschte Ehefrau und Naomi Watts als Barfrau Linda.

Besonders Watts ist hier ein wahrer Lichtblick. Einmal mehr zeigt sie, dass sie die seltene Gabe besitzt, die Kamera in sich verliebt zu machen. Wenn sie zu sehen ist, strahlt der Raum etwas mehr. Wepner sieht sie zum ersten Mal in einer schummerigen Bar. In der roten Beleuchtung und mit den roten Haaren muss man zweimal hinschauen, um Watts zu erkennen. Sie liefert sich einen kleinen verbalen Schlagabtausch mit dem mittlerweile schon prominenten Boxer, lässt ihn dann an der Theke stehen und geht über die Tanzfläche. Sie geht nicht einfach, sie gleitet mit dieser Selbstsicherheit darüber, die früher Filmdiven in alten Hollywood-Streifen hatten. Sie weiß, dass alle Augen ihr folgen, sie weiß, dass die Luft um sie herum ein bisschen zu flirren scheint. Dann dreht sie sich noch einmal kurz nach Wepner um und man muss sich sofort in diesen Blick verlieben.

Gern hätte man mehr davon gesehen, aber Watts hat nur eine kleine Nebenrolle. Schreiber spielt seinen Wepner als leicht naiven Egoisten – aber auch er kann das dröge Drehbuch damit nicht retten. Einen Vergleich mit anderen Boxer-Biographie-Dramen wie Scorseses Wie ein wilder Stier will man gar nicht erst bemühen, zu schmerzlich würde er für Falardeau ausfallen. Sein Chuck ist in Konventionalität gefangen und schafft es über die ersten 30 Minuten heraus nicht, für das Schicksal des Chuck Wepner zu interessieren.

The Bleeder

„Sie kennen mich, Sie wissen es nur noch nicht“, sagt Chuck Wepner (Liev Schreiber) gleich zu Beginn des Films. Bis man herausfindet, woher man den Boxer mit dem Spitznamen „The Bleeder“ kennt, wird das erste Drittel von „Chuck“ vergangen sein. Aber mit diesem Satz ist das Grunddilemma des Boxers Wepner beschrieben: Er will Anerkennung und Ruhm, nicht nur von Familie und Freunden, nein von der ganzen Welt.
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