Tanzträume

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Die Gefühle zum Tanzen bringen

Man durfte gespannt sein, ob nach dem großen Erfolg von Rhythm is it ein weiteres Tanzprojekt mit jungen Menschen bestehen kann. Die Antwort ist positiv: Tanzträume – Jugendliche tanzen Kontakthof von Pina Bausch setzt trotz mancher Parallelen eigene Akzente. Für die Fans von Pina Bausch ist es die letzte Begegnung mit der legendären Künstlerin. Sie starb im Juni 2009, konnte aber noch eine Rohfassung des Films sehen.
„Kontakthof“ heißt ein Tanztheaterstück der Tänzerin, Choreografin und Theaterleiterin Pina Bausch, das 1978 zum ersten Mal aufgeführt wurde. Es handelt von einem Ort, an dem Menschen Kontakt suchen. Also von Zärtlichkeiten und Aggressionen, von Sehnsüchten und Enttäuschungen, von der großen Liebe und dem großen Kummer. Pina Bausch hat dann dasselbe Stück im Jahre 2000 erneut inszeniert, diesmal aber mit einer Laiengruppe von Senioren über 65. Und um die Generationenreihe voll zu machen, entstand 2006 das Projekt, dem Stück mit jugendlichen Laien zwischen 14 und 18 einen erneut anderen Touch zu geben.

Als sie davon hörte, war Regisseurin Anne Linsel so begeistert, dass sie gleich Pina Bausch um die Erlaubnis bat, bei den Proben drehen zu dürfen. Herausgekommen ist ein Dokumentarfilm, bei dem man in jeder Sekunde spürt, wie viel Herzblut in ihm steckt. Die Regisseurin ist eine große Verehrerin von Pina Bausch. Sie habe allein das Stück „Kontakthof“ etwa 30 Mal gesehen, sagte sie bei der Welturaufführung des Films im Berliner Friedrichstadtpalast im Rahmen der Berlinale.

Trotzdem gingen Anne Linsel und ihr Kameramann Rainer Hoffmann nicht überambitioniert, sondern wunderbar entspannt, warmherzig und humorvoll zur Sache. In den eineinhalb Jahren der Probenarbeit (jeweils samstags) gewannen sie das Vertrauen der vierzig Schülerinnen und Schüler aus elf Wuppertaler Schulen. Durch die Nähe zu den Protagonisten und durch die spannende, oft witzige Montage zieht der Film den Zuschauer so ins Geschehen, als wäre er die ganze Zeit dabei gewesen.

Ähnlich wie bei Rhythm is it liegt ein Teil der Faszination darin, zu welchen Leistungen junge Menschen fähig sind, wenn sie mit einer einfühlsamen Mischung aus Geduld, Förderung und Forderung begleitet werden. Wenn es Mentoren gibt, die mit jeder Faser ihres Wesens spüren lassen, wie viel ihnen selbst das Tanzen bedeutet. Und wie sehr es ihnen am Herzen liegt, andere an die persönlichkeitsstärkende Kraft des künstlerischen Ausdrucks heranzuführen.

Ein anderer Teil der Faszination betrifft das spezielle Thema, von dem „Kontakthof“ handelt. Erstaunlicherweise bekennen viele der Teenager, noch nie so richtig verliebt gewesen zu sein und wenig Erfahrung mit körperlichen Berührungen zu haben. Der Film greift diese Scheu mit viel Sympathie und Augenzwinkern auf. Er lässt Einblicke in ganz persönliche, manchmal schmerzhafte und manchmal peinliche Gefühle zu. Er zeigt, wie die Jungen und Mädchen ihre eigenen Erfahrungen und Ängste an den „Kontakthof“ herantragen und dadurch das Stück zu ihrem eigenen machen. Und indem sie die Vorlage verändern, ändern sie sich selbst, werden selbstbewusst und von innen geleitet. Wenn man dann die Premiere mit den ersten Proben vergleicht, wenn man sieht, wie aus Verkrampfungen fließende Bewegungen werden – dann ist das einfach wie ein (Tanz)Traum, der in Erfüllung geht.

Tanzträume

Man durfte gespannt sein, ob nach dem großen Erfolg von „Rhythm is it“ ein weiteres Tanzprojekt mit jungen Menschen bestehen kann. Die Antwort ist positiv: „Tanzträume – Jugendliche tanzen Kontakthof von Pina Bausch“ setzt trotz mancher Parallelen eigene Akzente.
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Meinungen

Michael Ehrlich · 25.06.2012

Der Film leuchtet in die Seele dieser jungen Künstler und Künstlerinnen hinein und zeigt wie durch Tanz und zufällige Begegnungen sich ihr Charakter und ihre Sicht auf die Welt verändert. Auch ein Vermächtnis der wunderbaren Künstlerin Pina Bausch.

Anke Kalbfuß · 21.06.2012

Einfühlsam - berührend - leistungsstark!

Ein wunderbarer Film und eine Hommage an Pina und Wuppertal (-er)!

Jost Budde · 24.03.2010

Ein wunderbarer unspektakulärer Film über jugendliche Menschen und ihre Begegnung mit Tanz und Theater. Vielen Dank