Stilles Chaos

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Und Papi wartet im Park...

In Abwandlung zu Udo Jürgens’ Klassiker „Und Gaby wartet im Park“, bietet sich geradezu als Kurzbeschreibung von Antonello Grimaldis Berlinale-Wettbewerbsbeitrag Caos Calmo die Formel „Und Papi wartet im Park“ an. Dabei beginnt der Film doch so harmlos an einem Strand irgendwo in Italien. Pietro Paladini (Nanni Moretti) spielt mit seinem Bruder eine Partie Strandtennis, als sie plötzlich Hilfeschreie hören. Ohne zu überlegen stürzen sich die beiden Männer in die Fluten und retten zwei Frauen vor dem Tod durch Ertrinken – eine Tat, die niemand zu würdigen weiß. Als die beiden nach vollbrachter Heldentat nach Hause zurückkehren, hat das Schicksal ein weiteres Mal zugeschlagen, und dieses Mal zeigte es sich unversöhnlicher als bei der Episode am Strand – Pietros Frau liegt tot im Garten und von einem Tag auf den anderen ist der leitende Angestellte eines Pay-TV-Senders Witwer und muss allein für die kleine Tochter Claudia sorgen. Obwohl seine Firma vor einer Fusion steht, zögert Pietro keine Sekunde, sein Leben voll und ganz auf die Bedürfnisse seines Töchterchens umzustellen. Auch wenn sie es nicht verlangt, bringt er sie nicht nur zur Schule, sondern verharrt auch in einem nahe gelegenen Park, bis der Unterricht beendet ist. Man ahnt es schnell – das Warten, das sich Entziehen von den beruflichen Verpflichtungen ist eine Art Trauerarbeit, zumal sowohl Pietro als auch Claudia nach dem Tod der Mutter beinahe emotionslos einfach weiterleben, als sei nichts geschehen. Und tatsächlich: Mit der Zeit kommen die Dinge beinahe wie von selbst in Bewegung: Immer wieder sind es Manager seiner Firma, die sich zu dem Eremiten begeben, um seinen Rat zu suchen und ihm ihre Geheimnisse anzuvertrauen. Zudem entwickelt Pietro langsam wieder die Fähigkeit, Beziehungen zu anderen Menschen einzugehen, er schließt neue Bekanntschaften und trifft schließlich sogar die Frau wieder, die er einst aus den Fluten des Meeres rettete und die – welch Wunder – zufällig in den Fusionsverhandlungen seiner Firma eine wichtige Rolle spielt. Als es schließlich Winter wird, ist die Trauerzeit, die Pietro als stilles Chaos erlebte, endlich vorbei…
Stille Trauer und leise Komik, sie gehen in Antonello Grimaldis Film Caos Calmo eine Verbindung ein, die durchaus rührt, was vor allem an Nanni Moretti liegt, der in diesem Film zeigen darf, dass er nicht nur als Filmemacher, sondern auch als Schauspieler zu den großen der Filmbranche Italiens gehört. Sein scheinbar unbewegtes Gesicht, das Gefühle nur selten zeigt, aber stets ahnen lässt, seine melancholische Grundhaltung, sie vertragen sich ausgezeichnet mit dem Thema des Trauern, das hier im Gegensatz zu Doris Dörries Film Kirschblüten – Hanami meist sehr unspektakulär in Szene gesetzt wird. Doch gerade vor diesem Hintergrund fallen einige grobe Schnitzer des Films umso mehr ins Gewicht: Dass Pietro ausgerechnet der Frau vom Strand wieder begegnen muss, die zudem eine wichtige Rolle bei seinen geschäftlichen Angelegenheiten spielt und die daraus resultierende, sehr detailliert gezeigte Liebesszene der beiden mag in Soap Operas und Fernsehfilmen der Berlusconi-Sender durchaus üblich sein, in diesem Film aber wirken sie vollkommen fehl am Platze. Wie überhaupt mancher Winkelzug des Skripts eine Wendung zu viel unternimmt um so die Geschichte um Trauer und die Rückkehr ins Leben wirklich glaubwürdig aufzuarbeiten. So sehr die Verbindung zwischen Vater und Tochter auch betont wird, über das Innenleben des Mädchens erfährt der Zuschauer bis zum Ende so gut wie nichts. Es bleibt für diesen Film unterm Strich vor allem eines anzumerken: Ohne einen glänzenden Nanni Moretti wäre Caos Calmo nichts weiter als eine drittklassige Fernsehschmonzette, die immerhin einigermaßen angenehm unterhält. Mehr aber auch nicht.

Stilles Chaos

In Abwandlung zu Udo Jürgens’ Klassiker „Und Gaby wartet im Park“, bietet sich geradezu als Kurzbeschreibung von Antonello Grimaldis Berlinale-Wettbewerbsbeitrag [b]Caos Calmo[/b] die Formel „Und Papi wartet im Park“ an.
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Meinungen

Gast · 15.02.2009

Ich habe selten einen so leeren, klischeehaften und oberflächlichen Film gesehen!

Christiane · 09.02.2009

Wieder einmal erweist sich überdeutlich, wie schwer es ist, ein Buch, besonders eines, in dem es in erster Linie um Gedanken und Verarbeitung geht, angemessen zu verfilmen. Man vergleiche jede beliebige Szene mit ihrem Ausgangspunkt im Buch - immer ist es eine Verflachung, Banalisierung. Ein Plädoyer für`s Lesen!

· 04.02.2009

Wunderbarer Film. Melancholie und Komik in
gelungener Mischung.

Bernd · 04.02.2009

Auch ich finde, dass es ein wunderschöner Film ist, und dass die Sexszene ein Traum ist oder Wirklichkeit, hat der Film irgendwie offen gelassen. Die Kritik ist leider völlig überzogen, mit drittklassiger Fernsehschmonzette hatte das nichts zu tun, da haben wir dann wohl zwei verschiedene Filme gesehen.

· 02.02.2009

nicht glaubwürdig, zu gekünstelt, manchmal komisch, ab der mitte des filmes geht die spannung verloren, grandioses porträt von moretti, ansonsten eher flach was das thema trauer betrifft

· 21.01.2009

wunderschöner film!

Keaton · 21.01.2009

So eine schöne Idee - so schlecht umgesetzt. Hätte sich bloß irgendjemand mal die Mühe gegeben, das Drehbuch gegenzulesen! Leider viel zu viel Bis auf Morettis Leistung findet sich viel vor Unausgegorenes, nicht zu Ende gedachte Charaktere und blinde Aneinandereihung von Plattitüden.

Joachim Kurz · 15.02.2008

Lieber Matthias Vogel, dass die fünfminütige Sexszene wichtrig sei, meinte auch Antonello Grimaldi in der Pressekonferenz (das hätte ich aber auch gesagt ;-)) Dass es aber ein Traum sei, daran kann ich mich nicht erinnern. Es bliebt die Frage, ob man solch eine "zentrale" Szene im Stile italienischer Billigpornos drehen muss.

Matthias Vogel · 14.02.2008

Lieber Joachim Kurz..

die Sexszene mit der Blonden Schlechtschwimmerin... ist das nicht geträumt? und von daher ziemlich wichtig für seine entwicklung?