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Auf Basis der Autobiografie von Bob Zellner erzählt Barry Alexander Brown in „Son of the South“ vom Werdegang des US-Bürgerrechtsaktivisten – und umgeht dabei souverän den naheliegendsten Fehler.

Son of the South (2020)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Kein Retter, sondern ein Verbündeter

Die US-Bürgerrechtsbewegung Anfang der 1960er Jahre aus der Sicht eines Weißen – das klingt zunächst einmal verdächtig nach einer White-Savior-Story. Und obwohl „Son of the South“ nicht gänzlich frei von Klischees ist, sei an dieser Stelle bereits gesagt: In diese Falle tappt der Film nicht. Das Biopic basiert auf Bob Zellners Memoiren „The Wrong Side of Murder Creek: A White Southerner in the Freedom Movement“, die der Aktivist im Jahre 2008 zusammen mit Constance Curry veröffentlicht hat. Barry Alexander Brown, der in erster Linie als Filmeditor der Werke von Spike Lee bekannt ist, hat das Drehbuch geschrieben und die Regie übernommen; Lee ist als ausführender Produzent mit an Bord.

Von Anfang an vermeidet es Son of the South, Bob (verkörpert von Lucas Till) zu einem Helden zu stilisieren und die historische Situation als Hintergrundkulisse auszubeuten. Archivaufnahmen vermitteln einen guten Eindruck der Atmosphäre im Jahre 1961 und werden stimmig mit den Bildern des Films verwoben. Der Busboykott von Montgomery, der sich gegen die Politik der Segregation und Rassentrennung richtete, liegt zu jener Zeit fünf Jahre zurück. Dass der Student Bob von der Diskriminierung um ihn herum nicht direkt betroffen ist, wird auf den Punkt gebracht, als er von einem Kommilitonen als „frei, weiß und 21“ bezeichnet wird. Zwar stammt er aus einfachen Verhältnissen, scheint durch seine hervorragenden Leistungen am College jedoch auf bestem Wege „nach oben“. Davon ist auch seine Zukünftige Carol Ann (Lucy Hale) überzeugt.

Ein Vorgriff der Ereignisse hat uns allerdings schon gezeigt, dass Bob nicht den von Carol Ann geplanten Weg zum bürgerlich-konservativen Glück gehen wird: Von einer Gruppe von Männern wird er verschleppt und zu einem Strick geführt. Grund für den Angriff ist, wie Bob uns via Voice-Over mitteilt, eine Diplomarbeit über Rassenverhältnisse, die er gerade mit vier Kommilitonen am Huntingdon College in Montgomery, Alabama verfasst. „Das konnte einen umbringen, eine Diplomarbeit…“, erklärt uns Bob in einem überraschend lakonischen Tonfall. Schon hier verzichtet Son of the South auf jegliches Pathos. Es geht im Folgenden nicht darum, wie ein weißer Mann heroisch all seine Privilegien opfert, um Gutes zu tun – sondern wie jemand lernt, zu einem sogenannten „Ally“, einem Verbündeten im Kampf gegen Rassismus zu werden.

„Diese Frau war sehr anstrengend“, stellt Carol Ann fest, nachdem sie und Bob bei einem Abendessen Rosa Parks (Sharonne Lanier) kennengelernt haben. Die Afroamerikanerin ging als Bürgerrechtlerin in die Geschichte ein, als sie sich weigerte, ihren Sitzplatz im Bus für einen Weißen Fahrgast zu räumen und daraufhin festgenommen wurde. In einem konventionelleren Film würde Parks vermutlich als warmherzig lächelnde Inspirationsquelle für Bob in Szene gesetzt werden. Hier ist sie indes eine Herausforderung, die Bob und Carol Ann mit den eigenen Denkklischees konfrontiert. „Ich war nur eine arme, kleine Schneiderin, müde von ihrem Tag…“, sagt Parks betont ironisch – und gibt damit zu verstehen, dass sie an jenem Tag sehr bewusst und in voller Kenntnis der Konsequenzen gehandelt habe. Sie wollte etwas bewegen – und hat dafür viel riskiert.

Die Geschichte von Bob böte viel Stoff für ein großes Melodram. Sein Großvater J.O. (gekonnt gespielt vom 2020 verstorbenen Brian Dennehy) ist Mitglied im Ku-Klux-Klan. In einer Szene gibt J.O. seinem Enkel zu verstehen, dass der Klan ihn im Auge hat. Dieser Moment wird nicht mit dramatischer Musik unterlegt – und Dennehy muss keinen diabolischen Gesichtsausdruck auflegen, um den Konflikt zu verdeutlichen. Etwas stereotyper fallen wiederum zwei der Frauenfiguren aus. Die leicht snobistische Carol Ann wird von Lucy Hale wie die überspannte Verlobte aus einer Woody-Allen-Komödie interpretiert und bewegt sich damit oft zu nah an einer Karikatur. Die Aktivistin Joanne (Lex Scott Davis) ist derweil etwas zu offensichtlich als Love-Interest-Kandidatin für Bob angelegt.

Wettgemacht wird dies zum einen durch die glaubhafte Zeichnung diverser realer Persönlichkeiten, etwa des baptistischen Geistlichen Ralph Abernathy (Cedric the Entertainer) oder der Aktivistin Virginia Durr (Julia Ormond). Und zum anderen durch die überzeugende Schilderung der Etappen zu echter Solidarität. Bob wird das erste Weiße Mitglied des Student Nonviolent Coordinating Committee. Bei einem Protestmarsch wird er von der Presse fälschlicherweise als Anführer der Gruppe wahrgenommen – da doch sicher nur ein Weißer imstande sei, so etwas zu organisieren. So wird Son of the South zu einem interessanten Film über Allyship, der es schafft, zu zeigen, dass Bob Zellner ein überaus beeindruckender Mensch war, ohne das Umfeld und den historischen Kontext in den Hintergrund zu rücken.

Son of the South (2020)

Basierend auf wahren Ereignissen erzählt der Film von fünf jungen weißen Männern, die als „The Huntingdon Five“ in die Geschichte eingehen. Im Mittelpunkt steht dabei Bob Zellner, der Enkel eines Anhängers des Ku Klux Klan, der mit seiner Familie bricht und sich der Bürgerrechtsbewegung anschließt

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Meinungen

Katharina Suckale · 26.08.2021

Vielen herzlichen Dank für diese interessante Kritik. Mir hat der Film sehr gut gefallen. Wenn man die Geschichte der realen Figur nicht kennt, ist es überraschend, was passiert. Ein wichtiger Film. Hoffentlich kommen noch mehr solcher Flme ins Kino! Hoffentlich kommen die Menschen wieder ins Kino, um sich solchen Geschichten wieder anzusehen.Katharina