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Wie ein unsichtbarer Beobachter blickt der Dokumentarfilm „Mit eigenen Augen“ auf die Arbeit der „Monitor“-Redaktion und begleitet Konzeption, Recherche und Produktion einer Ausgabe des WDR-Politmagazins.

Mit eigenen Augen (2020)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Es ist etwas Seltsames um diesen Filmtitel: Den Film „Mit eigenen Augen“ zu nennen ist zwar stimmig, denn die Kamera lässt den Zuschauer am eigenen Leib miterleben, wie ein Nachrichtenmagazin entsteht, einerseits. Andererseits ist der Titel auch beliebig: Wer sich für Medien und Journalismus interessiert, für das Recherchieren von Fakten und die Entstehung von Nachrichten, wird aufgrund des Filmtitels nicht auf dieses Thema gestoßen.

Doch genau um diese Themen geht es Miguel Müller-Frank in seinem Dokumentarfilm: Er beobachtet, wie eine Sendung des WDR-Politmagazins „Monitor“ gemacht wird. Als wäre sie unsichtbar, ist seine Kamera dabei in den paar Redaktionsräumen, wo das Redaktionsteam um Moderator Georg Restle die Sendung plant und zusammenstellt. Zwischen Abspann der einen und Ansagemoderation der nächsten Sendung liegen Besprechungen und Telefonate, es werden Gutachter beauftragt, Beiträge konzipiert, Videofilme geschnitten, Kommentare eingesprochen. Wir sind mit dabei, scheinbar unbemerkt von den Monitor-Mitarbeiter*innen: Regisseur Müller-Frank ist es offenbar gelungen, ein höchst vertrauensvolles Verhältnis zur Redaktion aufzubauen.

Müller-Frank hat in der Konzeption seines Films verschiedene Redaktionen besucht, sich bei verschiedenen Politmagazinen – TV, Zeitschrift, Tageszeitung – vorbereitet, ist dann beim WDR hängengeblieben: „Monitor“ ist eine der ältesten Politsendungen im Fernsehen, seit 1965 sendet es seine Beiträge, meinungsstark und oft polarisierend: Es ist eines der wichtigen Beispiele für den Journalismus als vierte Gewalt im Staate. Das ist genau der Punkt, an dem Müller-Frank ansetzt: Wie entsteht Journalismus, wie läuft Recherche, woher kommen die Fakten, die dann der Öffentlichkeit präsentiert werden?

Zwei Stränge verfolgt sein Film: Einmal geht es um einen pädophilen Arzt im Saarland, der auch nach Warnungen an Kliniken und Behörden nicht von Kindern und Jugendlichen abgehalten wurde. Das ist ein „kleines“, wiewohl wichtiges Thema: nichts Republikerschütterndes, aber ein beispielhaftes Versagen auf vielen Ebenen. Das andere Thema der Redaktion hat es in sich: Kurz zuvor war Walter Lübke ermordet worden, die Frage ist, inwieweit hier ein Einzeltäter tötete oder möglicherweise rechtsterroristische Strukturen zum Tragen kamen. Abwiegelnde Aussagen von Ministerien empören die Redaktion, es starten Nachforschungen, die in einem kleinen Coup enden: Fotos des Tatverdächtigen auf Neonazi-Treffen, obwohl der ja angeblich gar nicht mehr so sehr als rechtsextrem aufgefallen war.

Gedreht wurde also im Sommer 2019 – doch diese zeitliche Verortung ist irrelevant, es geht dem Film nicht primär um die tatsächlichen Inhalte der Sendung, die natürlich damals aktuell waren und heute quasi historisch sind. Es geht darum, zu zeigen, wie hier im Maschinenraum des Journalismus investigativ nach Tatsachen geforscht wird, wie sie auf ihren Gehalt abgeklopft werden, wie sie verifiziert und nochmal verifiziert werden. Ob man dabei tatsächlich zum Publikum des „Monitor“ gehört, ob man die Sendung gelegentlich, regelmäßig oder auch nie ansieht, ist ebenso nebensächlich: Müller-Frank führt ein Beispiel vor, das höchst anschaulich all die „Lügenpresse“- und „Fake-News“-Legenden ad absurdum führt, die von allen möglichen Seiten das Misstrauen an Medien und Medienfreiheit schüren wollen.

Um dieses Entstehen einer journalistischen Sendung zu begleiten, hat sich Müller-Frank völlig in die Neutralität zurückgezogen; macht sich scheinbar unsichtbar für die Protagonist*innen, unterlässt gegenüber dem Zuschauer jede Art der Kommentierung, man soll ja alles wie mit eigenen Augen sehen. Dass dabei allerdings die „Monitor“-Mitarbeiter*innen nicht einmal mit Namen vorgestellt werden, dass ihre Identität und auch ihre Stellung innerhalb der Redaktion dem Filmpublikum unklar bleiben: Da scheint doch der Rückzug ins reine Zeigen zu viel des Guten; denn immerhin wissen ja auch die Leute, die wir da sehen, wer ihre Kolleginnen und Kollegen sind. Und angesichts eines Diskurses, der mehr und mehr das Postfaktische deklariert, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, die Kämpfer*innen für Wahrheit, die Aufpasser*innen und Korrektor*innen der Macht nicht nur mit Gesicht zu zeigen, sondern auch mit Namen zu nennen.

Mit eigenen Augen (2020)

Innenansichten einer der renommiertesten Politikredaktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Film begleitet das Team des ARD-Magazins „Monitor“ bei ihren Recherchen zum Thema Rechtsextremismus und erlaubt einen seltenen Einblick in dessen Alltag und Arbeitsweisen.

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Meinungen

Aga Bellwald · 18.11.2021

Danke für die Kritik zum Film über die MONITOR-Redaktion. Leider weiss ich nicht, ob er auch in der Schweiz einmal zu sehen sein wird. MONITOR begleitet mich schon seit bald vierzig Jahren und ist ein Muss für die politische Bildung. Unter Georg Restle hat das Magazin einen Zacken zugelegt. Doch schon unter Klaus Bednarz selig war es immer sehr kritisch gegenüber den Mächtigen in D. Ich hoffe, dass dies so bleibt und dass die Programmreformen bei der ARD da nichts daran schraubte.