Log Line

Forest Gump heißt Laal Singh Chaddha und wohnt in Indien. Sonst ist fast alles gleich wie beim Original von Robert Zemeckis mit Tom Hanks, außer dass man hier Cricket spielt, statt Pralinen Galgappas nascht und die Menschen gut tanzen können.

Laal Singh Chaddha (2022)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Renn, Laal, renn!

Eine indische Bollywood-Version von „Forest Gump“? Benötigt man das? Die Antwort kann darauf eigentlich nur eine sein: Nein. Schon deswegen, weil bereits im Original die Geschichte mehr als fragwürdige Seiten hat. Dazu gehört die Behandlung von Menschen mit Behinderung, der übersteigerte Patriotismus oder das überholte Frauenbild. Nun das ist in „Laal Singh Chaddha“ nicht anders, aber auf seine Art so ins Märchenhafte gedreht, dass es auf jeden Fall sympathischer wirkt. 

Eric Roth schrieb das Drehbuch, das Robert Zemeckis 1994 inszenierte. Und Advait Chandans Neuverfilmung basiert vollständig darauf. Die Struktur des Films folgt dem gleichen Schema des Originals und der Inhalt der beiden Werke liegt auch sehr nahe beieinander. Es gibt Motive, die zwangsläufig an die indischen Verhältnisse angepasst werden mussten, und es sind genau diese, die die Geschichte im Endeffekt interessant machen. Alles beginnt damit, dass Forest, also Laal (Aamir Khan), nicht an einer Bushaltestelle sitzt und sondern mit dem Zug fährt. Von dort aus, erzählt er den Mitreisenden seine Lebensgeschichte in mehreren Rückblenden. 

Das berühmteste Zitat des Films konnte natürlich nicht fehlen. Das Leben ist in Indien allerdings nicht wie eine Pralinenschachtel, sondern wie „Galgappas“, auch „Panipuris“ genannt. Das ist ein eher salziges, und nicht süßes, Gebäck aus knusprigem Teig, das zu einer kleinen Kugel geformt wird. In die obere Öffnung lässt man mit Gewürzen oder auch Gemüse angereichertes Wasser hineinfließen. Offenbar handelt es sich um einen beliebten Snack, der oft von Straßenhändlern angeboten wird. Nun, Laals Mutter sagt: „Das Leben ist wie Galgappas. Der Magen ist vielleicht davon voll, aber das Herz sehnt sich immer nach mehr“. 

Eigentlich ist das schon die erste Verbesserung, wenn man an den ausgelaugten Originalspruch, der doch irgendwie nie richtig überzeugend war, denkt. Weitere betreffen die Einbindung von Ereignissen aus der indischen Geschichte wie die religiösen Konflikte, die das Land über die Jahrzehnte erlebte. Ohne entsprechende Vorkenntnisse ist es nicht immer einfach, das gesamte Ausmaß davon zu verstehen. Dennoch ist die Stärke des Films genau die, dass man mit Dingen konfrontiert wird, die uns etwas ferner stehen und die auch zu einer genaueren Auseinandersetzung anregen. 

Statt des Vietnamkriegs, in dem US-Forest eingesetzt wird, kommt bei Laal Singh Chaddha ein Einsatz gegen islamistische Terroristen vor. Der Schrimpskutter, mit dem Forest reich wird, wird zum Unterwäscheimperium. Und Forests beziehungsweise Laals große Liebe Rupa ist ein weniger drastisches Schicksal vergönnt. Insgesamt wirkt die indische Version etwas weniger krude als ihr Vorbild. Das zeigt sich auch in der ästhetischen Gestaltung. Es dominieren satte Farben und Pastelltöne. Der singende Erzähler außerhalb des Bildes, sorgt seinerseits für eine gehörige Portion Kitsch, genauso wie die spektakulären Stadt- und Landschaftsaufnahmen. 

Wie das Original ist auch diese Version des Films über zweieinhalb Stunden lang, und damit eindeutig zu lang. Die erste Hälfte von Laal Singh Chaddha hat einen besonderen Zug und damit etwas angenehm Kurzweiliges. Doch können auch die schmissigen Lieder zwischendurch über die verschiedenen Längen in der Handlung nicht hinwegtrösten. Unsinnig ist dabei beispielsweise die eine ausgedehnte Kriegsszene und auch an anderer Stelle kommt es zu Wiederholungen, die für eine Straffung in Frage gekommen wären. 

Getragen wird der Film natürlich auch hier von seinem Hauptdarsteller. Aamir Khan gibt sich Mühe, die Figur zu spielen. Wie auch bei Tom Hanks bleibt aber dieser bittere Beigeschmack, dass man sich bei der Charakterisierung des Protagonisten auf Kosten von Menschen mit Behinderung lustig macht. Ziemlich eindrücklich ist übrigens die Kindversion von Laal. Überhaupt sind alle weiteren Rollen, die abgesehen von Laal, ernstzunehmende, glaubwürdige sind, herausragend besetzt, allen voran fallen Kareena Kapoor als Rupa und Mona Singh als Laals Mutter besonders auf.  

Mit Pathos geizt auch Laal Singh Chaddha nicht. An verschiedenen Stellen kippt es allzu sehr ins Melodramatische, auch wenn sich der Film bemüht, einen humorvollen Gegenpol aufrecht zu erhalten. Zu den intelligentesten und amüsantesten Szenen gehört dann auch die Begegnung Laals als Kind mit dem zu der Zeit noch nicht weltbekannten indischen Schauspieler Shah Rukh Kahn, der von Khan selbst gespielt wird. Ganz arglos erzählt der erwachsene Laal davon, wie er dem damaligen jungen Mann das Tanzen beigebracht hat, das dann wesentlich für seine Karriere wurde. 

Mit der Frage konfrontiert, ob sich nun der Film lohnt oder nicht, könnte man sagen, dass er sich mehr lohnt als das Original. Sicherlich ist er genauso reißerisch, doch hat der Film entschieden etwas Liebenswertes an sich und man hat die Gelegenheit genutzt, der Geschichte ein wenig mehr Tiefgang zu verleihen. Das hätte man ruhig noch mutiger angehen können. 

Laal Singh Chaddha (2022)

Bollywood-Remake von Robert Zemeckis „Forrest Gump

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen