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Operation, Bestrahlung, Chemotherapie: Die traditionellen Methoden der Krebsmedizin können die Krankheit oft nicht besiegen. Seit rund 10 Jahren wird auch die vielversprechende Immuntherapie angewandt, die auf der Forschung eines Amerikaners beruht. Davon erzählt er hier selbst.

Jim Allison - Pionier, Krebsforscher, Nobelpreisträger (2019)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Ein revolutionärer Forschergeist

Im Leben von James „Jim“ Allison gibt es zwei konstante Leidenschaften. Die eine gilt seinem Freizeitvergnügen Musik, die andere der biologisch-medizinischen Forschung. Der Texaner spielt auch mit weißgrauen Haaren noch gerne Mundharmonika in einer Kneipenband. Einmal musiziert er sogar auf einem großen Konzert mit Country-Legende Willie Nelson. Auch seine berufliche Leidenschaft hat ihn weit gebracht, bis zum Nobelpreis für Medizin im Jahr 2018. Jim Allison entwickelte die Grundlagen der modernen Immuntherapie gegen Krebs und kämpfte gegen große Widerstände für die Entwicklung eines ersten Medikaments, das 2011 zugelassen wurde.

Während Allisons Studium in den 1960er Jahren wurden die T-Zellen entdeckt, die sich im Körper auf kranke Zellen, die beispielsweise von Viren befallen sind, stürzen. Warum, fragte sich Allison, erkannten die T-Zellen aber keine Tumorzellen? Seine Forschung führte über mehrere bahnbrechende Etappen zur Entdeckung, dass Tumore die T-Zellen ausbremsen. Es galt, einen Antikörper zu finden, der diesen Prozess unterbricht. Als das bei Labormäusen funktionierte, war die Sensation Mitte der 1990er Jahre perfekt. Künftig aber sollte der Forscher noch viel von dem Durchhaltevermögen brauchen, das er bereits als Student bei der mühseligen Laborarbeit gelernt hatte. Denn der Weg bis zum zugelassenen Medikament Ipilimumab sollte sich als ungewöhnlich steinig erweisen.

Im Dokumentarfilm des Amerikaners Bill Haney (The Last Mountain) erzählt Jim Allison selbst aus seinem Leben und von seiner Forschung. Das tun auch viele andere, Weggefährten, Kolleginnen, Reporter, seine Ex-Frau Malinda Allison, eine Krebspatientin. Der Schauspieler Woody Harrelson spricht aus dem Off einen erzählenden Kommentar ein. So folgt der Stil des Dokumentarfilms, der auch die Zeitachse von der Kindheit des Protagonisten bis 2018 linear abfährt, bewährten Mustern, wie man sie auch aus vielen – nicht nur amerikanischen — TV-Produktionen kennt. Aber die Talking Heads wirken hier nicht langweilig, sondern sorgen im Gegenteil für Lebendigkeit. Sie sind Mitwirkende oder Beobachtende des Forschungsprozesses, um den es hier geht und schildern ihn bewegt. Nach und nach formt sich so, flankiert von einigen Computeranimationen, ein anschauliches Bild der bahnbrechenden Arbeit dieses Forschers. Auch seine Persönlichkeit bekommt Konturen, indem auf seine Kindheit, seine Überzeugungen und sein Privatleben eingegangen wird.

Mit seiner Fähigkeit, Wissenschaft verständlich zu erklären, erinnert dieser Film an ein ähnlich gelungenes Werk, Eric Kandel – Auf der Suche nach dem Gedächtnis von Petra Seeger. Der Neurowissenschaftler Kandel bekam 2000 den Nobelpreis für seine Erkenntnisse, wie sich das Gehirn bei der Beschäftigung mit neuen Inhalten verändert. Viel zu selten befassen sich Dokumentarfilme mit naturwissenschaftlicher Forschung, wohl weil sie als kompliziert und sperrig gilt. Dabei könnten das Medium und das Genre viel von der Faszination neuer wissenschaftlicher Fragestellungen und Entdeckungen vermitteln. Haney jedenfalls schafft es vorbildlich, dem Publikum zu zeigen, wie spannend Allisons Arbeit war und ist.  

Jim Allison war erst 11 Jahre alt, als seine Mutter an Krebs starb. Der Junge wandte sich früh der Biologie zu und verteidigte die Darwinsche Evolutionstheorie mutig in einem schulischen Umfeld, in dem die Schöpfungslehre der Bibel hochgehalten wurde. Der Krebs forderte in Allisons Familie auch weitere Opfer und er selbst erkrankte später in seinem Leben ebenfalls. Dass er Leuten mit seiner Arbeit helfen konnte, ist für Jim Allison eine späte Genugtuung. Er kämpft mit den Tränen, als er den Dankesbrief einer Frau liest, deren Mann von der Immuntherapie profitierte.

Die teuren klinischen Studien für die Zulassung des neuen Medikaments hätten nie stattfinden können ohne das Geld eines großen Pharmaunternehmens. Dass es floss, ist der unermüdlichen Überzeugungsarbeit von Rachel Humphrey, einer Managerin aus der Pharmaindustrie, zu verdanken. Sie erinnert sich, wie sie von Mitarbeitern aus dem eigenen Team angeschrien wurde, denen das finanzielle Risiko zu groß erschien. In den 1980er Jahren galt die Immuntherapie bei Krebs aufgrund enttäuschender Erfahrungen mit Interleukinen als Irrweg. Allison ging durch eine lange Phase nervlicher Belastung, an der auch seine Ehe zerbrach. Aber er hat eine neue Partnerin gefunden – passenderweise eine Krebsforscherin, mit der er schon lange zusammenarbeitet. Kreativität, Mut und Ausdauer sind die Eigenschaften, mit denen der gemütlich und entspannt wirkende Texaner Jim Allison der Medizin zu einem großen Fortschritt verholfen hat.

Jim Allison - Pionier, Krebsforscher, Nobelpreisträger (2019)

Mit seiner Forschung hat Jim Allison die Krebstherapie für immer verändert. „Durch die Stimulierung der Fähigkeit unseres Immunsystems, Tumorzellen anzugreifen, hat Allison ein völlig neues Prinzip für die Krebstherapie geschaffen“, erklärte das Nobelpreiskomitee, welches ihn 2018 dafür auszeichnete. Heute ist sein Name weltweit bekannt, doch bis zu seinem Durchbruch führte Jim Allison jahrzehntelang einen einsamen Kampf gegen die Skepsis des medizinischen Establishments und die großen Pharmakonzerne.

Der Dokumentarfilm begleitet die persönliche sowie berufliche Reise eines bahnbrechenden Wissenschaftlers und nimmt uns dabei mit in die Welt der Spitzenmedizin und in das Herz eines Pioniers. (Quelle: Mindjazz Film)

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