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Kleingangster mit missglücktem Coup, bizarre Begegnungen mit bizarren Typen, coole Sprüche und der Traum vom großen Geld und der großen Freiheit: Die belgische Gangster-Komödie H4z4rd spielt geschickt auf bekanntem Terrain – und wird als Clou aus der Sicht eines Autos erzählt.

Hazard - Vollgas (2022)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Autoperspektive

Noah nennt sich Hazard, und als Beschäftigung, nein: Beruf, nein: Berufung fährt er durch Antwerpen. In seinem schönen, coolen, starken Lexus. Der wird am Anfang kräftigst gewürdigt, die Kamera umschmeichelt ihn, in Großaufnahme wird er von liebevoller Hand gepflegt. Und nur dieser vermaledeite Sprung in der Windschutzscheibe stört. Im Lauf von H4z4rd wird dieser Sprung immer größer werden, und wie die Scheibe geht auch Hazards Leben in die Brüche.

Das Problem ist Bruder Carlos. Der spielt sich als großer Macker auf, und Hazard schuldet ihm was, weil das Bruderherz für ihn im Gefängnis saß. Aber Carlos ist auch ein bisschen dumm, und Hazard muss den Driver spielen bei einem Coup. Den wiederum hat ein Fettsack mit Hitlerbärtchen eingefädelt, er kennt da einen Türcode… – knapp können sie entkommen, mit einem Koffer voll – nein, nicht mit Geld, sondern mit Drogen. Und verfolgt von einer schießwütigen Dame. Mr. Fettsack, der vom Rücksitz aus seine bedrohliche Ruhe ausgestrahlt hat, hat nun ein Loch im Gesicht, und Hazard muss doch um halb vier seine Tochter von der Schule abholen!

Ein irrer Trip quer durch die Stadt und zurück setzt an, und das Besondere an dem Film ist nicht nur, dass Hazard eigentlich ein ganz Lieber ist, der an Freundin und Tochter hängt und ganz normale Probleme mit der Schwiegermutter aussitzen muss; oder dass Regisseur Jonas Govaerts nicht der Versuchung erliegt, einen puren schnell-furiosen Adrenalinrausch zu inszenieren mit laufender Verfolgungsaction, sondern immer wieder in die Entschleunigung eintritt, weil ein Müllwagen oder eine Baustelle oder ein Lieferwagen im Weg stehen; oder dass der Film vom Schrägen ins Absurde gerät, ohne seine Figuren und die Ernsthaftigkeit ihrer Probleme zu verraten; nein, das eigentlich Besondere an dem Film ist, dass er aus der Sicht des Autos erzählt wird. Die Kamera ist immer im oder am Wagen, rund um ihn herum entspinnt sich das Drama, das so herrlich komische Züge annimmt. Der Lexus ist sozusagen das Erzählmedium, über das Hazards schmerzhafte Odyssee geschildert wird: eine Irrfahrt, die ihn zu verschiedenen irren Typen führt, ein Rausschmeißer, der seinen Job sehr ernst und wörtlich nimmt, die gute alte Schulleiterin, die ihn nebenbei beschimpft, ein Securitymann mit besonderen autoerotischen Gelüsten, eine Drogengang, ein gefräßiger Wolf… Und Hazard gerät selbst ins Fadenkreuz, weil die Societylady, die ihren Drogenkoffer wiederhaben will, vor Mord und Entführung nicht zurückschreckt. Es zahlt sich nicht aus, wenn man ein Vanity-Kennzeichen hat: „H4z4ard“ auf dem Nummernschild kann man sich leicht merken, und schwupps ist das Töchterchen gekidnappt.

Govaerts hat das richtige Gespür für filmische Dynamik, dafür, was einem Auto und seinem Fahrer an einem Tag so alles passieren kann, wenn die Umstände entsprechend sind. Mutmaßlich stand die Corona-Pandemie Pate bei diesem Projekt: Beinahe ein fahrendes Kammerspiel ist das, reduziert auf den Raum in und um den Lexus. Solche Filme zu finanzieren, zu realisieren ist in Seuchenzeiten leichter, vor allem, wenn man die Ideen und das Können hat, die Spannung zu halten.

Letztlich spielt der Film mit dem Existentialismus; aber eben als Spiel. Dass der Film keinen großen, weiteren, tieferen Sinn hat, muss man ihm nicht vorwerfen: Es geht schlicht darum, wie einem Menschen alles abhandenzukommen droht, was ihm wichtig ist. Und das ist nicht nur das Auto… Und es geht natürlich auch darum, dass in Belgien die Scheibenreparatur-Werbung genauso penetrant im Autoradio läuft wie hierzulande. 

Hazard - Vollgas (2022)

Der Film erzählt von Noah, der seine Freundin, seine Tochter und sein schnelles Auto gleichermaßen liebt. Als er einen Job als Fahrer für einen gerade aus der Haft entlassenen Gangster bekommt, gerät er in eine Situation, in der er sich zwischen den dreien entscheiden muss.

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